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„Der Tapferkeit"

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Zur Erinnerung an den denkwürdigen, am 18. Juni 1757 erfochtenen Sieg Dauns über Friedrich II., König von Preußen, bei Kojin wurde der bereits seit 1749 geplant gewesene Militär - Maria-Theresien- Orden ins Leben gerufen, dessen erster Großmeister, Kaiser Franz L, am 7. März 1758 in Gegenwart der Kaiserin den Feldmarschällen Herzog Karl zu Lothringen und Bar und Graf D a u n die erstverliehenen Großkreuze überreichte. Der zunächst nur in zwei Graden als Großkreuz und Ritter bestehende Orden erfuhr durch die Einführung des Kommandeurkreuzes im Jahre 1765 eine Erweiterung. Als besondere, zumeist aus Anlaß persönlicher Jubiläen wahrgenommene Ehrung verliehen die Großmeister die Brillanten zum Ordenskreuz, was allerdings nur sechsmal vorkam, und zwar bei den Feldmarschällen Laudon, Josiąs von Sachsen-Koburg und Erzherzog Carl, dann bei den Generälen Graf Sternberg, Baron Fejerväry und Freiherr von Appel.

Mit der Stiftung ausgesprochener Tapferkeitsorden waren 1693 Frankreich (Heiliger- L u d w i g - Orden) und 1698 Rußland (Sankt-Andreas - Orden) vorangegangen, 1797 folgte Bayern (Militär - Max-Jose f- Orden), 1810 Preußen (Pour-le-merite-Orden) und 1815 Hannover (G ü I p h e n - Orden) bzw. Sardinien (Militär-Orden von Savoyen). Beim Theresien-Orden galten als besondere Merkmale, daß man sich um ihn selbst bewerben konnte, daß die Zuerkennung ohne jede Rücksicht auf „Religion, Stand und andere Umstände" zu erfolgen hatte und daß mit der Verleihung nebst Adelsanspruch auch eine Pension verbunden war.

245 Offiziere mit sechs und mehr Tapferkeitsdekorationen, ohne daß sie des höchsten Militärordens teilhaftig geworden wären. Die Statuten vom 12. Dezember 175 8 verlangten von den Bewerbern den Nachweis, daß sie „nach Türe und Pflichten ihrer Schuldigkeit ein völliges Genüge geleistet“, sich „durch eine besonders herzhafte Tat“ hervorgetan oder „kluge Ratschläge“ gegeben und „mit vorzüglicher Tapferkeit ausführen geholfen haben". In der Zeit der Massenheere des ersten Weltkrieges trat das Moment der persönlichen Tapferkeit bei den höchsten Befehlshabern vor dem „klugen entscheidenden Betragen“ in den Hintergrund. Obwohl nur „Taten, welche ohne Verantwortung hätten unterlassen werden können“ und „ohne besonderen Befehl“ oder „ohne Erwartung der Ordre“ vollführt wurden, in Betracht kamen, ergab sich doch bisweilen die irrtümliche und disziplinschädigende Auffassung, es könne auch eine gegen den erhaltenen Befehl unternommene Tat ordenswürdig sein. Aus diesem Grund hat Kaiser Franz Joseph 1. im Jahre 1878 verfügt, daß eine Waffentat „aus eigener Initiative und ohne Befehl“ jederzeit mit den Gehorsamsvorschriften der Reglements vereinbar sein müsse und daß die Geltendmachung einer „Nichtbefolgung erhaltener Befehle“ ausgeschlossen sei.

Mit der Verleihung des Ordens kam dem Ausgezeichneten ursprünglich ,,eo ipso der Ritterstand" zu, auf Begehren konnte er aber auch um den Freiherrenstand ansuchen, 1895 dekretierten die reformierten Statuten, daß mit der Promotion die Erhebung in den Adelsstand erfolge und daß auf Bitte der Freiherrenstand bzw. die Baronie (für Ungarn) verliehen werden können. Es gab aber eine ganze Reine von Ordensrittern, wie u. a. B e n e d e k, Hauslab, Schönhals oder T e g e 11- h o f f, bei denen eine Erhebung in den Freiherrenstand nicht eingetreten ist. Die Ordenspensionen betrugen seit 1811 zwischen 1500 und 400 Gulden, die letzte Pensionsregelung von 1910 setzte für das Großkreuz 6000 Kronen, für den Kommandeur 4000 Kronen und für den Ritter 2400 Kronen jährlich fest. Die Entwertungen des Ordensvermögens durch die beiden Weltkriege brachten es mit sich, daß keine Pensionen mehr ausgezahlt wurden.

