niederwalddenkmal - © Foto: iStock/ollo

Deutsches Reich und Pariser Kommune: Germania versus "Internationale"

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Der deutschen Reichsgründung von 1871 folgte eine kontroverse Erinnerungskultur: Auf der einen Seite ein Germania- und Bismarck-Kult, konträr dazu entstand im Jahr der Kaiserproklamation aber auch die Hymne der internationalen Arbeiterbewegung.

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Der deutschen Reichsgründung von 1871 folgte eine kontroverse Erinnerungskultur: Auf der einen Seite ein Germania- und Bismarck-Kult, konträr dazu entstand im Jahr der Kaiserproklamation aber auch die Hymne der internationalen Arbeiterbewegung.

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Im Hintergrund der Versailler Kaiserproklamation am 18. Jänner 1871 feuerten Krupps Kanonen gegen Paris, die Stadt musste sich am 28. Jänner ergeben. Die Friedenspräliminarien vom 26. Februar sahen die Angliederung von Elsass-Lothringen als Reichsland und eine Kriegsentschädigung von fünf Milliarden Franken vor, bestätigt im Frankfurter Frieden am 10. Mai. Dazwischen lag das ganz Andere, Neue – der Widerstand der Arbeiterselbstregierung der Kommune von Paris vom 18. März, zugleich das Modell einer besseren Gesellschaftsordnung, in der Gemeinschaft der Völker und Nationen.

Ein „tausendjähriges Reich“ kündigte der „Reichsherold“ Emanuel Geibel pathetisch an. Selbst der alte 48er-Revolutionär Freiligrath dröhnte im siegestrunkenen Chor sein „Hurra, Germania!“. Unzeitgemäß fürchtete Nietzsche den „Kampf gegen die Kultur“, „die Exstirpation des deutschen Geistes zugunsten des ,deutschen Reiches‘“. In der Tat: Dieses Reich war nicht universal, die gewaltsame Einigung erhob sich über der Niederlage der Demokratie. Die Föderation von 22 großen und kleinen monarchischen Staaten und der drei Hansestädte stand unter der schwarz-weiß-roten preußischen Hegemonial- und Militärmacht, die sich mit Nationaldenkmälern überhäufte.

1877 legte Kaiser Wilhelm den Grundstein zum Niederwalddenkmal, „zur Erinnerung an die Wiederaufrichtung des Deutschen Reiches“, hoch über Rüdesheim am Rhein. Das wehrhafte Riesenweib Germania, 12,5 Meter hoch, von Johannes Schilling aus Dresden, gegossen in München, hebt die virtuelle Reichskrone mit zornigem Blick über den „deutschen Schicksalsstrom“ gen Westen. Die Krone, mit Bügel und Kreuz der alten Reichskrone nachempfunden, blieb ein Symbolkonstrukt und gelangte mitsamt der Germania auf die Briefmarken des Deutschen Reichs. Ein Relief mit 133 lebensgroßen Figuren zeigt den Kaiser, Fürsten und Heerführer, die „Heldengestalten“ Bismarck und Moltke voran.

Eine Anarchistengruppe mit dem Schriftsetzer August Reinsdorf an der Spitze hat 1883 ein Dynamitattentat auf die zur Denkmalweihe angereisten Fürsten einschließlich Kaiser Wilhelm geplant, Zeichen der durch das Sozialistengesetz verschärften Konflikte dieser Jahre. Die Germania, als patriotisches Ausflugsziel einst mit Zahnrad-, heute Gondelbahn erreichbar, kostete 1,2 Millionen Mark, war zugleich eine Musterkarte der deutschen Metallurgie, die in den Gründerjahren einen unerhörten Aufschwung nahm.

Monumente für Wilhelm I.

Nach dem von Wilhelm II. erzwungenen Rücktritt des Reichskanzlers (1890) gestaltete der Berliner Architekt Bruno Schmitz im letzten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts die Monumente für Wilhelm I., nach dem Willen des Enkels Wilhelm II: „Wilhelm der Große“ – an der Porta Westfalica, am Kyffhäuser und am Zusammenfluss von Rhein und Mosel in Koblenz. Hier, am Deutschen Eck (so genannt wegen der alten Komturei des Deutschen Ordens), zeigte sich die Problematik der kriegerischen Entstehungsgeschichte des Reichs am deutlichsten: Das kriegsbeschädigte Denkmal fungierte 1953–1990 als Mahnmal der deutschen Einheit unter der schwarz-rot-goldenen Fahne, bis es 1993 wieder der umstrittene, gigantomane Reiter besetzte.

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