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Der meistgenannte Name

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Der Kardinal von Mailand, Giovanni Battista M o n t i n i, der in der amerikanischen Presse als „so gut wie gewählt“ betrachtet wird und auch in den Berichten der akkredierten Diplomaten an ihre Regierungen als Favorit ersten Ranges gilt, hat unter den in Italien ansässigen 3 5 Kardinälen wenige Anhänger, dafür aber um so mehr unter den Nichtitalienern. Ist aber anzunehmen, daß sich diese gegenüber der so starken italienischen Gruppe durchsetzen können? Vorurteilslose Beobachter geben Montini nur dann eine Chance, falls sich — ein im übrigen wenig wahrscheinlicher Fall — die Wahl eines Nichtitalieners im Konklave abzeichnen sollte. Man würde dann, um die Reihe der italienischen Päpste nicht zu unterbrechen, auch für Montini stimmen. Der Erzbischof von Mailand besitzt unzweifelhaft große diplomatische und politische Qualitäten, eine reiche Kurienerfahrung als Pro-Sekretär im vatikanischen Staatssekretariat und neben Tardini enger Mitarbeiter Pius* XII. Seine Distanziertheit und Kühle, die sich auch im Kontakt mit seiner Herde in der Diözese Mailand auswirkt, würde freilich einen starken Kontrast zu der natürlichen Gefühlswärme des verstorbenen Papstes darstellen. In der Vergangenheit haben einige, in Wahrheit wenig bedeutungsvolle Aktionen des heutigen Kardinals ihn mit dem Nimbus eines sehr pro-gressistischen und dem sozialen Fortschritt zugewandten Prälaten umgeben lassen, so daß man ihn der katholischen „Linken“ zurechnete. Trotz einer Intervention bei Franco im vergangenen Jahr zugunsten eines politischen Häftlings, die zeigte, daß Montinis Sympathien nicht den rechtsautoritären Regimen gehören, würde man den Kardinal heute besser der gemäßigten, auf einen Ausgleich bedachten Mitte zuordnen. Montini selbst hat während der ersten Session des Konzils bewußt alles vermieden, was ihn mit den konservativen wie den extrem progressi-stischen Gruppen verbinden könnte und war darauf bedacht, sich eine

möglichst breite Basis von Zustimmung zu schaffen, was ihm aber auch tatsächlich weitgehend gelungen zu sein scheint.

Die konservative Presse Italiens — diesmal ist der politische Konservativismus gemeint — ist trotz ihres grundsätzlichen Bekenntnisses zum Laizismus voll von Befürchtungen über das Wiederaufleben des Modernismus, der ihrer Meinung nach den zu Beginn des Jahrhunderts weit in den Schatten stellen könnte, über die Dezentralisierung der Verwaltung durch die Vergrößerung der Bischofsautor'tät, über die Schwächung der Einheit der lehre. • über die Ernennung neuer “Bischöfe anderer Rassen: „Die Erweiterung des Episkopats“, erhebt der Mailänder „Corriere della Sera“ warnend seinen Zeigefinger, „ist eine Operation, die überwacht werden muß, von einer starken, mit großer Autorität ausgestatteten Persönlichkeit, die imstande ist, den auflösenden Neuerungen und zerstörenden Autonomien die Tür zu verschließen. Man könnte zu dem Paradoxon gelangen, daß der zur Fortsetzung der Politik Johannes' XXIII. geeignetste Papst ein autoritärer Papst wäre“.

Sofort nach Bekanntwerden des Todes Johannes' XXIII. haben sich die in der Welt residierenden Kardinäle auf den Weg nach Rom gemacht. Ein Weg, der heute keine gefahrvolle, wochenlange Reise erfordert, sondern per Flug in wenigen Stunden zurückgelegt werden kann. Die am weitesten wohnenden Kardinäle waren die ersten, die in Rom eingetroffen sind. Trotz verringerten Distanzen, trotz dem Konzil, das den Kirchenfürsten gestattet hat, einander kennenzulernen, fühlten sie das Bedürfnis, sich vor dem Eintritt in das Konklave zu informieren und ein möglichst vielseitiges, klares Bild von den „papabili“ zu machen. Aber auch europäische Kardinäle waren rasch zur Stelle, im Bewußtsein der schweren Entscheidung, die in ihre Hände gelegt ist.

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