
Bart Van Loos' "Burgund": Machthungrige Mäzenaten
Der belgische Historiker und Schriftsteller Bart Van Loo schildert in seinem neuen Buch „Burgund“ das widersprüchliche Zeitalter der „Großen Herzöge“: brutaler Regenten, die großzügig die Künste förderten.
Der belgische Historiker und Schriftsteller Bart Van Loo schildert in seinem neuen Buch „Burgund“ das widersprüchliche Zeitalter der „Großen Herzöge“: brutaler Regenten, die großzügig die Künste förderten.
Mit Burgund verbindet man vornehmlich einen großen kulturellen Reichtum: mittelalterliche Klöster und Burgen, eine Vielzahl von romanischen Kirchen, die im Umfeld des Klosters von Cluny entstanden sind, prachtvoll ausgestattete Schlösser und pittoreske Altstädte. Weniger bekannt ist die wechselvolle politische Geschichte dieser Region, die sich zwischen Auxerre und Mâcon erstreckt. Mit dieser Geschichte befasst sich der Historiker und Schriftsteller Bart Van Loo in seinem über 600 Seiten umfassenden Buch „Burgund. Das verschwundene Reich“.
In der „Geschichte von 1111 Jahren und einem Tag“ beschreibt der Autor vornehmlich die Dynastie der „Großen Herzöge“ aus der Nebenlinie des Königshauses Valois, die mit Ernennung Philipps des Kühnen im Jahr 1363 einsetzt. Bereits als Vierzehnjähriger hatte er in der Schlacht bei Poitiers gegen die Engländer seinen Vater heldenhaft verteidigt und sich den Namen „der Kühne“ erworben. Der junge Herzog verstand es, durch eine geschickte Heiratspolitik das Territorium Burgunds um die wirtschaftlich prosperierende Region Flandern zu erweitern. Er schuf eine effiziente Verwaltung, eine straff organisierte Armee und entfaltete ein prachtvolles Hofleben, das vom europäischen Hochadel bewundert wurde. Als Beispiel schildert Van Loo das fulminante Hochzeitsmahl von Philipp dem Kühnen: „Zu beeindruckenden Pyramiden aufgeschichtete Bratenstücke von Kalb, Reh, Hirsch oder Wildschwein, Gänse, Reb- und Birkhühner wurden aufgetragen“ und in außergewöhnlichen Figurationen präsentiert: Ein Höhepunkt der kulinarischen Inszenierung war „ein Kapaun, der rittlings auf einem gebratenen Ferkel saß“.
Tyrannenmord und Racheakte
Johann Ohnefurcht, der Sohn Philipps des Kühnen, übernahm nach dessen Tod die Herrschaft in Burgund, nachdem er seinen Cousin und Rivalen Ludwig von Orléans in heimtückischer Weise ermorden ließ. Er rechtfertigte sein Vorgehen als Tyrannenmord, der vom französischen König akzeptiert wurde. Die Angehörigen von Ludwig von Orléans – das Geschlecht der Armagnacs – wollten diesen Mord rächen, was zu bürgerkriegsartigen Zuständen führte und zur Schwächung Frankreichs beitrug, das sich im Hundertjährigen Krieg mit England befand. Das Vordringen der Engländer führte zu einer vermeintlichen Versöhnung der beiden Parteien, die später widerrufen wurde und mit der Ermordung Johann Ohnefurchts endete. Ihm wurde die Hand abgehackt, der Schädel gespalten und der Körper mit einem Schwert durchbohrt.
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