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Dem Frieden schenkt man keinen Glauben

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Die Franzosen wollen sich sukzessive aus der Sicherheitszone in Südwestruanda zurückziehen. Kommt es erneut zu einer gigantischen Flüchtlingswelle?

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Die Franzosen wollen sich sukzessive aus der Sicherheitszone in Südwestruanda zurückziehen. Kommt es erneut zu einer gigantischen Flüchtlingswelle?

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Beobachter konstatieren eine merkwürdige Art „Normalisierung1 in Ruanda. Die Ruandesische Patriotische Front (RPF) - medial bis dato als „Rebellen“ bezeichnet — besitzt drei Viertel des entvölkerten Landes. Paul Kagame, der 37jährige militärische Führer der RPF, Vizepräsident und Verteidigungsminister, will die Ordnung wiederherstellen. Mit sogenannten „gemäßigten“ Hutus (Kommentar Seite 2) wurde eine Regierung gebildet, die jene, die Rlut an ihren Händen haben, zur Verantwortung ziehen will.

Bei den von Hutu-Mili- zionären nach der Ermordung von Präsident Juvenal Habya- rimana an der Tutsi-Minderheit (neun Prozent der ursprünglich 7,2 Millionen Einwohner Ruandas) verübten Massakern haben 500.000 Menschen den Tod gefunden. Tutsi-Kämpfer waren allerdings federführend beim Abschuß der Präsidentenmaschine beteiligt. Etwa 250.000 Flüchtlinge (Hutus) leben zur Zeit unter unvorstellbar tristen Verhältnissen in Tansania, 1,2 Millionen Hutus sind in Goma in Zaire (nördlich des Kivu-Sees) vom Hunger- und Seuchentod bedroht; UNO-Beamte befürchten, daß ein Rückzug französischer Truppen die 600.000 Flüchtlinge südlich des Kivu-Sees anschwellen lassen wird.

Die Hutus fürchten die Rache der Tutsis, wenngleich der langjährige Konflikt nicht nur mit Stammesrivalität erklärt werden kann, soziale, gesellschaftliche, politische und wirtschaftliche Probleme schufen eine komplexe Situation, die kaum mehr entwirrbar scheint. Die Geflüchteten glauben den Franzosen, Arnerikanern, der UNO und westlichen Hilfsorganisationen nicht, daß sie in ein Land zurückkehren können, in dem sie sicher sind. Auf Kriegsverbrecher-Listen der neuen Regierung finden sich angeblich 100.000 Personen, die keine Gnade zu gewärtigen haben, sollten sie in Ruanda aufgegriffen werden.

Fassungslos stehen auch Vertreter der katholischen Kirche (56 Prozent der Ruan- desen bekennen sich als Katholiken) vor den Trümmern der Evangelisierung in Ruanda. „Die Kirche hat nichts anderes gemacht, als fortzusetzen, was die Missionare begonnen haben. Sie hat weiterhin Kirchen gebaut, sich aber nicht mit der Ausbildung des Menschen und seines Gewissens beschäftigt“, wofür man nun bezahlen müsse, zitiert die katholische Presseagentur den ruandesischen Theologen Laurien Ntezimana. Treue Kirchgänger, so der von RPF- Kämpfem getötete Bischof Thaddee Nsengiyumva, hätten als erste die Machete ergriffen und sich den Mord- banden angeschlossen.

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