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Der Beginn cles Trienter Konzils

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Es gibt ein Konzil, das dreimal berufen wurde, dessen Tagungsort bis zum Zusammentritte unsicher wat. das nach der Eröffnung zweimal vertagt werden mußte, das noch in der dritten Tagungsperiode hoffnungslos zu scheitern drohte, dessen glücklicher Abschluß aditzehn Jahre nach seinem Beginne erfolgte und das nach seiner Beendigung eine neue Ära der Kirchengeschichte einleitete. Dieses in der Kirchengeschichte einzig dastehende Konzil ist das Konzil von Trient.1

Da wir eben an dem Vierhundertjahr-Jubiläum seiner Eröffnung und seiner ersten Sitzungen vorübergehen können, mag es am Platze sein, Vorgeschichte und zeitgeschichtliche Hintergründe dieses gewaltigen kulturhistorischen Ereignisses zu beleuchten. *

Stark abgenutzt und vom Standpunkt der Kurie aus reichlich vorbelastet, hatte der Konzilsgedanke die Schwelle des sechzehnten Jahrhunderts überschritten. Die vielfach unleidlichen Kirchenverhältnisse hatten das Konzil als Instrument der Reform ohne Zweifel übersteigert. In der Konziliartheorie beanspruchte der Konzilgedanke die Su-periorität über den päpstlichen Primat und vergriff sidi so an einem Grundelement der Kirchenverfassung. Am 16. März 1517 hob Leo X. die fünfte Lateransynode auf, die sein Vorgänger gegen eine Reformsynode nach Pisa einberufen hatte. Als mit dem Thesenanschlag Luthers am 31. Oktober 1517 die Kirchenrevolution ausbrach, lieh ihr die immer wieder versdileppte Reform ihre Schwingen. In kurzer Zeit sah sich die alte Kirche in Deutschland vor Sein oder Nichtsein gestellt.

Die kirchlidie Umwälzung fiel mit einer Reihe von Veränderungen zusammen, die für die Wende vom Mittelalter zur Neuzeit charakteristisch sind. Diese allgemeine Veränderung der Dinge bedeutete für den Umsturz im kirchlichen Sektor einen neuen Auftrieb, madite ihn verständlicher und ordnete ihn in den großen Gang der Ereignisse ein. Als die entscheidenden , Jahre versäumt waren und die religiöse Neuerung zur Kirchenbildung geschritten war, ließ die Not der Stunde den Verantwortlichen wieder das Konzil als Rettungsanker ersdieinen. So einfach die Theorie eines großen Reformkonzils war, so schwierig gestaltete sich seine praktische Durchführung im Koordinatensystem der Zeit.

Die Rolle Clemens VII.

Schwerste, innerlich nur zum Teil überwindbare Gegensätze beherrschten die Gesamtlage. Der weltgeschichtlidie Gegensatz zwischen Karl V. und Franz I. wirkte sich verhängnisvoll auf die Kirdientrage aus. Um der habsburgischen Einkreisung zu entgehen, stieß Frankreich durch Unter-

1 Dankbar sei der Lebensarbeit einer Forsdier-generation gedacht, an ihrer Spitze des Altmeisters der Trienter Konzils-Forschung Sebastian M e r k 1 e. die durch die Herausgabe der Quellen die Voraussetzungen für die Erkenntnis der säkularen Bedeutung dieses Konzils schufen. Reformation! Das bedeutet für die einen Luther, für die anderen Trient. Die Spannung zwischen diesen zwei Polen beherrschte vier Jahrhunderte der Kirdiengeschidite und weicht erst in jüngster Zeit einer neuen Kräftestellung.

Stützung der protestantischen Fürsten W das Herz des Reiches und zwang durch: seine Koalition mit den Türken Habsburg;; zum Zweifrontenkrieg. Die Kirchenrevolu-1 tion hatte sich zur Glaubensspaltung aus-i gewachsen und über ganz Europa ver-v breitet. Der Forderung nach einem allgemeinen Konzil stellten die Protestanten ein Nationalkonzil als Gegenforderung entgegen. Luther bekämpfte ein Konzil als '

