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Das Mekka der iraniersebung

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Als in den siebziger und achtziger Jahren des vorigen Jahrhunderts der persische Schah Nasreddin mit großem Gefolge wiederholt Europa besuchte, reagierten die Höfe, die erstmalig mit einem solchen Potentaten Bekanntschaft machten, sehr unterschiedlich. Bald belächelte und ironisierte man die Gäste, die natürlich in orientalischen und nicht in europäischen Gewohnheiten aufgewachsen waren, so daß sich die andere Art des Spargelessens und Händeabwischens bis zu einer Duellforderung auswirkte; bald erzählte man von ihnen amüsante Anekdoten, wie etwa den Wunsch, die Guillotine an einem harmlosen Höfling ausprobiert zu sehen. Überall galt die Sensation mehr als der Respekt vor der Krone — mit einer Ausnahme: Franz Josef I. behandelte seinen Gast durchaus chevaleresk als seinen gekrönten Bruder. Mit Vorliebe griff daher der Schah, selbst ein klarer Kopf und gewandter Stilist, auf Österreicher zurück, wenn sein Land Gelehrte benötigte, um so mehr, als sich Angehörige dieser Nation und Militärmissionen schon früher bestens eingeführt hatten.

Den Anfang dürfte wohl Hans Christoph von Teufel von Krottendorf gemacht haben, der 1589 vom Persischen Golf aus über das oft und jüngst wieder zerstörte Lar, über Schiras und Täbris ausgeplündert in die Heimat zurückkehrte und gemäß seinen Erlebnissen nicht viel von Persien hielt: „Ein gebirgiges, häßliches Land.“ Als das Reich aber unter Schah Abbas aufblühte, entsandte Rudolf II. 1602 zur Werbung um ein Bündnis gegen die Türken unter Stefan Kakasch von Szalankamen eine Gesandtschaft, von der aber nur ein einziger Überlebender einen mageren Bericht über den Nordwesten gab.

Als erster wissenschaftlicher Beobachter hat wohl der 1813 zu Mährisch-Ostrau geborene Theodor Kotschy zu gelten, der im Sammeln von Tieren und Pflanzen für sein naturhistorisches Museum Erstaunliches leistete. Wohl dürfte seine Auffassung, den Demawend, den höchsten Berg Persiens, als Allererster bestiegen zu haben, irrig sein; doch gehörte er sicher zu den ersten, die diesen seither oft bezwungenen 5600 Meter hohen Vulkankegel sowie die benachbarten Gebirge gemeistert und durchforscht haben.

Bedeutend war auch das Wirken des Mediziners J. E. Polak in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. „Die Kenntnis der persischen Sprache und der einschlagenden Literatur“, so schreibt er in seinem zweibändigen Werk über Persien, „meine Stellung als Lehrer an der medizinischen Schule zu Teheran und später als Leibarzt des Schah, vielfache Reisen ... setzten mich in die Lage, ... alle Gegenden des weitgedehnten Reiches kennenzulernen.“ Zwar sind manche Gegenden Persiens heute noch unbekannt; doch ist diese Schilderung des Landes und seiner Bewohner zweifellos lange Jahre hindurch das beste Informationswerk gewesen und heute noch ein unentbehrliches Rüstzeug für jeden, der sich ernstlich mit Persien beschäftigen will. Auch der Tiroler A. Gasteiger von Ravenstein-Köbach, als persischer General Gasteiger-Khan genannt, sammelte in den Jahren 1860 bis 1882 ausgezeichnete Kenntnisse über diese seine zweite Heimat, und besonders seine Aufnahmen im Südosten sind als Pionierleistungen zu bewerten. Von den Teilnehmern der zahlreichen österreichischen Militärmissionen, die in Persien gewirkt haben, ist Gasteiger-Khan wohl der einzige, der die Geographie durch Berichte über seine Forschungsreisen wesentlich bereichert hat.

Die durch den Schahbesuch intensivierte wissenschaftliche Verbindung mit Persien eröffnete der spätere Präsident der Geographischen Gesellschaft, E. Tietze. Wenn auch durch die strikten Aufträge des Schah von seinen wissenschaftlichen Zielen stark abgedrängt (er sollte Diamanten suchen), gewann er doch grundlegende Erkenntnisse über den geologischen Aufbau des Elbrusgebirges und die sommertrockenen Salzsümpfe des Innern, die Kewirs. Mit oder durch Polak konnten auch andere Geologen in Persien arbeiten, so F.. Wahner im Norden, A. Rodler in Aserbei-dschan und im unbekannten Bachtiarengebirge, sowie der Botaniker O. Stapf in bisher unberührten Stellen des Zentralbeckens.

Der österreichische Vizekonsul von Istanbul, Call-Rosenberg, studierte die Küstenprovinz Masenderan vom Gipfel des Demawend bis zum Kaspi hinab, und 1912 bis 1914 bereiste der Kunsthistoriker E. Dietz Nordpersien. Er gab nicht allein über die zuvor kaum bekannten islamischen Kunstdenkmäler, sondern auch über die geographischen Verhältnisse ausgezeichnet Bericht.

