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Der Papst — ein Zauderer?

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Man hat behauptet, daß der Bischofsrat überhaupt nicht oder nur in sehr verwässerter Form Gestalt gewinnen würde. Es ist allgemeine Uberzeugung des Konzils, aber auch Überzeugung des Papstes, daß der Bischofsrat als sichtbare Institution der Kollegialität der Bischöfe eines der wesentlichsten Ergebnisse dieses Konzils sein werde. Der Papst, dem manche vorwerfen, ein Zauderer zu sein, hat bewiesen, daß er sehr schnell handeln könne, als er die Bischofssynode, wie sie jetzt heißt, konstituierte. Schon am 22. Oktober sind die Vorsitzenden der nationalen Bischofskonferenzen in Rom zusammengetreten, um Fragen der Fastenordnung zu beraten.

In ihrer menschlichen Ausprägung sind die beiden Päpste zwei voneinander scharf getrennte Persönlichkeiten. Es ist unvorstellbar, daß der Nachfolger seinen Vorgänger in Äußerlichkeiten kopieren würde. Aber auf seine Art ist Papst Paul im Geist Johannes' immer weitergeschritten. Wenn Johannes das Tor der Kirche zur Welt aufgestoßen hat, so ist Paul VI. entschlossen durch dieses Tor geschritten. Seine Reisen haben gezeigt, daß der Weg der Kirche zur Welt auch ein Weg der Kirche in die geographische, politische und geistige Weite der Welt ist.

Das neue Bild der Kirche

Das Interesse, das die Welt am Konzil genommen hat, und nur auf Grund dieses Interesses ist eine Einflußnahme möglich, beruht unter anderem auch darauf, daß sie die Welt plötzlich einem neuen Bild der Kirche gegenübersah, einem Bild, das sie zwang, Jahrzehnte- und jahrhundertealte Vorstellungen zu korrigieren. Daß die Welt die Kirche falsch gesehen hat, ist nicht nur Schuld dieser Welt. Die Kinder dieser Welt sahen die Kirche vielfach so, wie die Katholiken sie ihnen zeigten. Das falsche Kirchenbild ruhte daher zum Teil auch in uns selbst. Es war das Bild einer ängstlichen, zugleich aber auch sich abschließenden Kirche, einer Kirche, die sich selbst als Festung sah, als Burg, von unbezwinglichen Mauern umgeben, bemüht, sich von einer bösen Welt abzuschließen, die ihrem verdienten Schicksal nicht entgehen werde, während man selbst auserwählt und gerettet sei.

Und nun auf einmal sieht die Welt eine ganz neue Kirche. Nicht eine Versammlung ehrwürdiger Greise, beladen mit Purpur und Mitra, schweigend und köpf nickend oder gehorsamen Beifall spendend, was von oben dekretiert wird. Das, was die Welt sah, war etwas ganz Neues. Kein Kopfnicken, kein Nachplappern, keine servile Ergebenheit. Und wieder müssen wir sagen, ohne Johannes hätte die Welt das gar nicht bemerkt. Erst durch ihn ist die Welt wieder auf die Kirche aufmerksam geworden. Er war das Prisma, das das Verborgene offenbar gemacht hat. Weil ihm die Welt geglaubt hat, ist durch ihn die Kirche für viele in der Welt wieder glaubwürdig geworden.

Schon bei der Vorbereitung des Konzils, schon in der 2toitralkom-mission haben sich diese neuen Kräfte angekündigt. Gemeinsam wurden die Probleme gesehen, gemeinsam wurden sie in Angriff genommen. Schon in der Zentralkommission zeigte sich der Wille und das Bestreben, nicht ins Allgemeine und Unverbindliche auszuweichen, sondern auch brennende Probleme konkret anzupacken, sich von niemand die Freiheit der Entscheidung entreißen zu lassen.

Eine Tatsache von nicht zu überschätzender Bedeutung liegt auch darin, daß die Auseinandersetzungen des Konzils nicht zu starren Frontbildungen führten. Es gibt keine nationalen, keine rassischen, keine altersmäßigen und schon gar keine politischen Fronten auf diesem Konzil. Die Grenzen der Auffassung zwischen Majorität und Minorität laufen quer durch alle Nationen, durch alle Länder und durch alle Generationen.

Dieses Konzil ist kein Konzil des Kampfes, es ist ein Konzil des Friedens. Die Kirche hat das Christlichste aller Wörter, das sie sich teilweise entwenden ließ, wieder für sich zurückgenommen, das Wort vom Frieden!

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