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Der Grunder und die Mehrer

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Die historische Forschung der letzten Jahrzehnte ließ das Bild des — im wahrsten Sinne des Wortes ersten — Erzherzogs von Österreich, Rudolphs IV., des Begründers der Alma mater Rudolphina, immer klarer hervortreten. Am klarsten aber tritt es uns in jenem großartigen Porträt aus dem Dom- und Diöze-sanmuseum in Wien entgegen, welches den Erzherzog im Alter von 26 Jahren als einen Frühvollendeten zeigt; gezeichnet von gewaltiger geistiger und körperlicher Anstrengung, ein Antlitz, gezeichnet auch von Krankheit und Tod. Die Begründung der Universität Wien am 12. März 1365 und die gleichzeitige Einrichtung des Domkapitels bei St. Stephan stellten ja nur den geistigen und den geistlichen Schlußpunkt unter die zahlreichen Maßnahmen des Erzherzogs zur Hebung von Macht und Ansehen, Wohlstand und Kultur unseres Vaterlandes dar. Ihr war die Erwerbung Tirols (1363), die Sozial-, Kirchen- und Verfassungsgesetzgebung des Erzherzogs vorausgegangen.

Die Sonderstellung, welche Rudolph IV. seinem Land im Rahmen des Heiligen Römischen Reiches zu verschaffen wußte, spiegelt sich auch in dem schon rein äußerlich durch Größe und Ausstattung hervorstechenden Stiftbrief der Universität wider. Dieser ist aus eigener Machtvollkommenheit des Erzherzogs er-flossen, von ihm selber und seinen Brüdern Albrecht III. und Leopold III. eigenhändig unterschrieben und von allen drei Brüdern auch untersiegelt worden. Die Bestimmungen des Stiftbriefes sind umfassend und reichen von der Einteilung der Lehrer nach Fakultäten, der Schüler nach akademischen Nationen über die Zuweisung eines eigenen Stadtviertels (am Schottentor) für den Unterrichtsibetrieb bis zu einer Benutzerordnung der damals ja noch gar nicht existierenden Universitätsbibliothek. Zu den wichtigsten Bestimmungen der Gründungsurkunde gehören — da wahre Wissenschaft nur in Freiheit gedeihen kann — jene, die sich mit der Schaffung der Autonomie beschäftigen. Tatsächlich führte der Rektor der Wiener Universität ja bis 1783 Zepter und Schwert als Zeichen seiner Verwal-tungs- und Gerichtshoheit über alle zur Universität (eigentlich Gemeinschaft) zählenden akademischen Bürger, also der Universitätslehrer, der Studenten, Beamten und Hausangestellten der Hohen Schule, aber auch über Handwerker und Künstler.

Die Gerichtsbarkeit der Universität umfaßte das Hohe und das Niedere Gericht, also diejenigen Funktionen, die heute von Kreis- und Bezirksgerichten ausgeübt werden. Der Pedell der Universität (eine Art von Schuldiener) war zugleich Poli-teikommissär und Kerkermeister.

Der Karzer (Arrest) stand bis ins späte 18. Jahrhundert in Verwendung.

Die Bestätigung des erzherzoglichen Stiftbriefes geschah durch Papst Urban V. am 18. Juni 1365. Allerdings verweigerte der Papst die Lehrerlaubnis für eine Theologische Fakultät, so daß die Wiener Universität zunächst nur mit drei Fakultäten (Rechtswissenschaft, Medizin und Philosophie) eröffnet werden konnte. Der Tod Rudolphs IV. am 27. Juli desselben Jahres brachte den Auf- und Ausbau der Universität dann vollends zum Stillstand. Es ist dies übrigens ein Schicksal, welches in ganz ähnlicher Weise auch die mitteleuropäischen Schwestern der Wiener Universität, die Universitäten Krakau (gegr. 1364) und Fünfkirchen (gegr. 1366), betraf.

Zur vollen Wirksamkeit, nunmehr auch mit einer Theologischen Fakultät ausgestattet, gelangte die Universität dann durch den „erneuerten“ Stiftbrief Herzog Albrechts III. von 1384. Der Entwurf zu demselben geht im wesentlichen auf den berühmten Theologen und Naturwissenschaftler Heinrich von Langenstein zurück, der damals, zusammen mit mehreren anderen Professoren, von Paris nach Wien berufen wurde. Mehr noch als der Stiftbrief von 1365 spiegelt er denn auch die Verfassung der Pariser Universität wider. Sogar das älteste Siegel der Universität wurde in Anlehnung an das Siegel der Universität Paris von Meister Janko von Prag geschnitten. Die Bestimmungen dieses Albertinischen Stiftbriefes blieben bis zur großen Hochschulreform von 1849 die wesentliche Grundlage der Universitätsverfas-sung und sind es zum Teil sogar heute noch.

In der Folge entwickelte sich reiches wissenschaftliches Leben, und gar hald war die Neuaufnahme von jährlich 300 neuen Studenten eine Selbstverständlichkeit. Insbesondere auf dem Gebiete der Theologie, der Mathematik und Sternkunde konnte die Wiener Universität im 14. und 15. Jahrhundert eine führende Stellung unter den abendländischen Hochschulen erlangen. Zum ersten

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