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Das „rieh“

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Die Insignieft und Kleinodien des Heiligen Römischen Reiches. Von Hermann Fillttz. Anton Schroll & Co., Wien. 46 Seiten Text mit 70 ganzseitigen einfarbigen bzw. mehrfarbigen Tafeln und 17 Seiten Katalog. Preis 88 S.

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Die Insignieft und Kleinodien des Heiligen Römischen Reiches. Von Hermann Fillttz. Anton Schroll & Co., Wien. 46 Seiten Text mit 70 ganzseitigen einfarbigen bzw. mehrfarbigen Tafeln und 17 Seiten Katalog. Preis 88 S.

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In die Sphäre, wo sich Himmel und Erde begegnen, reichen die Wunderwerke der Goldschmiede- und Nadelkunst zurück, welche die Schatzkammer in der Wiener Hofburg als Erbe des Heiligen Römischen Reiches birgt. Im Namen Christi, dessen Devise die Parierstange des Mauritiusschwertes ziert, herrscht der Kaiser, dem dieses Symbol vorangetragen wird, über den Erdkreis. Theologische Sinndeutungen umgeben die Kleinodien, ihren geheiligten Gebrauch, ihre Träger. Ais Otto der Große mit der Reichskrone gekrönt wurde, trug er einen mit Glöckchen besetzten Rock und den Sternenmantel. die beide zur 4mtstracht des Hohenpriesters gehörten. Abbildnisse biblischer Könige und Propheten schmücken die Kronenplatten, aber eine derselben weist auf Christus als Pantokrator — Altes und Neues Testament vereinigen sich zur Beglaubigung des gottgesandten Weltenkaisers. In der Zeremonie der Fußwaschung nach Christi Vorbild durch die Habsburgerkaiser hatte sich bis in unsere Tage eine Ausstrahlung des Mythos erhalten, in dem sich Himmels- und Erdenmacht vermählten. Auf diesen Schatz der Reichskleinodien übertrug sich sogar der Begriff „rieh" •— er verkörperte im Interregnum das Reich schlechthin. „Man hört, daß Albrecht von Habsburg, als er sich weigerte, dem neügewählten König Adolf von Nassau den Schatz aüszufölgen, das Reich gefangenhielt." Man „wies" dem Volk bei festlichen Anlässen das „Heiltum”, das in ihm begründet war, befand sich doch — wieder verschmelzen sich hier Jenseitiges und Diesseitiges — unter anderen Reliquien, aber als deren ehrwürdigste, die „heilige Lanze" darin. König Heinrich I. hatte die Herausgabe dieser „Himmelsgabe" von König Rudolf von Burgund durch Kriegsandrohung erzwungen. Sie ist ein Lanzenblatt, in das ein ornamental geformtes Eisenstück eingefügt ist, das als Nagel vom Kreuz Christi bezeichnet wird. In entscheidenden Schlachten wurde diese Lanze als Königszeichen vorangetragen. Die Siege bei Birten (939) und am Lechfeld (955) wurden ihr zugeschrieben. Nachbildungen dieser Lanze übergab Otto III. dem ungarischen und dem polnischen König, als Zeichen ihrer durch ihn, „den" Kaiser, an sie übertragenen Sendung. Es ist unmöglich, alle diese vielfältigen Bezüge hier auch nur zu nennefi. Alle Zusammenhänge zu deuten, hat man noch gar nicht vermocht.

Die Reichskleinodien, als der heute geltende gemeinsame Begriff, setzen sich aus zwei Teilgruppen zusammen: Den „Aachener Kleinodien", dies sind: die Stephansbursa (ein Reliquiar), das herrliche Reichsevangeliar, auf dessen purpurgefärbten Seiten der Text mit goldenen und sil bernen Buchstaben hingezei.ehnet ist, und der sogenannte Säbel Karls des Großen — vielleicht ein Geschenk Harun al Raschids, vielleicht eine Beute aus den Avareqkriegen — alle drei Stücke Werke der karolingischen Epoche. Die „Nürnberger Kleinodien" sind - die „heilige Lanze", von der eben gesprochen wurde; die edelsteirtübersäte Reichskrone, mit der Otto der Große 962 gekrönt wurde, Symbol einer Macht, die .als erste nach dem Untergang des Imperium Romanum das Antlitz Europas für tausend Jahre formte. Aus der Zeit der Salier stammt das gleichfalls bereits genannte Reichs- oder Mauritiusschwert. Staufisch ist der Reichsapfel, Sinnbild des beherrschten Erdballes, einst das Symbol Jupiters, nun aber vom Kreuze überhöht. Die Staufer brachten in den Reichsschatz die herrlichen Krönungsgewänder, gefertigt von der Hand sarazenischer Künstler in Palermo, die „im Jahre der Hedschra 528" das Wunderwerk des Krönungsmantels geschaffen und ihm in kufischer Schrift Segenswünsche für ihre normannischen Herren und Ueberwinder eingestickt haben: Erbschaft des Hauses Hauteville und mit deren Löwenzeichen geziert. Form und Farbe sind von der Tracht der byzantinischen Kaiser genommen. Das mächtige, goldbeschlagene Reichskreuz. an der Vorderseite dicht mit Perlen und Edelsteinen geschmückt, auf der Rückseite mit Nielli versehen, enthält eine Partikel vom Kreuze Christi. Das Zepter und zahlreiche Reliquien erscheinen in den Verzeichnissen erst ab dem 14. Jahrhundert.