Mittel zur Glaubenseinigung mit ganzer Leidenschaftlichkeit. Papst und Kaiser, die berufenen Schirmherren der Glaubenseinheit, lagen miteinander im Streite, statt zusammenzugehen. Clemens VII., der „unheilvollste aller Päpste“ (Pastor), konnte den Sacco di Roma nicht vergessen und fürchtete die Übermacht Karls V. Der Kaiser wieder verargte dem Papste seine Franzosenfreundlichkeit und war von dem Argwohn erfüllt, daß Papst und Kurie in Wirklichkeit ein Konzil gar nicht wollten, sondern es verhinderten. Ohne Zweifel befürchteten einflußreiche Kreise an der Kurie die Beschneidung ihrer Stellung durch ein Konzil und arbeiteten gegen den Zusammentritt einer Kirchenversammlung. Nimmt man noch die scharfen nationalen Gegensätze und die Fortschritte der Glaubensspaltung dazu, dann kann man die Zweifel verstehen, ob angesichts einer solchen Gesamtlage ein Konzil überhaupt möglich sei.

Und dennoch bestand in den Kreisen katholischer Reformfreunde kein Zweifel darüber, daß der Weg des Konzils unter allen Umständen beschritten werden mußte. Freilich hatte das Wort „Konzil“ einen verschiedenen Klang angenommen, es kam darauf an, wer es in den Mund nahm. Der Kaiser verstand darunter ein politisches Einigungsmittel, das die spaltigen Konfessionsparteien wieder zusammenführen und die politische Schlagkraft des Reiches erhöhen sollte. Die Protestanten erblickten in einem Nationalkonzil die Möglichkeit, ihre Errungenschaften auszubauen. Der Papst dadite bei einem Konzil in erster Linie an die Ordnung der dogmatischen Gegensätze; die katholischen Reformfreunde an die Ab-

stellung der alten schweren Mingel und an

die Hebung der Kirchenzucht.

* * *

Tatsächlich kam unter Clemens VTI. (1523 bis 1534) das so oft und so stürmisch geforderte Konzil nicht zustande. Gegenüber der protestantischen Forderung nach einem allgemeinen, christlichen Konzil in deutschen Landen, drang Karl V. bei seinen Zusammenkünften mit dem Papste zu Bologna (1529 und 1532) auf die Abhaltung des Konzils und stimmte der Einberufung auf italienisdiem Boden zu. Schon ■ ergingen 1533 Breven des Papstes an zahlreiche Fürsten, als es Franz I. bei einer Zusammenkunft mit dem Papste zu Marseille gelang, Clemens zum Aufschub der 1 onzilsberufung zu bewegen. Der Tod des EUpstes machte Gegenschritte des ent-r| steten Kaisers hinfällig. $ Mit Paul III. (1534 bis 1549) rückte das JÖonzil in den Bereich der Möglichkeit. Der Farnesepapst sprach sich gleich anfangs für ■iiii , Notwendigkeit eines allgemeinen Konzils;.-aus. Trotz der Schachzüge Frankreichs, dVs , den deutschen protestantischen Fürsten ein Konzil als das Ende der lutherischen SacJie darstellte, berief der Papst nach der Aussprache mit dem Kaiser in Rom am 2. uni 1536 das Konzil auf den 23. März 15;B7 nach Mantua ein. Die schroffe Ab-leh luing Frankreichs und der Sdimalkald-ner vereitelten jedoch im Verein mit Schwierigkeiten, die der Herzog von Mantua m:\chte, diesen ersten Ansatz. Der Papst vertagu: das Konzil auf den 1. November 153/T, ; verlegte es am 8. Oktober nach V i c 9 z a und schob es auf den 1. Mai 1538, schließfkh auf Ostern 1539 hinaus. Da jedoch? iauch Karl V. vom Konzilsgedanken abrückitc, suspendierte der Papst das Konzil am 21.„Mai 1539.

Als dYe Reunionsbestrebungen durch Re-ligionpgei präche gescheitert waren, trat der Konzilsplan aufs neue in den Vordergrund und ?my22. Mai 1542 berief der Papst das Konzil auf Allerheiligen 1542 nach Trienlt ein. Der Speyrer Reichstag 1542 hatte der Wahl dieser Stadt, die zum Deutsdiu-n Reiche gehörte, zugestimmt. Wiedel*'- brachte Frankreich das Konzil zu Fall. jÜ3. die Zusammenkunft zwischen Karl V'j und Paul III. zu Busseto keine Klärungt-hirachte, suspendierte der Papst das Konzil stm 6. Juli 1543 neuerdings. Erst der Friede van Crespy zwischen Karl V. und Franz I. Jsdiuf die politische Lage, aus der heraus du Einberufung gelang. Am 19. November 1544 berief Paul III. zum dritte hunal das Konzä, und zwar auf den 15. Miirz 1545. Nur wenige Prälaten waren zu feäliesem Termine eingetroffen. Die feierliche Eröffnung mit nur 31 Stimmberechtigte?*, fand am 13. Dezember 1545 statt..Es mußte sich erst erweisen, ob das Konzi/r i wirkliche Arbeit leistete oder ob es ergebinislos zerbröckelte.

