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„Der unbesiegbare Gott“

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Das Burgenland ist das an archäologischen Funden reichste Bunde.land Oesterreichs. Man ist es gewohnt, oft von seltenen und die Fachleute der ganzen Welt interessierenden Ausgrabungen zu hören. Daß es jedoch glücken würde, einen Altarstein zu finden, der dem Gotte Mithra geweiht war, überraschte sogar den Fachmann des Landesmuseums von Eisenstadt, Dr. A. J. Ohrenberger. Nun darf das Dorf^ 111-mitz im Seewinkel — so oft schon durch die wiederholten Brandlegungen unangenehm bekanntgeworden — den Anspruch erheben, neben Stixneusiedl, Kroisbach und Carnunrum einen dieser seltenen Zeugen desjenigen Religionskultes zu besitzen, der dem Christentum des zweiten Jahrhunderts an Verbreitung und Popularität nicht nur gleich, sondern zeitweilig sogar überlegen war.

Wer war nun diese Gottheit, der es gelang, die Welt von Indien bis nach Großbritannien und Spanien in ihren Bann zu ziehen? Mithra, der als Mittler zwischen dem Himmel und den Menschen verehrt wurde, geht bis auf den persischen Avesta und die indischen Veden zurück. Hierzu kamen viele orientalische Elemente von chaldäischen und ägyptischen Göttermythen, sowie die Verschmelzung der Isis mit der keltischen Noreia in den Gegenden um Carnunrum und Wien. Mithra, der Helios besiegte, um dann jenem gleichrangig zu sein, war die Gottheit einer strengen und düsteren Soldatenreligion. Interessant ist, daß in Rom selbst, wo das religiöse Leben sehr bunt und vielfältig war, Mithra die wenigsten Anhänger hatte. Aber überall, wo Soldaten der römischen Legionen stationiert waren, fanden sich neben einzelnen Göttern des griechischen Olymps dem Mithra geweihte Kultstätten. So wissen wir zwar von der Verehrung des Merkur im salzburgischen Pongau, des Herkules in den Hohen

^Ffft^fli &$.Jmo M :4er oberen Mur. Mithraheiligtümer aber wurden bereits in Deutschland entlang dem Verlauf des römischen-Limes in großer Zahl gefunden. Den Anhängern dieses1 Kultes wurden eine heroische Lebensauffassung und heldische Ideale vor Augen gestellt. Die Religion sollte ihnen einen starken sittlichen Halt geben. Erst später erkannten die römischen Kaiser die Brauchbarkeit des Mithra-mythos' für ihre politischen Zwecke und machten ihn zur Staatsreligion. Sich selbst aber ernannten sie zum Bruder des Mithra und ließen sich daraufhin verehren wie diesen. So konnte es kommen, daß die Verbreitung des Kultes rasch um sich griff.- Der geistige Kampf zwischen Christentum und Mithra drückte der Physiognomie der christlichen Kirche bis heute seinen Stempel auf. Es ist erwiesen, daß auch Paulus die Mithraliturgie zumindest gekannt haben mußte. Er verwendete in seinen Briefen oft Redewendungen und Hinweise, die ganz der Gedankenwelt des Mithra entstammen. Kennen wir doch alle das Wort vom Streiter Gottes, von der Krone der Gerechtigkeit und des Lebens, die zu erringen wir bestrebt sein sollen. Diese und andere Aufforderungen aber finden sich in den ältesten und oft nur für die bereits Eingeweihten bestimmten Liturgien des Mithra.

Der richtige Mithradienst sollte den Menschen zum Träger eines fortschrittlichen Kulturimpulses machen. Die Darstellung der Gottheit, auf einem Stier thronend und diesen eben mit der Lanze treffend, sollte ein Symbol dafür sein, daß die (Stier-) Natur überwunden werden muß. Sie allein genügt nicht mehr zur Erreichung des vollen Menschtums. Zu dem, was der Mensch als göttliches Geschenk erhielt, muß noch etwas aus einer anderen Welt hinzukommen. Dieses aber kann nur durch eigene höchste Anstrengung und Bemühung gefunden und erreicht werden. Der Mensch muß aus einer individuellen Aktivität heraus ein zielstrebiges Wollen entfalten, das seine „Natur“ im Sinne des Geistes umprägt. Jedoch führt ihn die Natur nur bis zu einer gewissen Stufe, von wo er aus eigener Kraft weiter muß. Die Mithragestalt, die den Stier überwindet, symbolisiert den menschlichen Ich-Impuls.

