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Der edle Ritter

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„Eugenio von Savoy“ — so schrieb er sich, damit wohl nicht unabsichtlich seine übernationale Haltung andeutend, als einer der Größten in der bedeutsamen Reihe der vielen Wahlösterreichcr, die ihr ganzes Sein und Wirken in den Dienst ihres Gastlandes gestellt haben.

Nicht der großen Feldherrngestak des Prinz Eugen von Savoyen, sondern der kulturellen Persönlichkeit des „edlen Ritters“ soll dies schlidne Gedenkblatt gewidmet sein. Denn auch die in der reichen historischen Oberlieferung so klar umrissene Gestalt des Prinzen Eugen hat sich im letzten Jahrzehnt so manche willkürliche Schattierung oder Belichtung gefallen lassen müssen. Man wollte h ihm nur immer und ausschließlich den Feldherrn sehen, der „ein Leben lang im Sattel saß“, so in den geschichtlichen Darstellungen, so besonders in den zahlreichen historisdien Romanen der letzten Jahre. Am annehmbarsten war unter diesen noch „Der Reichsfeldmarschall“ des Rheinländers Ludwig Mathar, in dem freilich die dialektischen und anachronistischen Schönheitsfehler stören mußten. Rein nationalistischer Tendenz dienten Rößlers „Soldat des Reiches“ und vor allem Mirko Jelu-sichs „Traum vom Reich“, in dem die Gestalt des Savoyers genau so „ausgerichtet“ wurde, wie dies schon vorher bei Hannibal oder Cromwel!, Heinrich dem Löwen oder Sdiarnhorst geschehen. — Es ist darum wohl an der Zeit, einmal wieder darauf hinzuweisen, daß sich die Persönlichkeit und das Wirken des Prinzen nicht nur im rein Somatischen erschöpften. Daß sich vielmehr die vielgestaltigen Eigenschaften seines Wahl-österrei -''ertums verbunden mit französischem Esprit und italienischer Geschmackssicherheit zu den gediegensten Ergebnissen ent.r-.lten sollten. Er war ein großer Feldherr in seines Kaisers Pflicht, aber kein wilder Eroberer, sondern Verteidiger der Kaisermadit, er ist der großzügige Kolonisator, der im Raum an der unteren Donau immer dem Schwert unmittelbar den Pflug folgen ließ. Dort - stand ein Auf luwerk, das erst in den letzten Jahren durch die gewaltsame Umsiedlungspolitik des Nationalsozialismus sein tragisches Ende finden solite. Später, als Generalstatthaker der Niederlande, förderte er in geradezu moderner Weise Kleinhandel und Kleinsiedlungen, um damit vor allem zahlreichen seiner Veteranen zu. helfen — eine „Heimkehrerfürsorge“ unmittelbar nach Beendigung des spanischen Erbfolgekrieges. Diese staatserhaltende Betätigung des „edlen Ritters“ wird selten gewürdigt, ihretwegen hat ihn vor allem sein kaiserlicher Freund Joseph I. geschätzt, eine Herrscherpersön-lichkeit, die, wenn ihr ein längeres Leben bestimmt gewesen, sicher zu den bedeutsamsten Trägern der Krone Karls des Großen gezählt hätte.