Diesen einzigartigen Schätzen, die, mit den burgundischen und späteren Hauskleinodien der Habsburger vereinigt, in Kürze in der Wiener Hofburg zur Schau gestellt sein werden, hat Hermann F i 11 i t z dieses wahrhaft vorbildliche Werk gewidmet. Auf vergleichsweise begrenztem Raum bietet es eine eingehende, aber nach großen Gesichtspunkten orientierte geistige, geschichtliche und künstlerische Schau, der nichts hinzuzuwünschen ist — begleitet von einet Fülle Von Bildern von teilweise geradezu atemraubender Schönheit.

Carl Peez

Er ordnete in mir die Liebe. Von Oda Schneide r. Herold-Verlag, Wien-München. 150 Seiten. Preis 38 S.

Mit den Büchern von Oda Schneider ist es eine eigene Sache. Zugegeben, daß sie — mehr aus formalen als aus sachlichen Gründen — nicht zu jenen gehören, die man vorbehaltlos bejahen möchte. Aber was tut das? Was sie auszeichnet, wiegt jeden Einwand belangloserer Art unvergleichlich auf. Denn diesen Büchern ist etwas sehr

Seltenes eigen: daß sie Gnade zu vermitteln vermögen. Dies gilt äuch von der hier vorliegenden kleinen Schrift, deren dem „Hohen Lied" entnommener Titel schon verrät, wovon sie handelt. Sie möchte ein leises Wort in unsere laute Welt gesprochen sein, ein Wort, das die Seelen ruhig macht, gelöst, aufgeschlossen für das Geheimnis heiliger Sammlung und Liebe. Und wirklich — es gelingt ihr. Zum mindesten vermag sie eine Ahnung von alledem zu vermitteln, oder döch „ein Sehnen nach einer Sehnsucht’.’, Wie Meister Eckhart sagt. Wer wollte dafür nicht ein paar Wendungen und Verse — denn auch Verse enthält das Buch — in Kauf nehmen, ohne die es einem — noch lieber wäre.

Dr. Herma P i e s c h

Visionen und Prophezeiungen. Von Karl Rahner. Tyroüa-Verlag, Innsbruck. Preis 28 S.

Diese inhaltsreiche Kleinschrift (120 Seiten) spricht in vier Kapiteln über Möglichkeit und theologische Bedeutung von Privatoffenbarungen und Visionen, äußert sich zur psychologischen Problematik der Visionen, gibt Kriterien und Ver haltungsweisen an und macht einige Bemerkungei über Prophezeiungen.

Mir scheint fundaraentaltheologisch besonders wertvoll, daß der Verfasser die öffentliche Bedeutung der sogenannten Privatoffenbarungen, wie überhaupt der Charismen, hervorhebt. Sie sind ihm wichtige Mittel, mit denen Christus der offiziellen Kirche seinen versprochenen Beistand bis ans Ende leistet. Die Kirchengeschichte wird ihm darin recht geben. Es gibt darüber hinaus und damit im Zusammenhang noch eine andere Funktion: Sie sind inhaltlich keine Fortsetzung der Verkündigungsoffenbarung, die ja mit dem Tode der Apostel abgeschlossen ist, aber eine sölche dir Bes’tätigungsoffenbarung durch Zeichen von oben. Diese ist nicht abgeschlossen. Sie geht weiter. Die Kirche beruft sich darauf im allgemeinen (Vati- canura. D 1794). Ja sie hat sich neuestens im Rundschreiben „Fulgens corona" geradezu auf den konkreten Fall von Löurdes berufen, der ja mit den Privatoffenbarungen und Visionen der heiligen Bernadette seinen Anfang nahm. Der psychologischen Analyse der Visionen wird jeder um so mehr beistimmen, je mehr er auf dem Standpunkt eines kritischen Sinnes- und Denkrealismus steht. Man folgt dem Verfasser gern, weil seine Ausführungen durchwegs von einer gesunden Kritik durchdrungen sind.

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