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Deutschlands „zweiter Apostel“

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Welche Frucht erwartet und ersehnt von uns Jesuiten das dreimal .unglückselige Deutschland, für das uns Gott als Arbeiter in seinem Weinberge bestimmt zu haben scheint, auf daß unser Licht leuchte inmitten eines verderbten Volkes, das nicht nur wegen seiner Laster, sondern auch wegen der Häresie, die es umstrickt, unser größtes Mitleid verdient? Wir dürfen daher nichts unversucht lassen, was geeignet sein könnte, die verirrten Schafe zu ihrem Hirten und zu seinem Schafstalle zurückzuführen.“ Der Mann, der diese Worte am 1. März

1560 an den Rektor des Wiener Jesuitenkollegs schrieb, war Petrus Canisius, der wenige Jahre vorher nach Österreich gekommen war und am 9. März 1552, also vor nunmehr 400 Jahren, zum ersten Male den Boden Wiens betreten hatte.

Canisius, am 8. Mai 1521 in Nymwegen geboren und vom seligen Peter Faber als erster Deutscher in die Gesellschaft Jesu aufgenommen, hatte schon in jungen Jahren die Gewißheit, daß er zum Apostel der deutschen Lande berufen sei. Als er zu Rom im Alter von 28 Jahren in die Hände des Ordensstifters, des heili gen Ignatius von Loyola, die feierlichen Ordensgelübde abgelegt hatte, war es dem jungen Priester, als ob ihm die Apostelfürsten selber ihren Segen erteilten und seine Sendung nach Deutschland bestätigten.

Diese Überzeugung hat den Grundzug seines ganzen Wesens, den ungeheuren Lebensernst nur vertiefen und verstärken können. Schon als Knabe war er, wie er selbst berichtet, von der Furcht Gottes so ergriffen, daß er an dem tollen Faschingstreiben in Köln keinen Gefallen finden konnte. Und wie er schon in seiner Jugend von den geheimen Gerichten des Herrn zitterte,f so sieht er auch später wieder im Gebete die schreckhafte Erscheinung Gottes, der sich anschickte, die Pfeile seines Zorns gegen seine Feinde zu schleudern. „Der Herr Jesus möge einmal diesem ganz verderbten Zeitalter Maß und Ziel setzen, zum Beispiel so, wie es in England durch eine Frau, gleichsam eine zweite Judith, geschehen; so mögen durch unsere katholischen Fürsten die pestbehafteten Menschen ausgejagt, die Irrlehren beseitigt werden."

Eine solche Sprache erscheint uns heute allzu hart, und sie kann auch nur aus den damaligen Zeitverhältnissen heraus verstanden werden. Sosehr aber dem Heiligen die sachliche Gegnerschaft, ja der aktive Kampf heilige Pflicht ist, so weiß Canisius doch Person und Sache zu scheiden und steht nicht an, seine eigenen Mitbrüder zu ermahnen, sie sollten nicht immer mit Härte gegen die .evangelischen Deutschen Vorgehen wollen.

Diese Härte sollte, so wie die äußere Gewaltanwendung, nur dort geübt werden, wenn es galt, die treugebliebeneh Katholiken gegen Vergewaltigung zu schützen; die Irrenden aber bekehren und zum wahren Glauben zurückführen, konnte nur ein Seelsorger, dessen rastlose Arbeit und unbegrenzte Opferbereitschaft auch heute noch in Erstaunen setzen.

Es sind vor allem die folgenden Arbeitsgebiete, auf denen der Heilige gerade auch in Österreich seine ganze Kraft einsetzte: der Glaubensspaltung einen Damm entgegenzustellen und zugleich auch das Fundament zum Neuaufbau des Katholizismus in unserer Heimat zu legen.

.Dadurch, daß Canisius diese Aufgaben gelöst oder ihre Lösung wenigstens angebahnt hat, tot er der Apostel Deutschlands geworden, der damit auch die Voraussetzungen zur späteren Gegenreformation geschaffen hat.

In erster Linie galt es, das Nachwuchsproblem für den katholischen Klerus zu lösen und durch die Errichtung und Leitung der hohen und niederen Schulen den Einfluß auf die studierende Jugend des Adels und des höheren Bürgertums zu verstärken. Es ist daher fast symbolhaft, daß der spätere Kirchenlehrer seine Tätigkeit in Wien als akademischer Lehrer an der theologischen Fakultät beginnt, einer Bildungsstätte, die seit dem Ausbruch der Reformation von ihrer einstigen Höhe herabgesunken war und die durch den Jesuitenorden später zu neuer Blüte erweckt werden sollte. Die zehn Hörer der theologischen Fakultät, die Canisius vorfand, belehrten ihn durch ihre Zahl und ihre unzulängliche Ausbildung sehr eindringlich, daß es mit der akademischen Lehrtätigkeit nicht getan sei, daß man tiefer graben und an die Errichtung von Gymnasien und Konvikten denken müsse. Die großen Jesuitenkollegien in Wien, Prag und Innsbruck verdanken denn auch ihm ihre Entstehung.

Neben der akademischen Lehrtätigkeit für die Theologiestudierenden der Wiener Diözese und die Studenten seines eigenen Ordens sah dann Canisius vor allem die Ausübung des Predigtamtes als seine Hauptaufgabe an. Während der Klerus damals vielfach predigtmüde war und daher nur ungern oder überhaupt nicht mehr predigte, fiel dem Heiligen bei seiner außerordentlichen Rednergabe die Verkündigung des Wortes Gottes schon von Natur aus sehr leicht. Er hatte daher bereits in Ingolstadt den .kalten Predigten“ der dortigen Seelsorger seine Predigtweise entgegengestellt, mit der er in seiner leichten, gewinnenden und zu Herzen gehenden Art die Zuhörer so zu packen verstand, daß er schon sehr bald von außergewöhnlichen Erfolgen berichten konnte. Auch in Wien übte der Heilige die Predigttätigkeit aufs eifrigste. Er war Hofprediger bei Kaiser Ferdinand, er hielt regelmäßig die Sonntagspredigten in der Kirche Maria am Gestade, er predigte als Ver-@@@

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