Dem ausnahmsweisen Rang des Ordens entsprechend bekleideten das Amt des Ordenskanzlers nur höchste Würdenträger. Als erster Kanzler begegnet uns der Staatskanzler Fürst Kaunitz, ihm folgten Lacy, Metternich, Wratislaw, Beust, Kuhn, Fejerväry und als letzter noch in der Monarchie ernannter Kanzler Feldmarschall Conrad. Die Reihe schlossen nach Conrads Tod Generaloberst Graf Dankl von K ras nik und Feldmarschallcutnant Richard Müller ab. Die Aufnahme in den Orden erfolgte entweder durch Einzelverleihung oder aber durch gemeinsame feierliche Promotion,

wie sie zuletzt durch Kaiser Karl I. am 17. August 1917 und 1918 für zusammen 32 Offiziere vorgenommen wurde. Jeder neue Ritter sollte nach den Statuten ein „Promotions- Patent" erhalten, doch geriet dieser Brauch im Laufe der Zeiten in Vergessenheit, und erst nach der Verleihung des Großkreuzes an Feldmarschall Radetzky wurde von Metternich als damaligem Ordenskanzler daran erinnert, daß die Patente regelmäßig auszufertigen seien, da eine bloße Zeitungsnachricht über die Verleihung wohl kein Dokument darstellen könne. Von der Regel, daß neben dem Orden vom Goldenen Vlies nur noch der Theresien-Orden getragen werden dürfe, wurde später abgegangen und die Vlies-Ritter trugen zur Uniform nebst dem Goldenen Vlies auch alle anderen Dekorationen.

Der Orden begeht sein Ordensfest am 15. Oktober, dem Tag der Heiligen Theresia, zur Ehre der hohen Stifterin, der Kaiserin-Königin Maria Theresia. Der 100jährige Bestand im Jahre 1857 wurde feierlichst begangen, es erschien auch ein Prachtwerk über den Orden mit den Biographien seiner Mitglieder. Das 150. Jubiläum im Jahre 1907 ging in aller Stille vor sich, da der damals einzige, noch lebende Ordensritter, Ministerpräsident und Feldzeugmeister Baron F ej e tyiry, gebeten hatte, von Festlichkeiten abzusehen. Eine wertvolle Ergänzung kam der Ordensliteratur durch die Verfassung der Geschichte der Ritter des Krieges 1914/18 zu, die im Auftrag des Generals Dr. Freiherr von B a r d o 1 f f Oskar H o f m a n n und Gustav H u b k a besorgten. Der im Kriegsarchiv eingerichtete Schauraum des Ordensarchivs und der TKeresien-Saal im Heeiesgeschichtlichen Museum zeigen Erinnerungsstücke vom bewegten Schicksal des Ordens und seiner Mitglieder.

Ungarn hat sich nach 1918 bemüht, den Beweis zu erbringen, daß der Maria-Theresien- Orden eine ungarische Institution sei, es hat auch im zweiten Weltkrieg den Orden als ungarischen Orden neugestiftet und in einigen Fällen tatsächlich verliehen. Dieser ungarische Theresien-Orden kann jedoch nicht als die Fortsetzung des 1757 gestifteten Ordens betrachtet werden.

