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Das Geschlecht der Babenberger

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Die einzige bisher bekannte Quelle für die Abstammung des ersten österreichischen Herrscharhauses bildet die Erzählung des Otto von F r e i s i n g im 15. Kapitel des 6. Buches seiner Chronik. Darin berichtet er zum Jahre 905, daß ein gewisser Albert, ein vornehmer Graf der Franken und Enkel des Sachsenherzogs Otto, einen anderen Grafen namens Konrad im Kampfe getötet habe. Obwohl Albert nach den damaligen Rechtsauffassungen im Recht gewesen wäre, wurde er doch vor den Kaiser zitiert, um sich zu verantworten. Als er der Berufung keine Folge leistete und auch die g-egen ihn ausgesandten Truppen von seiner Burg Theres am Main aus siegreich abwehrte, gelang es dem Reichskanzler Hatto, Erz-bischof von Mainz, ihn durch List aus seiner Burg herauszulocken und ihn hinrichten zu lassen. Die Gestalt des ritterlichen Helden Albert sowie die seines meineidigen Gegners Hatto wurde bald vom Volkslied besungen, „wie man auch jetzt noch nach allgemeiner Überlieferung an den Kreuzwegen und in den Höfen hört“. Alberts Vater Heinrich hatte die Schwester des nachmaligen Königs Heinrich I., namens B a b a, zur Frau und hatte seiner Frau zu Ehren die Burg, die er an der Stelle des späteren Bamberger Domes erbaute, „Baben“berg genannt. „Aus dem Blut dieses Alberts“, so fährt Otto von Preising fort, „soll Albert, welcher nachmals die Ostmark, das ist das obere, den Ungarn entrissene Pannonien, dem römischen Reiche hinzugewann, abgestammt sein.“

Nach dieser Erzählung Ottos von Freising waren also die beiden Brüder Leopold und Berthold, denen Kaiser Otto II. im Jahre 976 zum Dank für ihre tatkräftige Waffenhilfe gegen den aufständischen Bayernherzog die beiden bayrischen Grenzmarken im Norden und im Osten zuwies, von ihrer Ahnfrau her ebenso Nachkommen des Sachsenherzogs Otto des Erlauchten, wie es Kaiser Otto von väterlicher Seite aus war.

Zwischen 1870 und 19C0 haben eine Reihe von österreichischen und bayrischen Historikern sich bemüht, die Abstammungsfrage Jer ersten österreichischen Dynastie, welche in der neuzeitlichen Geschichtsschreibung unter dem Namen der „B a b e n b e r g e r“ bekannt ist, zu klären. Man ging dabei von der kritischen Auffassung aus. daß die Nachricht des babenbergischen Geschichtsschreibers nichts anderes sei als eine der in der damaligen Zeit so beliebten Stammbaumkonstruktionen, zumal da sich andere urkundliche Beweise für die Richtigkeit seiner Angabe nicht finden ließen. Das Endergebnis der ganzen wissenschaftlichen Diskussion war aber die Erkenntnis, daß sich alle gegenteiligen Annahmen ebensowenig urkundlich belegen ließen, wie der Bericht Ottos, der gerade in seiner Kürze und Beiläufigkeit so gar nichts gewollt Konstruiertes an sich hat. Man wird ihm daher auch weiterhin ruhig Glauben schenken können; denn einem Mann wie Otto von Freising kann man es wohl zutrauen, daß er über seine eigenen Vorfahren hinreichend unterrichtet war.

Auch Kaiser Otto II. wird nach der Xkderwerfung des bayrischen Aufstandes de Markgrafschaft im Osten einem Manne v :rliehefV haben, der nicht nur durch persönliche Treue erprobt war, sondern der auch pürier Abstammung nach die Gewähr bot, e:n verläßlicher Wächter an der Grenze des Reiches zu werden.

Wenn in der Folgezeit die Babenbe-ger länger als zweieinhalb Jahrhunderte lang die Herren von Österreich blieben, so ist das im Vergleich mit anderen europäischen Herrschergeschlechtern eine einzigartige Ausnahme. Die für die von ihnen regierten Länder segensreiche Kontinuität der Herrschaft verdankten die Babenberger neben den persönlichen Fähigkeiten einzelner Herrscher ganz besonders ihren Familienbeziehungen, velche sie in Verbindung mit fast allen regierenden Familien Europas brachten. Auf diese Weise begründeten sie die spätere habs-burgische Tradition des „tu felix Austria nube“. Neben den glücklichen Ehebündnissen erfuhr das Ansehen und der Einfluß der Babenberger auch dadurch bedeutende Stärkung, daß wichtige kirchliche Stellen durch Mitglieder der Babenberger Familie besetzt waren.

