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Der Sieger von Mogersdorf

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Die Geschichte liebt es, überragende Gestalten oft in einem einzigen, das Wesen der Persönlichkeit veranschaulichenden Satz fortleben zu lassen, der allzuleicht die vollbrachten Taten überschattet. Von Archimedes kennt jeder die Worte „Störe meine Kreise nicht!”, und Galileis Ausspruch „Und sie bewegt sich doch!” ist allgemeines Bildungsgut. Karl V. war der Herrscher, in dessen Reich die Sonne nicht unterging, und von Montecuccoli kann man immer wieder hören, er sei jener .Gęnęral ggwesep, der für dei Krieg Geld. Geld und nochmals Gelį verlangt habe. In ?/Wirkliehkhitį.’ha| Montecuccoli den von anderen stammenden Spruch vom Geld lediglich zitiert, trotzdem bleibt er mit ihm für ewig verbunden, und bisweilen wird dabei vergessen, daß er für die Geschichte sehr viel mehr bedeutet.

Die 300. Wiederkehr der Schlacht von St. Gotthard-Mogersdorf ist ein geeigneter Anlaß, an einen der größten Feldherrn nicht nur Österreichs, sondern Europas zurückzudenken. Seit 1356 die Türken auf eurpäi- schem Boden erschienen, hörte die Abwehr dės Ansturms gegen das Herz des Kontinentes durch Jahrhunderte nicht auf. 1529 standen die Türken erstmals vor Wien, das sie aber infolge der heldenmütigen Verteidigung unter Pfalzgraf Philipp, dem faktisch kommandierenden Graf Niklas Salm und Bürgermeister Treu nicht einnehmen konnten. Ohne daß nachher je Frieden eintrat, rückten die osmanischen Streitkräfte nach mehr als einem Jahrhundert abermals gegen Wien vor, in dreihundert Kilometer breiter Front von Heiligenkreuz in Oberungarn bis an die Drau verteilt. 1664 kam es zum denkwürdigen Sieg über den Großwesir Achmed Köprülü an der Raab. Damit war der zweite Vorstoß auf Wien abgeschlagen und für weitere Verteidigung gegen den furchtbaren Feind aus dem Osten Zeit gewonnen. Kaum zwei Jahrzehnte vergingen, da kulminierte die Offensive des Halbmondes vor den Toren Wiens, wo 1683 die Entscheidungsschlacht unter Johann III. Sobieski, Karl V. von Lothringen und Starhemberg stattfand. Der an dieser Schlacht als 20jähriger Volontär teilnehmende Prinz Eugen vollendete dann zwischen 1697 und 1718 die Befreiung Mitteleuropas von der türkischen Gefahr.

Ein Leben auf Schlachtfeldern

Die Montecuccolis begegnen uns zuerst als die Herren von Frignano im Modenesischen, sie wurden später Grafen, 1530 Reichsgrafen und gehörten bis 1803 zum Herzogtum von Modena, das von den Este regiert wurde und in der Folge bis 1860 an das Haus Österreich-Este überging. Am 22. Februar 1609 wurde Graf Raimund Montecuccoli auf dem Stammschloß „Rocca di Monte- cucculo” südlich von Modena geboren, und schon in jenen Tagen standen Mitglieder seiner Familie in österreichischen Diensten, unter diesen sein Oheim Ernst, späterer Feldzeugmeister, der seinen Neffen Raimund bewog, ebenfalls in das Habsburgische Heer einzutreten.

Montecuccoli diente von der Pike auf bei der Infanterie und in der Reiterei und nahm einen steilen Aufstieg im Laufe von vier mitgemachten Kriegen. Im Dreißigjährigen Krieg bewährte er sich in den Schlachten von Breitenfeld, Lützen, Nördlingen ,3 und Wittstock, geriet zweimal in .schwedische Gefangenschaft und beschloß den Krieg als General der Kavallerie. Im schwedisch-polnischen Krieg (1655 bis 1660) steht er im Kampf gegen Räköczi, dann an der Seite branden- burgischer Truppen in Holstein gegen die Schweden und wurde bestaunt wegen der genialen Einnahme von Fünen. Sein dritter Krieg war der Türkenkrieg von 1661 bis 1664, in welchem er — seit 1658 Feldmarschall — bis Klausenburg vordrang und den Sieg bei St. Gotthard erfocht. Im vierten, dem französisch-niederländischen Krieg von 1672 bis 1679, oblag Montecuccoli das Kommando am Rhein im Verein mit Holland gegen Turenne, den damals berühmtesten Heerführer. In glänzenden zeitbedingten Manöveroperationen behielt er dem französischen Marschall gegenüber die Oberhand, was ihm einen gleichwertigen Ruf eintrug.