Bis zur Verlegung des Konzils nach Bolqgna (1545 bis 1547)

Zunächf*' galt es, eine Gesdiäftsordnung festzuleger}, wobei die Präsidenten Del Monte (sriä'ter Julius III.), Cervini (später Marcellus i*fl.) und Reginald Pole ihre Gewandtheit | in der Versammlungsführung unter Bevrt'is stellen konnten. Das Hauptanliegen CA$r Kirche galt der dogmati-

sehen Kllrung. Dte Theologie sollte

aus ihrer unklaren Lage im Spätmittelalter, die durch die Einflüsse des Humanismus und durch den Angriff Luthers noch verworrener war, herausgeführt werden. Anders dachten Karl V. und Ferdinand L Sie erstrebten in erster Linie eine Reform der Kirche, um der Bewegung Luthers den Boden zu entziehen. Die dogmatischen Formen sollten offengehalten werden, um die staatspolitische Einigung der Kon-fessirmsparteien zu ermöglichen. Am 22. Jänner 1546 ging der Kompromißvorschlag durch, Dogma und Reform gleichzeitig zu behandeln. Auch die Formeln, unter denen sich das Konzil selbst einführte, erwuchsen aus scharfen Debatten. Es sprach in der ersten Sitzung vom „sacrum Triden-tinum et generale concilium“, in der zweiten Sitzung von der „sacrosaneta Tri-dentina synodus“, in der dritten Sitzung von der „sacrosaneta oecumenica et generalis Tridentina synodus in Spiritu saneto legitime congregata“. Dabei blieb es.

Die Geschäftsordnung gestaltete sich in großen Zügen folgendermaßen: Die Legaten beanspruchten das Propositionsrecht gegen den Einspruch der Spanier ausschließlich für sich. Sie legten die häretischen Artikel, nicht aber die Reformvorlagen den Theologen zur Prüfung vor. Die stimmberechtigten Konzilsväter gaben in Generalkongregationen ihr Votum über die Gutachten ab. Eine Deputation redigierte hierauf die Ca-nones et Decreta, die in der Generalkongregation ein zweitesmal oder öfters bis zur Beschlußreife durchberaten wurden. Erst dann erfolgte die Publikation in der feierlichen Sitzung im Dome.

Erst mit der vierten Sitzung trat das Konzil in seinen eigentlichen Aufgabenkreis ein, indem es das dogmatische Formalprinzip klar herausstellte. Es legte den Kanon der Heiligen Schrift fest, stellte die Tradition der Bibel als Glaubensquelle gleich und erklärte gegenüber den Übertragungen aus der Ursprache die Vulgata für authentisch. Die Generalkongregationen nach der vierten Sitzung beschäftigten sich mit der Errichtung von Lehrstühlen zur Erklärung der Heiligen Schrift, mit der Predigtreform und mit der Residenzpflicht der Bischöfe, in dogmatischer Hinsicht mit der Erbsünde und mit der unbefleckten Empfängnis Marias.' Auf der fünften Sitzung wurden die Dekrete über die Lektorate der Heiligen Schrift und über die Erbsünde publiziert. Die drei theologischen Hauptrichtungen, der Thomismus, der Skotismus und der Augustinismus, hatten um die Vorhand gerungen. Die Augustinerschule unter Giro-lamo Seripando! war unterlegen, doch haben neueste Forschungen ergeben, daß der Einfluß dieser Richtung auf dem Trienter Konzil erheblich größer war, als man bisher annahm *. Vergeblich hatte sich der kaiserliche Gesandte, Francisco de Toledo, bemüht, die Dogmenberatung hinauszuschieben. Das Erbsündedekret, das den Kern der protestantischen Lehre berührte, schlug in das kaiserliche Konzept die entscheidende Bresche und die weiteren dogmatischen Klarstellungen ergaben sich nun von selbst.