Die Anzahl der Ordensverleihungen zeigt nach Kriegsereignissen ein recht wechselvolles Bild. Für Kolin, also für jene fünfeinhalbstündige Schlacht, deren Datum Maria Theresia den Geburtstag der Monarchie nannte, wurden nicht weniger als 24 Kreuze zuerkannt, das Jahr 1809 steht mit 100 Verleihungen an der Spitze, Radetzkys „Armee in Italien' hatte 1848/49 56 Kreuze zu verzeichnen. Nach der Einführung anderer Tapferkeitsauszeichnungen erfolgte natürlich eine viel strengere Auslese unter den Ordensbewerbern, und von den rund

230.0 Offizieren des ersten Weltkrieges erhielten bloß 123 den höchsten Orden. Für besondere Leistungen von 1757 bis 1918 wurden in Summe 1243 Kreuze an 1138 Personen verliehen, darunter an 174 Ausländer, wie an Engländer, Preußen und Russen in den Freiheitskriegen gegen Napoleon 1813/15 oder an Angehörige des Deutschen Reiches und Bulgariens im Kriege 1914/18. Auch der König Karl Albert von Sardinien befand sich unter den Ordensrittern. In allen drei Graden wurde der Orden nur neunmal

(Pellegrini, Beaulieu, Hohenlohe- Kirchberg, Ferraris, Allvintzii M. Latour, Johann Liechtenstein, Karl Schwarzenberg, Radetzky), in zwei Graden 87mal vergeben, vertreten sind ebenso alle Rangstufen vom Leutnant bis zum Feldmarschall und Großadmiral wie auch die Stäbe und alle Waffengattungen. Nach Stammwaffe betrachtet erreichen die Ingenieur-, Genie-, Pionier-, Mineur- und Sappeuroffiziere den höchsten Prozentsatz. Am öftesten hat sich das Haus Liechtenstein — sechsmal — den Orden erkämpft, die ersten Reserveoffiziere — ihrer sechs — gelangten durch den Weltkrieg 1914/18 in den Orden. Die letzten von 1921 bis 1931 tagenden Ordenskapitel haben in besonderen Fällen einen Anspruch auf die Goldene Tapferkeitsmedaille für Offiziere festgestellt.

Von den Ordensrittern, also von den erprobtesten Vertretern der österreichisch-ungarischen Wehrmacht, leben heute in Oesterreich die nach ihrer Waffentat und mit damaligem Rang chronologisch angeführten Offiziere: Artilleriemajor Oskar H o f m a n n, Annopol 1914, Infanteriemajor Anton L e h ä r. Chodel 1914, Infanterieoberleutnant Wilhelm C a v a 11 a r von Grabensprung, Saschinzi 1914, Artillerieoberleutnant Georg Dragičevič,

San 1915, Ulanenrittmeister Gottfried B a r t o n, Okna 1916, Kaiserschützenoberleutnant i. d. Res. Alfred Enrich, Valmorbia 1916, Infanterieoberleutnant Karl R u ž i č z k a, Kirlibaba 1916, Generalstabshauptmann Friedrich K r ö m e r, Lipa 1916, Kaiserjägerleutnant i. d. Res. Viktor Oberguggenberger, Pasubio 1916, Infanteriehauptmann Gustav Sonnewend, San Marco 1917, Infanterieoberleutnant Friedrich Franek, Flondar 1917, Infanterieoberleutnant Alois W i n d i s c h, Monte Meletta

1917, Kaiserschützenleutnant i. d. Res. Peter Scheider, Tonale 1918, Kaiserschützenoberleutnant Wilhelm Lieka, Tonale 1918, Linienschiffsleutnant Hermann R i g e 1 e, Durazzo

1918. Im Ausland leben — soweit feststellbar — der letzte Kommandeur des Ordens, Feldmarschall Erzherzog Josef, Isonzo 1915 und Ostfront, und Linienschiffsleutnant Gottfried Ban field, 18 Luftsiege über der Adria 1916.

Oesterreich pflegt mit anerkennenswerter Liebe und voll Stolz seine mit des Geistes heiteren Waffen geschaffenen kulturellen Werke — daß diese aber nur möglich waren und nur erhalten werden konnten durch des Kriegers schützende Kraft, das ist den lebenden Generationen kein vertrauter Gedanke mehr. Der 18. Juni 1757—1957 sollte in dieser Hinsicht besinnlicher Einkehr dienen.

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