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Der Spätheimkehrer

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Das Burgenland ist erst spät, im Jahre 1921, in den Schoß der Mutter Austria zurückgekehrt, nachdem es seit dem Jahre 1648, der Zeit des Westfälischen Friedens, zum ungarischen Staatsverband gehört hatte. Schicksale eines Grenzlandes hielten das Land jahrhundertelang im Banne. Es war auch nicht weiter zu verwundern, daß dieser Grenzlandstreifen in vieler Richtung Rückstände im Vergleich zu anderen Ländern oder Landstrichen Mitteleuropas aufzuweisen hatte. Man gab ja auch im Jahre 1921 nicht etwa Großstädte an Österreich, sondern 320 durchweg ländliche Gemeinden, denen vor allem die Aufgabe zufiel, die Großstädte. vor allem (Wien und Graz) mit den Überschußgütern einer reichen Landwirtschaft zu versorgen. Es waren keine glücklichen Sterne, die damals über Österreich walteten, als das Burgenland heimfinden konnte. Dementsprechend war auch die Mitgift, die der österreichische Staat seinem jüngsten Kinde geben konnte, bescheiden.

Der Aufstieg für das Burgenland kam erst nach dem zweiten Weltkrieg. Trotz der schweren Zeit der Russenbesetzung ging die Landesregierung daran, das Land verkehrsmäßig zu erschließen, eine Entwicklung, die über zehn Jahre währte und zu dem Erfolg führte, daß das Burgenland heute die besten Straßen Österreichs aufweist.

Damit wurden auch die Voraussetzungen für einen modernen Fremdenverkehr geschaffen, dessen Dynamik nun nicht vor den Grenzen des Burgenlandes halt machen mußte. Die guten Straße wurden von vielen Gästen befahren, die nun auch feststellen, daß das Burgenland eine sehr anmutige, in ihrer Vielgestalt anziehende Landschaft hat. Im Norden die Ebene mit ihren Seen, den Neusiedler See mit seiner einmaligen Fauna und Flora, den Zicksee, den Neufelder See, während der mittlere und südlichere Teil hügelig bis bergig und sehr waldreich ist. Das Land ist industriearm, kein Rauch von Schornsteinen verpestet hier die Luft, das subalpine Klima relativ regenarm, so daß auch damit wertvolle Voraussetzungen eines regen Fremdenverkehrs geschaffen erscheinen. Noch fehlt es an der notwendigen Anzahl von Quartieren. Konnte es auch in den letzten Jahren gelingen, die gewerbliche Bettenkapazität, zu verdreifachen und auch die private Initiative, Privatzimmer zu vermieten, anzuregen, so ist der Erfolg in der Beziehung noch immer gering. Ein Mehrfaches an Betten würde das Burgenland erst zum Urlaubsland stempeln.' Die Ausweichstelle ist daher der Eintagsfremdenverkehr zum Wochenende, der schon gigantische Ausmaße angenommen hat. In der Saison sind es Hunderttausende von Gästen, die wenigstens zum Wochenende das Land bereisen, hier die Wasserwerte genießen können, den guten Wein, Obst und andere Sachen. Wie wichtig dieser neue Wirtschaftsfaktor für das Burgenland ist, erhellt allein die Tatsache, daß die vielen Weinvorräte im Lande in einem einzigen Sommer ausverkauft wurden.

Für den Fremdenverkehr wird die weitere Erschließung der zahlreichen Heilquellen, die im ganzen Land, ob im Norden oder im Süden, sprudeln, segensreich sind. Wieder war es die Landesregierung, die nach dem zweiten Weltkrieg Bad Tatzmannsdorf aufgebaut hat; nun soll die Privatinitiative einsetzen. Die Wiedererrichtung Sauerbrunns ist im Gange, die Freibäder in Edelstal werden bereits in der nächsten Saison zur Verfügung stehen, im mittleren und südlichen Landesteil werden im Laufe dieses Jahres mehrere größere Freibäder errichtet werden. Inzwischen ist es gelungen, die Seebäder in Mörbisch, Rust, Neusiedl, Weiden, Podendorf, am Zicksee und am Neufelder See auszubauen.

Der burgenländische Fremdenverkehr ist also bereits eine Realität. Das heftige Bemühen, die Bettenkapazität bedeutsam zu erhöhen, ist im Gange, und alle Voraussetzungen sind gegeben, den Fremdenverkehr, wenn nicht zum wichtigsten, so doch zu einem der wichtigsten Wirtschaftsfaktoren des Landes zu erheben.

Heute noch sind viele junge Burgenländer gezwungen, außerhalb des Landes Arbeit und Brot zu suchen. Es darf angenommen werden, daß es in absehbarer Zeit der Fremdenverkehr sein wird, der das Brot für viele im Lande sichert.

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