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Curia semper reformanda

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„Curia semper reformanda“— „die ewig in Reform befindliche Kurie“, an diesen prägnanten lateinischen Satz, der schlecht zu übersetzen ist, dachten gewiß viele, als sie von den letzten Reformen in der Kurie hörten.

Wenn vom Apostolischen Stuhl gesprochen wird, dann meinen die meisten Menschen die römische Kurie. Eine arge Verwechslung. Denn beide gleichsetzen, heißt Ursache und Wirkung vertauschen. Die römische Kurie ist nur ein Instrument des Apostolischen Stuhles zu Rom.

Fast jeder Papst noch hat versucht, die Kurie zu reformieren. Dies ist noch nie ein Beweis gewesen, daß die Kurie bis zu diesem Augenblick schlecht gewesen sei. Ein solches Instrument kann nicht durch alle Jahrhunderte völlig gleich dahinleben, sondern muß sich auch den geänderten Verhältnissen in der Weit anpassen.

Die Kurie hatte manchmal in der Geschichte nicht einen allzu glänzenden Ruf, und doch gebietet die Wahrheit, festzustellen, daß sie fast immer viel, viel besser als ihr Ruf war. Ihre Mitglieder gehörten und gehören, auch wenn sie oft äußerlich barocker Prunk umgab, zu den bescheidensten und fleißigsten und auch frömmsten Dienern der Kirche. Kaum ein weltlicher Beamter von höchstem Rang würde sich oft mit so geringem Einkommen begnügen wie die vatikanischen Würdenträger, die mithelfen, eine Welt zu regieren. Kaum ein weltlicher Beamter wird eine solche intensive Arbeitszeit jahraus jahrein durchleben wie die hohen oder niederen Angehörigen der Kurie.

In dieser Kurie gab es zu allen Zeiten Angehörige eines Fortschritts und Angehörige, die älteren Richtungen anhingen. Aber die Ablösung der Generation, die älteren Richtungen anhingen, durch die Angehörigen eines Fortschritts erfolgte immer mit Würde und unter Achtung der Persönlichkeit.

Auch der jetzt regierende Papst Paul VI. hat wie alle seine unmittelbaren Vorgänger eine Reform der Kurie eingeleitet. Im Zusammenhang mit dieser Reform mußte es natürlich auch zu Personalveränderungen kommen, die einem Großteil der Presse Gelegenheit gaben, ihre bewährten Feuerwerkskörper abzuschießen.

Bei diesen letzten Veränderungen in der Kurie wurde am meisten der Rücktritt des Kardinals Ottaviani kommentiert. Mit ihm schien ein Bollwerk der Konservativen zu fallen, der im Rufe stand, allen Neuerungen ein starres Nein entgegenzusetzen. Gleichzeitig aber erfolgte auch der Rücktritt von Kardinal Lercaro, des Erzbischofs von Bologna, des Vorsitzenden der Sonderkommission für Liturgie, der allgemein als „Linker“ galt, und der fast gleich alt wie Ottaviani ist. Der Rücktritt dieses bedeutenden Kirchenfürsten wurde fast kommentarlos zur Kenntnis genommen.

Die Kurie ist ein Instrument des Apostolischen Stuhles, und die Mitglieder der Kurie sind die wichtigsten Helfer des Papstes in der Regierung der Kirche. Es ist selbstverständlich, daß ein jeder Papst sich jene Helfer sucht, mit denen er glaubt, sein Programm am besten durchführen zu können; und nur unter diesem Gesichtspunkt sollten die Veränderungen, die jeweils an der Kurie stattfinden, bewertet werden. Aus ihnen kann auch auf die

Absichten des jeweilig regierenden Papstes geschlossen werden.

Nachfolger Kardinal Ottavianis ist der bisherige Erzbischof von Agram, Kardinal Seper, ein Mann, der den Herzen aller Österreicher besonders nahe stehen muß. Hat doch Österreich immer eine besondere Vorliebe für die Kroaten gehabt. Kardinal Sepers Familie stammt aus dem Burgenland, aus dem auch Erzbischof Grosz kam, und studierte in Rom am Collegium ger- manicum hungaricum, aus dem doch so viele Bischöfe des alten und des neuen Österreichs hervorgingen. Daß der Papst für das wichtigste Amt der Kirche nicht einen Angehörigen der Kurie, sondern einen Bischof wählte, der mitten in der Seelsorge stand, noch dazu in einem Land, in dem alle Seelsorge schwierig ist — auch aus dieser Berufung ist eine besondere Absicht des Papstes zu erkennen: die Absicht, die Seelsorge in dieser wirren Welt besonders zu intensivieren.

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