Eine neue Epoche in der Erforschung Persiens und vornehmlich der zentralen Wüstengebiete wurde durch das Ehepaar Alfons und Agnes Gabriel eingeleitet, das 1927 seine Entdeckungsreisen mit einem Vorstoß in das verrufene Belutschistan begann. Auf späteren Reisen erforschte es daselbst versunkene Siedlungen und Überbleibsel einer höherstehenden Bevölkerung. Dieser österreichische Landarzt, Forschungsreisender aus Leidenschaft, entdeckte in der Lut, der wüstenhaftesten aller Wüsten, in gefahrvoller zweimaliger Durchquerung das größte Sandmeer Irans und Dünen von bisher un-gekannter Höhe. Auch die nördliche Kewir durchquerten die Gabriels auf vormals unbekannten Wegen. In fünf Büchern und mehreren wesentlichen Aufsätzen wurden die mit bescheidensten Mitteln durchgeführten, aber in ihren Erfolgen höchst bedeutsamen Entdeckungen niedergelegt. Gabriel hat sich einen international anerkannten Rang in der Erforschung Persiens, über die er selbst ein ausgezeichnetes Werk schrieb, gesichert. Über meine Persienreisen (1925 und 1931 bis 1933) haben meine Frau und ich in den Büchern „Kampf um die Wüste“ und „Iranisch-ironisches Fahrtenbuch“ berichtet, während die wissenschaftlichen Ergebnisse in „Routen durch die Wüste Lut und ihre Randgebiete“, „Die ostpersische Meridio-nalstraße“ und „Mesched“ niedergelegt sind. Spezialuntersuchungen gelten morphologischen und kulturgeographischen Fragen, aber auch der Klimatologie (über die Wüste Lut als heißeste und trockenste Stelle und über die vehementesten Sommerstürme unserer Erde).

1934, 1936 und 1937 studierte H. Bobek, jetzt Professor an der Universität Wien, die persischen Küstengebiete am Kaspi sowie die ei&zeitlAohen. Formen iiitn Dsmawendgebiet und in Zentfälkürdrstan. Als Austauschprofessor in TeHmteHcofflfceF'fn Sr fetzten ijataewig auch schon 1950 ausgedehnte Reisen und Flüge unternehmen. Vorläufig liegen bedeutsame Aufsätze teils über diese Gebiete, teils aber auch zusammenfassend über den Regenfeldbau, die natürlichen Wälder und Gehölzfluren sowie verschiedene Spezialfragen Innerirans vor, die wir wohl als Vorläufer der noch fehlenden modernen Landeskunde Persien betrachten dürfen.

Neben den Geologen A. Ruttner, der im Norden, und F. Künel, der im Süden arbeitete, sind die Studienreisen von Biologen rühmend zu erwähnen, vornehmlich die von K. H. Rechinger, jetzt Universitätsdozent und Direktor am Naturhistorischen Museum in Wien, der nach Forschungen selbst in entlegenen Gebirgsgegenden nunmehr an einer zusammenfassenden „Flora von Iran“ arbeitet. Vorher schon hatte E. Gauba, der im Dienste der persischen Regierung ausgedehnte Reisen durchführte, besonders über die Dattelregionen des Landes berichtet. Die Zoologen R. Ebner und A. Gili arbeiteten 1936 im Norden Persiens, F. StarmühJner und H. Löffler 1949/50 (letzterer nochmals 1956) im Süden.

Die vielen, oft höchst erfolgreichen Forschungsreisen, die in jüngster Zeit von Österreich und vornehmlich von Wien aus in Persien durchgeführt worden sind, haben es mit sich gebracht, daß unsere Bundeshauptstadt oft als das Mekka der Iranforschung bezeichnet wird. Dieser Ehrentitel Wiens läßt sich freilich erst dann voll verstehen, wenn man auch, was in diesem Rahmen nicht vorgesehen war, die Iranistik einbezieht. Glänzende Namen und hervorragende Leistungen schließen sich zu einer Kette zusammen, die von J. v. Hammer-Purg-stall, dem ersten Präsidenten der Akademie der Wissenschaften, mit seinen klassischen Werken, wie „Diwan des Hafiz“ oder „Geschichte der Assassinen“, eröffnet und vorläufig bis zu H. W. Duda, dem Mitvorstand des Orientalischen Instituts der Universität, mit seinem „Ferhad und Schirin“ und seiner „Seldschuken-geschichte des Ibn Bibi“ geführt worden ist.

Auf alle diese Leistungen kann Österreich stolz sein, und darum ist es anläßlich des jüngsten Schahbesuches in Österreich unsere Ehrenpflicht, hier der unerschrockenen Forschungsreisenden und Entdecker sowie der erfolgreichen Gelehrten zu gedenken.

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