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Der vielgewandte König

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MAX I. JOSEPH VON BAYERN - PFALZGRAF, KURFÜRST, KÖNIG. Von Adalbert Prinz von Bayern. Verlag F. Bruckmann, München. 892 Seiten mit 16 Abbildungen und 4 Stammtafeln

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MAX I. JOSEPH VON BAYERN - PFALZGRAF, KURFÜRST, KÖNIG. Von Adalbert Prinz von Bayern. Verlag F. Bruckmann, München. 892 Seiten mit 16 Abbildungen und 4 Stammtafeln

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Dem Obersten im Regiment „Royal Alsace", Max Joseph Pfalzgrafen von Zweibrücken, „Kadett" einer pfälzisch-wittelsbachschen Seitenlinie, war es nicht an der Wiege gesungen worden, daß er einst als erster König das zum größten deutschen Mittelstaat aufgestiegene Bayern regieren werde. Noch standen, als er — 1756 — zur Welt kam, in seiner eigenen Linie ein Onkel und sein älterer Bruder vor ihm. Dem erst 32jährigen Kurfürsten Karl Theodor von der Pfalz konnte leicht noch ein Sohn geboren werden. Auch der Kurfürst von Bayern war verheiratet und noch jung. Eine ganze Reihe von fördernden Umständen war also notwendig, um Max Joseph an die erste Stelle zu bringen — aber sie traten ein.

Das Regiment „Royal Alsace" galt als besonders vornehm. Seine Dienstsprache war übrigens das Deutsche, und soweit die Offiziere Franzosen waren, mußten sie ihre Namen verdeutschen. Hatte doch Ludwig XIV. Deutsch als eine der. Sprachen seines Reiches bezeichnet. Man dachte unter dem Lilienbanner sowenig „national-französisch", wie unter der römisch-deutschen Kaiserkrone „national-deutsch“ oder unter der Stephanskrone — jener Tage — „national-madjarisch“. Die Uniform war dekorativ, der Dienst gemächlich. Man war den größten Teil des Jahres auf Urlaub und konnte sich für den Rest selbst beurlauben. Den freien Lebensfuß seiner französischen Offizierszeit hat Max Joseph bis an sein Lebensende geschätzt. Es ist merkwürdig und ein Zeichen vielfacher natürlicher Gaben, daß ein so wenig vorgebildeter und arbeitsamer fürst für sein Haus so große Erfolge erzielte.

Als Max Joseph in den Dreißigerjahren war, setzte die Französische Revolution Europa in Flammen, die erst nach mehr als 20 Jahren gelöscht wurden. Ein verwirrtes und verwirrendes politisches und militärisches Geschehen erfüllte diese Zwischenzeit. Das Heilige Römische Reich versank, die großen Reichsstände fraßen die kleinen, die weltlichen Reichsstände fraßen die geistlichen. Eine Kriegswelle nach der anderen erfaßte zunächst die Pfalz, die später ganz verschwand, überschwemmte Bayern. Sieg und Niederlage wechselten von den ersten Feldzügen Erzherzog Karls bis zur Schlacht bei Hanau und dem letzten Winterfeldzug in Frankreich. Bald saß Max Joseph, erhöht, als Haupt, dann als König eines ver größerten Staates, in seiner Residenz, bald Süchte man auf der Flucht eine vorübergehende und sichere Bleibe. Die Aehnlichkeit zwischen Piemont und Bayern im jahrhundertelangen Kampf der großen europäischen Rivalen Frankreich und Oesterreich wird deutlich. Man kann nicht sagen, daß sich beide gegen ihren jeweiligen bayrischen Bundesgenossen, wenn es not tat, rücksichtsvoll erwiesen hätten. Doch war das französische Interesse naturgemäß begründeter und daher konsequenter als das Oesterreichs, auf dessen „Weg ins Reich" ' Bayern als. hinderliche und nicht zu verachtende Militärmacht lag. Eine Neutrajität in solchen kontinentalen Auseinandersetzungen konnte es nicht geben. So focht man bei dem jeweils Stärkeren und wurde niemals müde, nach dem Siege einen mehr als angemessenen Preis für seine Hilfe einzufordern. Max Joseph hat übrigens Napoleon persönliche Sympathie entgegengebracht und später noch mehrfach bedauert, daß dieser nicht „nach Tilsit aufgehört habe“. Und Tilsit war nicht am Gipfelpunkt der bayrischen Vergrößerung. Aber es ging alles gut. Noch vor Leipzig wechselt Bayern zu den Verbündeten hinüber, und nun, da kein vielvermögender Freund mehr im Westen stand, Bayern von einer nach dem Reich gewandten Ausdehnung Oesterj-eichs nicht mehr bedroht sein konnte, kam eine dauerhafte bayrischösterreichische Freundschaft. An die Stelle der bona- partischen Familienverbindungen traten wieder die habsburgischen. DieSe Freundschaft wurde im Jahre 1866 bekräftigt und auch später nicht mehr getrübt. Der „späte“ Max Joseph, der das von den Alpen bis zum Main erweiterte Bayern regierte, hatte durch Zähigkeit, Geduld, diplomatische Geschmeidigkeit, klare Abschätzung der jeweiligen Lage, unterstützt von großer natürlicher Urbanität, erwiesen, daß Talent nützlicher ist als Genie.

Das durch viele persönliche Zeugnisse von Zeitgenossen belegte, tief in den Gegenstand eindringende Buch läßt das politische und persönliche Bild des Königs, das für die deutsche Geschichte des vergangenen Jahrhunderts von Bedeutung ist, klar erstehen. Es ergänzt sich sinnvoll' mit dem Werk des gleichen Autors über' Eugėne Beauharnais, den Schwiegersohn Max’ I. Joseph, und sollte mit diesem zusammen gelesen werden

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