6715711-1964_41_22.jpg
Digital In Arbeit

Der Sieger von Leipzig

19451960198020002020

FELDMARSCHALL FÜRST SCHWARZENBERG. Der Sieger von Leipzig. Von Karl Fürst Schwarzenberg. Verlag Herold, Wien -München. 512 Seiten, 2 Kartenskizzen, 17 Abbildungen auf 16 Tafeln. Leinen. Preis 280 S.

19451960198020002020

FELDMARSCHALL FÜRST SCHWARZENBERG. Der Sieger von Leipzig. Von Karl Fürst Schwarzenberg. Verlag Herold, Wien -München. 512 Seiten, 2 Kartenskizzen, 17 Abbildungen auf 16 Tafeln. Leinen. Preis 280 S.

Werbung
Werbung
Werbung

An die Spitze dieser Rezension sei die Feststellung gesetzt, daß wir es mit einer wissenschaftlichen Biographie zu tun haben und nicht mit einer romanhaften Dramatisierung oder sensationellen Ausschmückung eines bedeutenden Lebenslaufes. Die Schwarzenberg hatten schon manche ihrer Mitglieder zur Feder greifen lassen, der Feldmarschall Fürst Karl Philipp verstand es, literarisch wertvolle Briefe zu hinterlassen, sein Sohn Fürst Friedrich ist mit 17 Bänden verschiedener, heute wieder lesenswert gewordener Schriften in die Literaturgeschichte eingegangen. Dr. Adolf verdanken wir eine englische Biographie des Ministerpräsidenten Fürst Felix, und Doktor Heinrich macht sich um besitzgeschichtliche Publikationen verdient. Nun vergrößert diesen Kreis Dr. Karl Fürst zu Schwarzenberg mit einer längst fällig gewesenen vervollständigten Lebensgeschichte seines Vorfahren, des Siegers von Leipzig.

Der auch durch andere Veröffentlichungen schon bestens bekannte Autor betont zunächst, daß er die reine Kriegsgeschichte als den Fachleuten zustehend im einzelnen ausschalte, dann bedauert er, vom eigenen, bloß 150 km von Wien entfernten Familienarchiv in Worlik keinen Gebrauch machen zu können, da ihm dies verwehrt ist. Er gibt ferner zu, an sein Thema als an eine „herzerfreuende Aufgabe mit Liebe und Verständnis“ herangegangen zu sein, was aber keinesfalls bedeutet, er hätte eine Familienhymne verfaßt. Ganz im Gegenteil, er führt so manche bisher panegyrisch stilisierte Ereignisse im Leben des Fürst-Feldmarschalls — wie unter anderem den Sieg von Le Cateau — auf die richtigen Maße zurück, und seine verständliche subjektive Einstellung schadet nicht im geringsten, da ihr jedes Abweichen von der Wahrheit fremd bleibt. Bedenkt man, daß seit dem letzten Schwarzenberg-Buch von Kerchnawe-Veltzė schon ein halbes Jahrhundert verstrichen ist und daß unterdessen über 60 vom Verfasser zitierte einschlägige Schriften zugewachsen sind, ist die Notwendigkeit der eben erschienenen Biographie erwiesen.

Dem Oberkommandanten der Verbündeten 1813 15 ist die Geschichtsschreibung nichts schuldig geblieben,

wie überhaupt das durch fast 500 Jahre zu den Säulen Altösterreichs zählende, einst regierende Haus Schwarzenberg den ihm zukommenden Platz in der Geschichte gebührend erhalten hat. Der Feldmarschall selbst ist nicht wie andere historische Gestalten umstritten, was jedoch an seiner Charakterisierung bisher fehlte, war das rein Menschliche, und dieses in den Vordergrund zu stellen, versteht der Autor in vollendeter Art. Den Soldaten im Sieger von Leipzig läßt er sagen: „Wie wird unser armer Beruf durch Leute erniedrigt, die glauben, die Kriegskunst dann zu üben, wenn sie arme Soldaten zwecklos und unsinnig quälen.“ Vom Diplomaten hören wir das Wort: „Alle Vorurteile müssen verschwinden, wenn es um das Bestehen des Vaterlandes geht … wenn die Pflicht sich hören läßt, muß man gehorchen, ohne zu zögern.“ Als Hofkriegsratspräsident teilte der Marschall dem Fürsten Metternich mit: „Ich sehe immer vor mir die Möglichkeit, unsere Armee über die anderen zu erheben, aber man beschäftigt sich ständig nur damit, mir dazu die Mittel zu nehmen.“