Dem staatsmännisdien Weitblick des Prinzen entspradien nicht geringe diplomatische Fähigkeiten, die er oft und oft in den Dienst seiner österreichischen Wahlheimat gestellt. Hier war e vor allem ein edles Maßhalten, das er in der Überwindung zahlloser äußerer und innerer Schwierigkeiten gelernt. In seiner fast aszetischen Grundhaltung blieb er von jedem ungeordneten Ehrgeiz frei, wir wissen, daß man ihm wiederholt die Jagellonenkrone angeboten, daß er diese in wahrhaft edler Würde abgelehnt hat. Flier wie in vielen anderen Anlässen übertrifft sein Persönlichkeitsbild weit etwa das von Wallenstein. Wie ist er zum Beispiel für seinen ehemaligen glänzenden Waffengefährten John Churchill, d?n ersten Herzog von Marlbourough, nach dessen Sturz unerschrocken eingetreten, gerade am Hof von St. James schätzte man des Prinzen feine Verhandlungskunst. Andererseits nahm Eugen auch Gelegenheit, ein ganz anderes Milieu, nämlidi den jungen preußischen Königshof an der Spree, kennenzulernen. Hier schaute der feinsinnige Beobachter den etwas parvenühaften Glanz der Hofhaltung Friedrichs I., er spürte den Gegensatz zwischen dem eitlen König und seinem derben Kronprinzen, dem späteren „Soldatenkönig“ Friedrich Wilhelm I. Um so mehr fühlte sich der Prinz zur Königin Sophie Charlotte hingezogen, der geistvollen Weifin, die unter dem glänzenden Tamtam der neuen Königsherrlichkeit immer etwas gelitten. Mit ihr verband ihn die gemeinsame Freundschaft zu einem ganz Großen ihrer Zeit, zu Gottfried Wilhelm von Leibniz.

Diese Freundschaft, die Prinz Eugens erster Biograph, Graf Bonneval, mit der klassischen Freundschaft zwischen Alexander und Aristoteles verglichen, bezeichnet eine Kongenialität von seltener Höhe. Was war es wohl, das den Romanen und den Niedersachsen, den Feldherrn aus königlichem Geblüt und den Gelehrten aus altem Patriziergeschlecht' einander so nahekommen ließ? Dodi wohl das gemeinsame Suchen nach Welterfassung, das Hingeordnetsein auf die ewige Bestimmung des Menschen, bei Prinz Eugen in der Demut einer oft schweren Pflichterfüllung und darum in so glänzenden Erfolgen; bei Leibniz in der Tiefe seiner „Theodizee“ ausgedrückt. Wir wissen, daß Prinz Eugen das Manuskript der Leibnizschen „Monadologie“ wie ein Kleinod aufbewahrte und nur den Intimsten seiner erlesenen Umgebung zur Ansicht gab. So war sein Stadtpalais in der Himmelpfortgasse stark durchpulst von geistiger Betätigung, die er dann auf seine kostbare Sommerresidenz ausdehnte, als ihm Lucas von Hildebrand das einzigartige „Belvedere“ geschaffen, dem die Stürme des letzten Weltkrieges auch so schmerzvolle Wunden zufügen sollten. Doch eine großartige Gabe des Savoyers blieb erhalten, seine ausgedehnte Büdierei, die er, sorgfältig in rotes Leder gebunden und mit seinem Wappen versehen, der kaiseiiidien Hofbibliothek vermadit und die noch heute einen besonderen- Schmuck der Wiener Nationalbibliothek darstellt. Förderer von Kunst und Wissensdiaft, allen sozialen und wirtsdiaft-lichen Lebens, diese Eigenschaften runden das Persönlichkeitsbild des „edlen Ritters“ ab, den Oswald Redlich neben Kaunitz, Metternich und Schwarzenberg zu den größten Staatsmännern der neueren österreichischen Geschichte rechnet.

Sein wundervolles Sommerpalais ist schwer getroffen, hoch über seiner Gruft in der Kreuzkapelle des St. Stephansdomes ersetzen gigantische Gerüste das fehlende Dach, vieles, was er erstritten, ist in zwei gewaltigen Weltbränden verloren gegangen. Unverloren aber bleibt uns die lebendige Erinnerung an die so hoheitsvolle Gestalt Prinz Eugens, so wie ihn uns Arneth — immer noch unerreicht — gestaltet hat, so wie er im Drama, im schlichten Volkslied lebt. In einer Zeit, da seine Wahlheimat, einst „Schild und Herz“ des christlichen Abendlandes, nadi neuen Lebensformen sucht, um neue staatliche und kulturelle Gestaltung ringt, vermag Prinz Eugen von Savoyen tröstender Helfer zu sein, der die Not dieses Kontinents im eigenen Leben vielfach erfahren, an der Sendung Österreichs aber nie gezweifelt hat.

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