Mit der Tötung des Tieres vollzieht sich gleichzeitig eine geheimnisvolle Verwandlung: aus dem Körper des sterbenden Tieres solien alle Heilkräuter und Pflanzen der Erde kommen, während aus dem Rückenmark das Korn sprießt und aus dem Blute der Weinstock bzw. der Rebensaft hervorgeht. Diese Umwandlung wurde auch oft auf den Altarsteinen in der Form gezeigt, daß der Schweif in ein Aehrenbündel mündet, während unter dem Leib des Tieres ein Krug steht, um das Blut aufzufangen. Oftmals wurden Mithradarstellungen mit dem überwundenen Stier auf den Schultern, ganz ähnlich der christlichen Veranschaulichung des Guten Hirten, ausgeführt. Nur' die phrygische Mütze des Jünglings zeigte den Unterschied der Religion auf. Auch die Darstellung einer Götter-trinität kannte der Mithrakult sowie die Feier eines Kultmahles mit Brot- und Weingenuß.

Die Aehnlichkeit der Mithraliturgie mit der christlichen war auch den Verantwortlichen der Frühkirche bekannt, um so mehr, als die Mithra-anhänger den Sonntag als Fest des Herrn, des Sol invictus, feierten, und den 25. Dezember als Jahrestag der Geburt der Sonne. Nach der Felsengeburt des Mithra sollen Hirten das Kind angebetet haben, das dann später zum Seelenführer wird. Auch der Glaube an sein dereinsti-ges Wiederkommen und die Auferweckung der Toten, die er in Böse und Gute scheiden wird, um mit diesen ein neues Reich des Lichtes aufzubauen, zeigte viele Anklänge an die christlichen Lehren. Die frühchristlichen Kirchenväter sahen dementsprechend in all diesen Parallelen ein teuflisches Machwerk, um die Christen irrezuführen. Der ungeheuren Verbreitung des Mithrakultes trat erst Kaiser Konstantin entgegen, der auch der Kirche durch das erste Toleranzedikt von 311, dem noch weitere folgten, zum endgültigen Sieg verhalf. Während andere heidnische Bräuche bereits verboten wurden, war die Ausübung der Mithraliturgie aber noch immer gestattet. Erst 377 kam es zum endgültigen Niedergang, als die Mithraheiligtümer in ganz Rom zerstört wurden.

Um so bedeutsamer waren die wenigen Entdeckungen von Mithrahöhlen und Votivsteinen, die Anhänger dieser Religion dem Sol invictus in unserem Gebiet weihten. Um einen Votiv-altarstein handelt es sich auch bei dem letzten Fund Dr. Ohrenbergers im Burgenland. Die Inschrift auf dem Spiegel des Steines erzählt uns, daß ein Soldat der XIV. Legion, die zu Beginn des 3. Jahrhunderts in Pannonien stationiert war, diesen Votivstein „votum solvit laetus libens merito“, also freudig und gerne widmete. Wem diese Widmung galt, ersehen wir aus den eingemeißelten Buchstaben am obersten Rand des Gesimses: „D. I. M.“, Deo invicto Mithrae. Ganz oben ist noch eine Mulde ausgehöhlt, die zum Opfern bestimmt war. Der Stein, sehr gut erhalten, fand sich bei der erstmaligen Pflügung der sogenannten „Hutweide“ des Dorfes Illmitz durch einen der Pächter, denen das Stück Land zur Rodung gegeben worden war. Auf dem gleichen Pachtgrund — und nur an dieser Stelle, die die tiefstgelegene des ganzen Gebietes ist — kamen unzählige Scherben von römischen Dachziegeln und keramischen Gefäßen zum Vorschein, so daß die Vermutung naheliegt, hier könnte ein Heiligtum gestanden sein. Das Landesmuseum sieht sich nun vor die Aufgabe gestellt, dieses Terrain sorgfältig zu erforschen und durch Grabungen vielleicht eine ganze Mithrahöhle mit den verschiedenen Kultsteinen freizulegen, um durch die verschiedenen Inschriften den genauen Zeitpunkt und die Menschen zu bestimmen, die in unserer Heimat dieser aus dem Osten stammenden Religion huldigten.

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