Am 6. August 1664 war Montecuccoli Generalleutnant „über unsere Armaden” geworden, 1668 zum Präsidenten des Hofkriegsrates berufen, welches drückende Amt er bis 1680 versah. Wegen einer Übergehung des Hofkriegsrates in Armeefragen reichte der Feldherr am 14. Februar sein Enthebungsgesuch ein, bald darauf starb er nach immer gottes- fürchtigem Leben am 16. Oktober 71jährig in Linz an der Donau. Von den vielen Ämtern und Würden, die Montecuccoli bekleidete, seien noch erwähnt: Obrister Land- und Hauszeugmeister, Obrister von Raab, bestellter Obrist eines Regiments zu Pferd, Wirklicher Geheimer Rat, Kämmerer, spanischer Fürst und Ritter vom Goldenen Vlies. Seine außergewöhnliche Bildung und Liebe zur Wissenschaft führten zur Wahl als Protektor der Leopoldinischen academia naturae curiosorum in Halle, der ältesten europäischen Naturforschergesellschaft. Angebotene Übertritte in den diplomatischen Dienst oder in spanische und venezianische Dienste lehnte er ab.

Die vergessene Gruft

Die bis in das 9. Jahrhundert reichende Familie verzweigte sich in zehn Linien, von denen zwei in Österreich ansässig wurden, jene des Feldmarschalls in Niederösterreich mit den Besitzungen Mitterau, Hohenegg, Osterburg und Häindorf. Montecuccoli erweiterte Hohenegg baulich und machte die Burg zu einem gastlichen Heim für Volksfeste, die noch lange im Lied fortlebten, wie etwa mit dem Refrain: „Hohenegg, du edles Haus — Nüchtern hinein und voll hinaus!”

Vermählt war Montecuccoli mit der Tochter Margarethe des Obersthofmeisters Fürst Dietrichstein, sein einziger zum Reichsfürst erhobener Sohn Leopold starb ohne Nachkommen 1698, dessen Witwe Maria Antonia (Colloredo) hinterließ in St. Pölten 42 wohltätige Stiftungen.

Fürst Leopold errichtete in Linz seinem Vater eine Gedenktafel in der Marienkapelle der Kapuzinerkirche, in welcher Herz und Eingeweide des Feldherrn bestattet sind, während der von einem Kupfersarg umschlossene Leichnam unter der Franziskus-Regis-Kapelle der Kirche Am Hof in Wien gemeinsam mit nächsten Familienmitgliedern ruht. Die Gruft ist unzugänglich, und es wird noch geraume Zeit verstreichen, bis die nach den Kriegsschäden notwendig gewordene Restaurierung der Wiener Ruhestätte vorgenommen werden kann. Darum ist aber die Erinnerung nicht erloschen, denn im Heeresgeschichtlichen Museum sind eine Statue und ein Fresko zu sehen, im Wiener Heldendenkmal sind die Namen Montecuccoli und Sankt Gotthard eingemeißelt, in Hietzing gibt es einen Montecuccoliplatz, und von 1888 bis 1938 war ein österreichisches Dragonerregiment nach dem Sieger von St. Gotthard benannt. Der Rolle, die Montecuccoli in der europäischen Geschichte gespielt hat, entsprach es, daß ihn Napoleon lobte, Friedrich II. besang und daß der glänzendste niederländische Dichter, Joost van der Vondel, das zwölfstrophige Gedicht „Der siegreiche Adler an der Raab” zu Ehren des Siegers verfaßte.

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