Schon in der ersten Generation nach dem Stammvater Leopold I. sehen wir neben seinen beiden Söhnen Heinrich und Adalbert, die einander in der österreichischen Markgrafschaft folgen, den dritten Sohn Ernst als Herzog von Schwaben; nach seinem Tode wird seine Witwe Gisela als Frau des salischen Konrad Kaiserin und Stammutter des salischen Hauses. Ein vierter Sohn des ersten Leopold, Poppo, wird zuerst Dom-propst des von Heinrich II. neugegründeten Bistums Bamberg, später Erzbischof von Trier.

Es gibt in der Babenberger-Geschichte keine Generation, die nicht in engster Familienbeziehung gestanden wäre zu den benachbarten Herrscherhäusern, besonders von Ungarn, Polen und Böhmen. Das eigentliche „heroische Zeitalter“ der Babenberger beginnt aber mit der Ehe Leopolds III. des Heiligen mi.t Agnes, der Tochter Kaiser Heinrichs IV. und Witwe des Staufers Friedrich. Das Ansehen des Babenbergers ist um diese Zeit so gestiegen, daß er für die Kaiserkrone vorgeschlagen wird und sie wohl auch erlangt hätte, wenn ihm daran gelegen gewesen wäre. Nicht umsonst hat Leopold nach seiner Verheiratung mit Agnes in „Neuburg“ eine Pfalz gebaut, welche der Anlage und dem Umfang nach sich mit jeder kaiserlichen und landesfürstlichen Pfalz messen konnte. „Die Gründung in solchen Dimensionen bedeutet nicht nur einen neuen Anspruch, sondern ein neues Recht. Sie verrät den Aufstieg vom Markgrafen zum Landesherrn und Kronprätendenten. Die Verleihung der Herzogswürde an den Sohn ist die Vollendung des vom Vater Erreichten“ (öttinger).

Zu ihrer vollen Auswirkung kam die Familienpolitik Leopolds III. in der ihm folgenden Generation, als zuerst der Stiefbruder des österreichischen Markgrafen, Konrad III., dann dessen Neffe Fried-r i c h I. die Kaiserkrone trug. Jetzt wurde aus dem Markgrafen von Österreich zuerst der Herzog von Bayern, dann der Herzog von Österreich, mit einer Reihe von einzigartigen Privilegien für Haus und Land. Die Söhne und Töchter Leopolds sind — bis auf die zwei geistlichen Reichsfürsten — ausnahmslos mit den Nachkommen königlicher oder regierender Häuser verheiratet. Heinrich Jasomirgott hat als erste Frau die Kaisertochter Gertrud, die Witwe Heinrichs des Weifen und Mutter Heinrichs des Löwen; so war ihm die Vermittlerrolle zwischen den Staufern und Weifen zugedacht und nur der frühzeitige Tod Gertruds hindert die Ausführung des Planes. Dafür fiel Heinrich, der seinen Stiefbruder Konrad auf seinem Kreuzzug begleitete, neuerdings die Aufgabe zu, durch eine Heirat mit der griechischen Prinzessin. Theodora eine Familienverbindung zwischen dem Reich und Byzanz herzustellen.

Zwei Söhne Leopolds III. waren geistliche Reichsfürsten: Konrad als Bischof v o.n P a s s a u und später Erzbischof von Salzburg und Otto, Bischof von F r e i s i n g. Dieser letztere hat nicht nur als Reichsfürst, sondern mehr und tiefer noch als Schriftsteller nachhaltigen Einfluß auf die Geisteshaltung seiner Zeit ausgeübt. Er wird von neueren Historikern als der größte Geschichtsschreiber des deutschen Mittelalters bezeichnet, der „als Forscher und Darsteller nur mit den größten Universalhistorikern aller Zeiten, mit Thucydides und Tacitus verglichen werden kann“ (Büdinger). Nebenbei sei hier bemerkt, daß die Kaisertochter Agnes nicht nur die Mutter des genialen Historikers Otto von Freising war, sondern auch die

Urgroßmutter des heiligen Thomas von A q u i n, dessen Großvater väterlicherseits eine Schwester Barbarossas geheiratet hatte.

Die Vermählung einer Schwester Leopolds III. mit Ottokar von Steiermark, dem Großvater des letzten steiri-schen Herzogs, brachte schließlich nach hundert Jahren für die Babenberger den Gewinn der steirischen Länder.