Mit der „Rechtfertigung“ und

der Residenzpflicht der Bischöfe erreichten die Konzilsberatungen ihren Höhepunkt. Der steile und schwierige Weg zum Reditfertigungsdekrete führte über 61 Generalkongregationen und zahlreiche andere Beratungen. Das in der sechsten Sitzung publizierte Dekret (16 Kapitel und 33 Canones) stellt das Trienter Konzil den Konzilien im klassischen Zeitalter der Dogmenentwicklung ebenbürtig an die Seite. Geistesgeschichtlich betrachtet, bestätigt es von der theologischen Seite her, daß der Humanismus im Mittelpunkte des Zeitdenkens stand. Das Dekret gibt eine vorzügliche Darstellung von der Psychologie des Rechtfertigungsvorganges und stellt der Rechtfertigung Luthers durch den Glauben allein die Lehre von der heiligmachenden Gnade und vom Verdienste gegenüber. Bedeutete das Erbsündedekret eine Scheidung zwischen Katholizismus und Protestantismus, so war diese mit dem Rechtfertigungsdekrete noch sichtbarer gemacht. Gegenüber dem dogmatischen Dekrete trat das Dekret über die Residenzpflicht der Bisdiöfe zurück, obwohl es die Klerusreform am entsdieidenden Punkte faßte. Folgerichtig ging das Konzil sofort auf die Behandlung der Sakramentenlehrc

8 H. Jedin, Girolamo Seripando, 2 Bde. (1937).

E. Stakemeier, Der Kampf um Augustin auf dem Tridentinum (1937).

Die Ereignisse des Scfimafltafclener Krieges warfen ihre Schatten über die Beratungen für die siebente Sitzung. Die Väter befürchteten einen Zugriff der, Schmalkaldener auf Trient und der Plan einer Verlegung oder einer Suspension des Konzils trat in den Vordergrund. Da der Kaiser vorerst solche Maßnahmen verhinderte, nahm die Arbeit des Konzils ihren Fortgang. Die siebente Sitzung veröffentlichte Canones über die Sakramente im allgemeinen, über Taufe und Firmung im besonderen. Das Reformdekret verbreitete sich über die Abstellung verschiedener Mißbräuche (Häufung der Pfründen, Exemtion der Kapitel und andere), wobei reditsgeschiditlich die Verweisung auf ältere Papstentscheidungen bemerkenswert ist. Die Kontinuität des kanonischen Rechtes tritt auf dem Trienter Konzile stark hervor. Nach dieser Sitzung schien sich das Konzil rasch seinem Ende zu nähern, als mit der Verlegung nach B o-1 o g n a eine unerwartete Wende eintrat, die die ganze bisherige Arbeit in Frage stellte.

Die Gründe, die zu dem bedenklichen Schritte der Konzilsverlegung führten, wurzelten in der politischen Gesamtlage. Maßgebend war der starke Druck des Kaisers auf das Konzil, den der Papst vor allem fürchtete. Am 17. Februar 1547 hatte der Papst den Legaten stillschweigend die Ermächtigung zur Verlegung nach Bologna gegeben. Mit Zweidrittelmehrheit ententschieden sich die Konzilsväter auf der

achten Sitzung am 11. M5 rz für 35

Übersiedlung und schon am 12. März verließen die Legaten mit einer Anzahl Konzilsteilnehmern Trient. Den Anlaß zu diesem überhasteten Vorgehen bot ein Fleckfieber, das schon einige Todesopfer gefordert hatte. Nur vierzehn kaiserliche Prälaten blieben in Trient zurück, während die nächste Sitzung in Bologna auf den 21. April 1547 anberaumt wurde.

Der Kaiser, der in der Verlegung des Konzils die Gefährdung seines Lebenswerkes, der Wiedervereinigung der Konfessionsparteien, erblickte, war durch diese Wendung aufs äußerste erbittert und legte schärfsten Protest dagegen ein. . Der Konflikt zwischen Papst und Kaiser war um so tragischer, als Karl V. in Bälde durch seinen Sieg über die Schmalkaldener bei Mühlburg auf der Höhe seiner Macht stand und vermudich eine Beschickung des Konzils durch die Protestanten hätte herbeiführen können. Die Missioin des Kardinals Madruzzo, der zwisdien Kaiser und Papst vermitteln wollte, sdieiterte. Als die kaiserlichen Gesandten in Bologna und in Rom neuerdings feierlich protestierten, wurde auch der Papst schwankend und es war so gut wie sicher, daß Bologna in der Geschichte des Trienter Konzils nur eine Episode sein werde. Das weitere Schicksal des Konzils lag im Dunkeln. Erst die Zukunft konnte zeigen, wie sich sein Geschick gestalten würde.

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