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Der letzte „Papa-Re”

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Es sind drei Begegnungen, die mich schließlich in die unmittelbare Nähe Pius’ XII. brachten. Sie haben in dieser Abfolge etwas Symbolisches, weil in ihnen nicht so sehr die menschliche Persönlichkeit heraustrat, sondern durch sie hindurch ein Symbol, das in dieser Persönlichkeit sich repräsentierte.

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Es sind drei Begegnungen, die mich schließlich in die unmittelbare Nähe Pius’ XII. brachten. Sie haben in dieser Abfolge etwas Symbolisches, weil in ihnen nicht so sehr die menschliche Persönlichkeit heraustrat, sondern durch sie hindurch ein Symbol, das in dieser Persönlichkeit sich repräsentierte.

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Bei der ersten Begegnung stand Nuntius Pacelli ganz im Hintergrund als einfacher Vermittler. Im Rom Pius’ XI. entschloß sich eine Frau aus hohem alten protestantischen Super- intendenten-Geschlecht zum Übertritt zur Kirche, einfach auf den bezwingenden Eindruck der eucharisti- schen Gegenwart im Tabernakel hin. Aber Kardinai Frtihwirth, mit dem sie wissenschaftlich zusammenarbeitete und dem sie ganz natürlich ihren Entschluß mitteilte, hatte wegen der hohen Stellung ihrer Familie Bedenken und beriet sich mit Pius XI. Da dieser den Emst der Bedenken teilte, anderseits aber eine Konversion nicht hindern wollte, so übergab er die Angelegenheit Nuntius Pacelli wegen dessen unmittelbarer Kenntnis deutscher Verhältnisse. Nuntius Pacelli hinwiederum war seit Beginn seiner Münchner Nuntiatur gewöhnt, sich bei Pater Heinrich Sierp, dem Superior des Hauses der „Stimmern der Zeit” Rät zu holen wegen dessen seltener Welt- und Menschenkenntnis. (Heinrich Sierp war viele Jahre Rektor der Universität von Bombay und Mitglied des englischen Educational Council). Auf dem Weg über P. Heinrich Sierp kam dann die Angelegenheit aus den Händen von Nuntius Pacelli in meine Hände. Kardinal Frühwirth und Papst Pius XI. gaben dann unter gewissen Kautelen ihre Zustimmung zur Konversion der Dame. Diese erfolgte endlich um Ostern des Heiligen Jahres 1925 in den Räumen von Kardinal Frühwirth unter der Assistenz von Kardinal Merry del Val, des früheren Kardinal-Staatssekretärs des heiliggesprochenen Pius X., und ich selbst durfte beiwohnen. Die Art schweigender Vermittlung aber, die Nuntius Pacelli bei der bedeutungsvollen Konversion übte, wurde für mich zum ersten Symbol seines Wesens: nicht nur der lautlosen Diskretion eines wahren „Mannes von Welt”, sondern des urchristlichen Untergeben alles Persönlichen in di Vermittlung zwischen Gott und Mensch.

Der große Freund

Dieser sozusagen „objektiven” Begegnung folgte eine zweite, ebenso „objektive Begegnung” über die Pereon desjenigen, der wohl der einzige persönliche Freund des Nuntius und späteren Papstes war und der auch mir ein treuer herzlicher Freund wurde. Ich meine den damaligen Domkapitular Konrad Graf Prey- sing, später Bischof von Eichstätt und endlich Bischof und Kardinal von Berlin. Als Nuntius Pacelli 1917 nach München kam, war der Heilige Stühl kaum in der Lage, die Nuntiatur genügend zu finanzieren. So war die Anstellung eines Uditore, das heißt päpstlichen Legationssekretärs, nicht möglich. Domkapitular Konrad Preysing, der vor seinem Innsbrucker Theologiestudium deutscher Diplomat in Rom war, leistete ihm in der ganzen Münchner Zeit de facto die Dienste eines solchen und konnte ihm mit seinen früheren Erfahrungen im deutschen diplomatischen Dienst zur Seite stehen. Aber Nuntius Pacelli kannte persönliche Freundschaft nur unter dem Zeichen des objektiven Dienstes. Als mit dem Ausbruch der nationalsozialistischen Herrschaft der neue Nuntiaturposten in Berlin unter dem Nachfolger Pa- cellis immer mehr „Posten in Feindesland” wurde, erhielt unerwartet plötzlich Bischof Preystag von Eichstätt das knappe Telegramm des nunmehrigen Kardinal-Staatssekretärs Pacelli, das ihm die Übernahme des Bischofsstuhls von Berlin einfach „befahl”. „Einwände nicht zugelassen.” Für Bischof Konrad Preysing war es der härteste Schlag seines Lebens, weil er als Sproß eines bayrischen Uradelsgeschlechts in der wundervollen Fürstenresidenz Eichstätt ganz zu Hause war. Er erkrankte, aber begriff, daß sein hoher Freund grad darin sich ihm als Freund bewährte, daß er ihn an die bedrohte Front sandte, die der damalige amtliche Nuntius in Berlin nicht zu halten vermochte. Bei meinen eigenen späteren Besuchen bei Bischof Preysing in Berlin konnte ich wahrnehmen, wie sehr er gefährdeter, ja fast abenteuerlicher „äußerster Posten in Feindesland” geworden war, aber wichtigster Posten Pa- cellis sowohl als Kardinal-Staatssekretär wie als Papst Pius XII. Als er als Pius XII. nach dem Ende des zweiten Weltkrieges seinem Freund Konrad Preysing die Kardinalswürde verlieh, war es für beide die echte Krönung einer unerschütterlichen Freundschaft im Dienste. Das Symbol des Dienstes hatte sich erweitert, da der Papst und „sein” Bischof und Kardinal einig unter ihm standen.

Mensch, daß er Musik nicht nur liebte, sondern sie selber als vorzüglicher Violinist ausübte, und daß er fast jeden Tag als gewandter Reiter auf einer Reitbahn im Weichbild von Berlin das „Glück der Erde auf dem Rücken der Pferde” fröhlich genoß. Musik und Reiten aber werden so selber zum Symbol für den scheinbar „strengen Dienstmann Christi”. Es ist die rhythmische Elastizität, die seinem strengen Dienst erst jene anpassungsfähige Geschmeidigkeit verlieh, in der er wohl der letzte große Diplomat der Roma Sancta war, der seine ersten Sporen in der Diplomatie sich nicht umsonst unter dem großen Papstdiplomaten

Leo XIII. verdiente, der so großgeistig war, seinen Gegner Bismarck als echten, ja seltsam geliebten Partner zu sehen. Eugenio Pacelli gestand mir selber, daß die Zeit guter römischer Diplomaten vorüber sei. Indem er keinen Kardinal-Staatssekretär mehr ernannte, muß er folgerichtig sich selbst als „Letzten” erkannt haben. In seinem strengen „Pathos des Dienstes” war er so etwas wie der „letzte Römer”. In der ebenso großen Elastizität seiner Regierung war er „letzter Papstdiplomat” als letzter ,,Papa-Rė”, wie ihn nicht nur das italienische Volk, nach dem Sturz von Duce und König, sah.

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