Der politischen Bedeutung der abgeschlossenen Ehen entsprachen auch vielfach die äußeren Feierlichkeiten. So wohnte'im Jahre 1165 der Verlobung einer Tochter Heinrichs II. mit König Stefan III. von Ungarn auch Kaiser Barbarossa bei; das Fest, das in Wien stattfand, dauerte einen ganzen Monat. Ein ähnlich prunkvolles Hochzeitsfest fand in Wien im Jahre 1203 statt, als Leopold VI. sich mit der byzantinischen Prinzessin Theodora vermählte; diesmal wohnte dem Feste der deutsche König Philipp bei, gemeinsam mit seiner Gemahlin Irene, welche eine Tante der Herzogsbraut war. Auch Walther von der Vogelweide war unter den Festgästen.

Welches Ansehen Herzog Leopold VI. bei Kaiser Friedrich II. genoß, ist daraus zu ersehen, daß der Kaiser für seinen Sohn Heinrich, den deutschen König, nicht eine Königstochter von England, Frankreich oder Böhmen zur Frau bestimmte, sondern Margaretha, die Tochter des österreichischen Herzogs. Als diese Hochzeit im Jahre 1226 gefeiert wurde, wurden gleichzeitig noch zwei andere Babenberger-

Hochzeiten gefeiert: der ältere Sohn Leopolds VI., Heinrich, vermählte sich mit Agnes, einer Tochter des Landgrafen von Thi'ringen, und der Herzogssohn Friedrich mit der byzantinischen Prinzessin Sophia L a s k i r i s. Die dreifache Hochzeit fand-in Stadlau unter freiem Hin aiel statt, die Festteilnehmer lagerten in Ze cen.

Schon vier Jahre später starb Leopold VI. in Italien, nachdem es ihm noch gelungen war, den Frieden zwischen Papst und Kaiser zu vermitteln; „den vornehmsten Friedensstifter“ nannte ihn Papst Gregor IX. in seinem Beileidschreiben an die LIerzogin Theodora.

Die Familienverbindungen der Babenberger hatten ihnen und dem Reiche viel|adien persönlichen und kulturellen Gewinn gebracht. Für den letzten Babenberger, den zwar genialen, aber im wahrsten Sinne des Wortes „streitbaren“ Friedrich II. bedeutete doch vielleidn die byzantinische Mutter und Urgroßmutter eine zu starke erbliche Belastung, so daß mancher Charakterzug dieses Fürsten auf seine Abstammung zurückzuführen ist. Im Jahre 1234 fand unter ihm das letzte große babenbergisdie Hodizeitsfest in Wien statt. Es war die Vermählung seiner Schwester Konstanze mit dem Markgrafen Heinrich von Meißen. Als Gäste zu diesem Feste waren erschienen die beiden Könige von Ungarn und Böhmen, die Bischöfe von Salzburg, Passau, Bamberg, Freising und Seckau, die Herzöge von Meran, Kärnten und Sachsen.

Elf Jahre später war nochmals eine babenbergisdie Hochzeit geplant. Aber diesmal war es weniger die Bedeutung des babenbergischen Herrschers, weldie das Motiv zur Hochzeit bildete, als vielmehr der Umstand, daß dieser Herrsdier noch immer kinderlos war und daher der zukünftige Mann der Nichte Gertrud dieses Herrschers auch die Anwartschaft auf die babenbergischen Länder erwarb. Das war wohl der Grund dafür, warum kein geringerer als Kaiser Friedrich II. sich um die Hand Gertruds bewarb. Um ihren Oheim Friedrich zu gewinnen, bot ihm der Kaiser die Erhebung seines Herzogtums zu einem Königreich an. Schon war der Ehevertrag entworfen und Friedrich reiste nach Villach, um die Königskrone in Empfang zu nehmen, da weigerte sidi die Braut, dem alternden Kaiser ihr Jawort zu geben, zumal Kaiser Friedrich eben um dieselbe Zeit vom Konzil von Lyon neuerdings gebannt worden war.

Als Herzog Friedrich II. vor 700 Jahren in der Schlacht fiel, da war trotz des an Heinrich II. verliehenen Privilegs und trotz der vielfachen Familienbeziehungen der Babenberger keine eindeutige Reditsnach-folge gegeben und auch die vom Kaiser eingesetzten Statthalter des nadi seiner Auffassung ans Reich zurückgefallenen Lehens konnten sich nicht halten, bis schließlich Ottokar von Böhmen durch seine Heirat mit Margaretha, der Witwe König Heinrichs • und Schwester des letzten Babenbergers, seiner faktischen Herrschaft über Österreich eine formalrechtliche Grundlage zu geben versuchte.

Man redet so viel von staatenbildenden Kräften. Für den christlichen Philosophen, dessen Blick Uber die politische Arena in höhere Räume emporreicht, sind sie die gleichen wie die vier Kardinaltugenden, die uns die Kirche lehrt, nämlich Klugheit, Gerechtigkeit, Mäßigkeit und Starkmut. In ihnen sollte sich das Leben des einzelnen und des Staates bewegen wie die Türe in ihren Angeln!

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