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Der Papst des kommenden Konzils
Unter allen Vorgängern Johannes XX///. scheint es keinen zu geben — Petrus ausgenommen —, den der Papst unserer Tage in engeren Zusammenhang mit dem nahe bevorstehenden Konzil zu stellen wünscht, als Leo /., einen der wenigen Päpste,\ dem Welt- und Kirchengeschichte das Prädikat des „Großen“ zuerkannt haben. Sein Fest wird am 11. April gefeiert und heuer wegen des späten Ostertermins durch die Liturgie der Passionswoche in der Feier verdrängt. Aber sein historischer Todestag, dessen 1500. Wiederkehr in den vergangenen Spätherbst fiel, gab Johannes XX///. Anlaß zu einer Enzyklika „Aeterna Dei Sapientia“, die seine Gestalt geradezu .zum Zeichen und Programm des Petrusamtes erklärte. Nur ungenaue Kenntnis des Textes konnte bei Orthodoxen und Protestanten zu einer mißverständlichen Deutung führen, die in diesem Dokument einen schroffen, den ökumenischen Einigungstendenzen entgegengesetzten Herrschaftsanspruch des Papstes sah. Was unserer Zeit an Leo dem Großen deutlich gemacht werden sollte, war eben das ganz andere, die ursprüngliche katholische Bedeutung des Bischofs von Rom, die durch gewisse Papstgestalten des Hochmittelalters, der Renaissance und auch noch des Barock verdunkelt oder gar verzerrt worden war. Leo regierte die Kirche zu einer Zeit, die noch die volle und innere Einheit zwischen Ost und West kannte.
Gewiß flammte unter ihm der e,ste disziplinare Streit, zwischen Rom und Byzanz auf. Es ging um die Anerkennung des ominösen Grundsatzes des Konzils von Chalcedon (Canon 38), der eine Vorrangstellung des Patriarchen von Konstantinopel über die Bischöfe des Ostens zum Gesetz erheben sollte. Leo verwei-
gerte die Bestätigung. Aber niemand dachte an Bruch und gegenseitige Verfeindung. Es blieb Hausstreit in einer einzigen christlichen Familie, die sich ganz bewußt als „ökumenisch“ empfand. Viel wichtiger war ihm die große, das christliche Verständnis der Menschwerdung aussprechende Tat des Konzils selbst, dessen freie theologische Arbeit er unbehindert dem Wirken des Heiligen Geistes überantwortetet Seine eigene, die Auseinandersetzung harmonisch beendende Lehrmeinung, wurde den versammelten Vätern nicht als ein Regierungsdekret zur Kenntnis gebracht, sondern als ein Sendschreiben verkündet, dessen spontane und dem Petrusnachfolger huldigende Annahme eine der ökumenischen Sternstunden des jungen Christentums vor scinein Gang in alle Welt hinaus versinnbildete.
Diesem ersten, in die geistige wie politische Umwelt seiner Tage voll eintretenden Papst der Geschichte gilt heute die besondere Verehrung. Er ist nach eineinhalb Jahrtausenden wieder Patron seiner Kirche geworden, die vor einem dem seinen proportional vergleichbaren Schritt in die größer gewordene Ökumene von heute steht. Der Kardinal von 'Wien feierte ihn dieser Tage in einer Huldigungsrede vor der Dominikanerhochschule zu Rom. Für seine Lehre von der Einheit der Kirche fand Dr. König als Definition einen einzigen Satz von klassischer Größe und Einfachheit:
„Papst Leo hat den Kampf um die Lehre als Fundament, den Kampf um die kirchliche Disziplin als Mittel, den Kult als Ausdruck und den Primat als Garantie der Einheit der Kirche gesehen.“
Dem kann schwerlich noch etwas hinzugefügt werden.
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