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Böhmens königliche Zier

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Mit der vorliegenden Publikation legt der Verlag Herold den 2. Band seiner Reihe über die Kronen des Hauses Österreich vor.

Gegenüber den Insignien des österreichischen Kaisertums war eine weitaus größere Stoffülle zu bewältigen, da die Geschichte des böhmischen

Königtums ja mehrere Jahrhunderte umfaßt. Stärker als in dem ersten Bändchen wurde der Verfasser daher zu zusammenfassenden Darstellungen gezwungen, wobei der Fachmann die subtilen Sachkenntnisse bewundert, die hinter den knapp textierten Formulierungen stehen. Das Buch bietet eine

Orientierung über alle einschlägigen Fragen de! böhmischen Kroninsignien und der böhmischen Königskrönung, darüber hinaus bietet es auch einen Weg zu vertieftem Studium der Probleme, was die Insignien, die Ornate und das Zeremoniell der Krönung betrifft. - Freilich werden manche Fragen nur kursorisch behandelt. Das ist bei der Anlage des Buches nicht anders möglich. Der ausführliche Literaturnachweis bietet aber genügend Fingerzeige zu vertieftem Studium. Vermißt wird die Zitierung der einschlägigen Arbeiten von Percy E. Schramm (Herrschaftszeichen und Staatssymbolik, Band I und III, Stuttgart 1954 bzw. 1956; Globus, Sphaira, Reichsapfel, Stuttgart 1958), die immerhin in speziellen Kapiteln auf die böhmischen Insignien eingehen, wenn man sich vielleicht auch nicht immer Schramms Meinung wird anschließen können.

Der Schwerpunkt der Darstellung liegt auf der Entwicklung des böhmischen Königtums von König Wratislaw bis zu Kaiser Karl, der als Karl III. böhmischer König war. In dieser gewaltigen Zeitspanne unterscheidet Schwarzenberg fünf verschiedene Epochen des monarchischen Staatsgebildes: eine patriarchalische Monarchie, der die Herrschaft der Stände, beginnend mit der Zeit der Luxemburger, folgt. Sie findet mit dem Sieg Ferdinands II. in der Schlacht am Weißen Berg ihr Ende. Seine erneuerte Landesordnung des Jahres 1627 leitet die Erbmonarchie der Barockzeit ein. Die Zentralisierung der Staatsführung unter Maria Theresia ist für den Autor der Beginn der Monarchie der Aufklärung. Mit dem Jahr 1848 begann eine Periode der Verfassungskämpfe, die bis zum Ende der Monarchie nicht zum Stillstand kommen sollten, wobei die Wiener Zentralstellen des öfteren wenig Sinn für die akuten Probleme in den Ländern der böhmischen Krone erwiesen. Diese ' verschiedenartigen Richtungen im Aufbau des böhmischen Königtums mußten in Krönung und Kroninsignien ihren Niederschlag finden, gibt es doch kaum einen empfindsameren Seismograph für ein Königtum als seine Symbole und sein Zeremoniell. Die Persönlichkeit des Autors allein begründet, daß der Akzent seiner Darstellung in der zuletzt angedeuteten Richtung liegt und das kleine Werk damit für alle, die österreichische Geschichte im weiteren Sinne interessiert, voll lebendiger Problematik ist.

Gerade aber solch eine starke Persönlichkeit wird des öfteren auch Formulierungen finden, die Anlaß zur Kritik bieten. So kann sich der Rezensent nicht mit der Behauptung einverstanden erklären, daß die Insigniengruppe der Kaiser Rudolf II. und Matthias, die heute als ehemaliee Kroninsignien des Kaisertums Österreich in der Wiener Schatzkammer verwahrt werden, allein aus Geldern angefertigt wurden, welche die böhmischen Länder als königliche Einkünfte den beiden Kaisern zur Verfügung stellten (S. 3 5). Diese Angabe geht auf eine Schrift Karel Chytils (La couronne de Rodolphe II, Prag 1921) zurück, die der Tschechoslowakischen Republik nach dein ersten Weltkrieg als Grundlage ihrer Forderung auf Auslieferung dieser Kroninsignien dienen sollte und die daher trotz vieler neuer Erkenntnisse tendenziösen Charakter hat. Gerade die erwähnte Behauptung beruht auf gedanklichen Kombinationen, nicht aber auf exakten Unterlagen. — Die Zerstörung der Privatinsignien Karls V. (S. 35) ist auf das Konto Philips II. zu setzen, der sie auf dem Erbwege erhalten hatte. Zeitlich fällt sie in die Jahre 1559 bis 1562, also noch vor die Regierungszeit Kaiser Maximilians II., dem in jeder Hinsicht die Möglichkeit eines Eingreifens in diese Vernichtungsaktion fehlte. Daher läge, von dieser Seite betrachtet, kein Einwand dagegen vor, daß Maximilian IL, den wir immer mehr als einen Fürsten hervorragenden Geschmacks, mit bedeutendem Sinn für künstlerische Repräsentation, erkennen, sich auch neue Insignien anfertigen lassen konnte. Die Frage der Datierung der heute bei den böhmischen Kroninsignien befindlichen Reichsapfel und Zepter wäre noch zu beantworten.

Bezüglich der in der Wiener Schatzkammer existent gemeldeten Teile des Krönungsornates König Ferdinands V. (S. 40), was auf einer Vermutung des Rezensenten nach flüchtiger Inventareinsicht beruht, sieht sich dieser nach einer genauen Überprüfung der einschlägigen Inventare zu einer Korrektur dahingehend veranlaßt, daß alle Teile des böhmischen Krönungsornates von 1836, die m der Wiener Schatzkammer lagen, 1847 vernichtet wurden. Die genannten Gewandstücke gehören in einen anderen Zusammenhang.

Hinsichtlich der Abbildungen ist zunächst darauf zu verweisen, daß alle böhmischen Insignien — ausgenommen nur die in der Wiener Schatzkammer befindlichen Gegenstände — in Prag verwahrt werden. Die Ausstattung des Bandes mußte daher von Haus aus auf große Schwierigkeiten stoßen und die Qualität der Abbildungen konnte nicht homogen sein. Leider fehlen anscheinend deshalb wichtige Stücke wie das Evangeliar. Um so mehr ist es zu begrüßen, daß Autor und Verlag dennoch das Unternehmen wagten, das dank sorgfältiger Überlegungen trotz allem einen sehr instruktiven Bildteil besitzt. Er rundet die Aussage des Textes ab und vermittelt zahlreiche Abbildungen, die sonst nur schwer in älteren oder entlegenen Publikationen zugänglich wären.

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