Alles in allem sieht der Leser eine harmonisierende Vereinigung disparater Elemente: er war tschechisch so gut wie deutsch oder französisch; Militär und Zivil in einer Person; ihm waren Habsburg, Österreich und Europa ein einziger untrennbarer Begriff; ob als Offizier oder als Diplomat, war er stets derselbe unbeirrt treue Diener, und der Krieg galt ihm nur als ein bedauerlicher Baustein zum Frieden. Wenn ihn sein Wiener Reiterstandbild zeigt, wie er den Degen nach langen Feldzugsjahren versorgt, so ist dies eine Geste für unsere Tage, in denen nicht nur politische Parteien, sondern auch alle Nationen Gleiches tun sollten, nämlich nach tiefgehenden Gegensätzen der Vergangenheit friedlich zusammenzustehen.

Nicht einfach war es, in einer Bio graphie Schwarzenbergs dessen Generalstabschef Radetzky weder zu unter- noch zu überschätzen. Radetzky ist der in der Biographie meistgenannte General, und seine Verdienste um die Gesamtkriegsführung unter Schwarzenberg kommen zur Geltung, ohne daß die dem Oberbefehlshaber trefflich gelun gene Koordinierung der zahlreichen und sich widerstreitenden Gesichtspunkte in einem aus mehreren Verbündeten zusammengesetzten Heer auch nur irgendwie beeinträchtigt würde. Den sehr fähigen, charakterlich an Radetzky nicht heranreichenden, sich aber gerne vordrängenden General Langenau verstand der Feldmarschall dem Dienste entsprechend nützlich zu verwenden.

Ein Leben wie das geschilderte, so schnurgerade und kristallklar, ohne alle Histörchen, Legenden, Intrigen oder Pikanterien, die im vorliegenden Fall überhaupt erst erfunden werden müßten, läuft Gefahr, bei den lebenden Generationen nicht so leicht das richtige Verständnis zu finden, doch man kann hoffen, daß dies wieder einmal der Fall sein werde, denn wir besitzen jetzt in der Biographie des Siegers von Leipzig ein über einen wahrhaften Fürsten fürstlich geschriebenes Werk, das allen Österreichern eine äußerst bildende Lektüre bietet. Möge dabei der Rat Schwarzenbergs von den Verantwortlichen verstanden wer den, daß wichtige Fragen nicht durch Krieg, wohl aber durch eine ernsthafte Sprache, unterstützt durch eine wohlorganisierte Armee, entschieden werden können.

Der Verlag Herold hat seine Feld- herrn-Serie erfreulich bereichert, im besonderen der Militärgeschichte einen neuen wesentlichen Dienst erwiesen, dabei es nicht an der gewohnten einwandfreien Ausstattung fehlen lassen. Die Bebilderung bevorzugt — was zu begrüßen ist — meist bisher weniger gezeigte Aufnahmen, diesem Prinzip mußte aber bedauerlicherweise Angelika Kauffmanns Gemälde der Feldmarschall- Gemahlin zum Opfer fallen.

Interessant ist die gewählte Art, russische Namen in tschechischphonetischer Transkription zu bringen, was hierzulande unter Umständen praktischer scheint als die französische oder deutsche Schreibart. Zu erwägen bliebe vielleicht, ob nicht die fortlaufende — an Stelle der leider allgemein üblichen, nach Kapiteln geteilten — Numerierung der „Anmerkungen“ zur bequemeren und rascheren Benützung derselben vorteilhafter wäre.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung