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Der Bluttraum Mussolinis

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Trotzdem der König unverhohlen seine Ablehnung gegen die deutsche Politik zeigte, lenkte Mussolini dem Konflikt mit Frankreich und England zu. Am 11. April 1940 sagte er nach einer Konferenz mit dem König zu Ciano:

„Es ist demütigend, mit gefalteten Händen zu sitzen, wahrend andere Geschichte schreiben. Es ist gleichgültig, wer gewinnt. U m e i n Volk groß zu machen, ist es notwendig, es in die Schlacht zu schicken, selbst wenn man es dazu zwingen muß Das werde idi tun. Ich vergesse niemals, daß 1918 540,000 Deserteure in Italien waren Wenn wir jetzt nicht den Vorteil ergreifen und unsere Schlachtflötte gegen Frankreich und England einsetzen, warum haben wir dann dieselbe gebaut? Einige Küstenwachsehiffe und Yachten würden genügen, um junge Damen auf Vergnügungsfahrten zu führen.“

An der Seite Deutschlands konnte das Italien Mussolinis nur die Rolle eines nicht gleichberechtigten Partners spielen, der im Verlauf des Krieges immer mehr zum betrogenen Betrüger wurde. Die Berliner Politik kümmerte sich nie um Rücksichten auf den Verbündeten und mit entsprechender Verbitterung vermerkte Ciano, daß schon im Jahre 1939 diz Südtiroler Frage als Druckmittel verwendet wurde. Mussolini wollte weitgehend Wünschen in bezug auf Südtirol entgegenkommen, allerdings auf der Basis der Umsiedlung, während verschiedene deutsche Dienststellen auf dem Umweg über ein in italienischem Besitz bleibendes Südtirol den deutschen Einfluß in Nörditalien zu verstärken suchten. Ebenso erging es in der B a 1-k a n p o 1 i t i k, als Stück für Stück die von Mussolini noch während des Krieges geplante Ausweitung der italienischen Machtsphäre, die mit der Einsetzung eines'Mit-gliedes des Hauses Savoyen auf den ungarischen Thron ihre Krönung finden sollte, an den deutschen Gegenmaßnahmen zusammenbrach.

Als Ciano die Stätte seines Birkerts als Minister verließ, da sprach er noch einmal offen mit Mussolini und warnte ihn vor der Zukunft. In diesem letzten Gespräch wies er offen darauf hin, daß er Dokumente vorbereitet hätte, die dereinst die Vorgeschichte des Krieges vor der Welt klären könnten. Diese letzte Aussprache dürfte sein Verhängnis gewesen sein, denn eben wegen seines Wissens um die Hintergründe der deutschen Politik kam er in die Zelle nach Verona, wo er wenige Tage vor seiner Hinrichtung als letzte Zeilen seines Tagebuches die schönen Worte schrieb:

„In kurzer Zeit wird ein schamloses Gericht das Urteil fällen, das längst von Mussolini unter dem Einfluß einiger verbrecherischer Männer, die Italien der Vernichtung entgegenführten, gefällt ist. Ich beuge mich dem Willen Gottes, und seine große Ruhe erfüllt meine Seele, während ich mich für das höchste Gericht vorbereite. Unter Umständen, die jede Lüge ausschließen, erkläre ich, daß nicht ein Wort in minen Tigebüchern falsch i s t oder aus Eigenlob niedergeschrieben wurde. Es ist nur all das, was ich sah und hörte. Nun, da ich mich fertigmache, aus dem Leben zu scheiden, wünsche ich auch, daß meine Notizen veröffentlicht werden, nicht weil ich eine nachträgliche Verherrlichung oder Verurteilung erwarte, sondern weil ich glaube, daß ein ehrliches Vermächtnis der Wahrheit in dieser wahnsinnig gewordenen Welt noch immer nützlich sein kann, um Unschuldigen Erlösung, aber den Verantwortlichen die gerechte Strafe iu bringen.“

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