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Die „Ehescheidung“ der Margarete Maultasch

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In verschiedenen Aufsätzen der letzten Zeit über die Vereinigung Tirols mit Österreich wird auf die Ungültigkeitserklärung der ersten Ehe der Herzogin Margarete Maultasch hingewiesen und dabei mehrfach von einer „Ehescheidung“ gesprochen. Es erscheint zweckmäßig, der Vorgeschidne und den Gründen für diese Ungültigkeitserklärung nachzugehen.

Im Jahre 1310 hatte Heinrich von Kärnten-Tirol, der seit 1307 als Gemahl der Schwester Anna des letzten Premys-liden Wenzels HL, König von Böhmen war, wegen seiner Verschwendungssucht weichen müssen, und Elisabeth, die andere Schwester Wenzels, war von Kaiser Heinrich VII. als Königin anerkannt und mit seinem Sohne Johann von Luxemburg verheiratet worden. Im Jahre 1330 wurde nun auf den Vorschlag König Johanns, um Tirol seinem Hause zu sichern, ein neunjähriger Sohn Johann von Mähren mit der zwölfjährigen Margarete Maultasch, der Tochter König Heinrichs verheiratet.

Jetzt suchte sich Kaiser Ludwig der Bayer, der 1324 die freigewordene Mark Brandenburg seinem Sohne Ludwig verliehen hatte, die Wege zur Erweiterung seiner Hausmacht auch nach Süden durch Erwerb des reichen Tirols zu ebnen. Er versprach Otto von Österreich, ;hn nach dem Tode König Heinrichs mit Kärnten zu belehnen, wogegen dieser sich verpflichtete, ihm zum Erwerb von Tirol behilflich zu sein. Als dann Heinrich 1335 starb, belehnte er die Herzöge von Österreich mit Kärnten, während er Tirol seinem Sohne Ludwig vorbehielt, wenn er auch dann, nachdem König Johann auf Kärnten verzichtet hatte, dem jungen Johann Tirol unter dem Vorbehalt bestätigte, daß das Land, falls er kinderlos stürbe, an das Reich zurückfalle.

Inzwischen hatten sich die Verhältnisse in Tirol mehr und mehr zugespitzt. Die Ehe des jungen Paares war von Anfang an unglücklich. Schon als Knabe, noch mehr als Jüngling, wollte Johann von seiner Gattin wegen ihrer Häßlichkeit nichts wissen; er kannte für sie nur Verachtung, Schmähungen und Roheiten und wandte sich anderen Frauen zu. Sie suchte Ersatz für ihre verschmähte LieDe in eifrigen Studien und der Hingabe an die Politik und fand hiebei bald Rückhalt an dem Tiroler Adel. Dieser war erbittert über die Sparsamkeit Johanns und die landfremden Beamten aus Böhmen und Mähren, beschloß schließlich, Johann zu vertreiben und wandte sich deshalb an den Kaiser. Dieser sah jetzt den Augenblick gekommen, Tirol an das Haus Wittelsbach zu bringen: Sein Söhn Ludwig von Brandenburg, der eben Witwer geworden war, sollte Margarete heiraten.

Als Johann am 2. November 1341 von einem Jadzug heimkehrte, fand er das Schloß Tirol verschlossen und seine böhmischen Mannen vertrieben. Auf seine Aufforderung, die Tore zu öffnen, wurde ihm, angeblich von Margarete selbst, zugerufen, er solle sich eine andere Herberge suchen. Auch die übrigen Schlösser verweigerten ihm die Aufnahme. Uberall scholl ihm Spott und Gelächter entgegen. So mußte er mit Schande bedeckt, Tirol verlassen und fand schließlich bei dem Patriarchen von Aquileja Obdach.

Nun war der Weg zur Verwirklichung der kaiserlichen Pläne offen. Aber der geplanten Heirat stand die gültig geschlossene Ehe Marjaretens mit Johann entgegen. Sie war freilich nie vollzogen worden Eine solche Ehe war zwar lösbar, aber — das stand unzweifelhaft fest — die Lösung konnte nur durch den Papst erfolgen, wenn gute “Gründe vorlagen. Dazu kam weiter noch, daß Margarete und Ludwig von Brandenburg durch eine gemeinsame Urgroßmutter im dritten Grade blutsverwandt waren; und von diesem trennenden Ehehindernis konnte wiederum nur der Papst dispensieren.

Mit einer solchen Bitte konnte sich jedoch der Kaiser nicht an den Papst wenden. Im Kampf mit Johannes XXII. um das Reichsvikariat in Italien hatte er sich 1327 trotz Bann und Interdikt in Rom von einem gebannten Bischof salben und vom S'tadtpräfekten im Namen des römischen Volkes zum Kaiser krönen lassen, weiter den Papst als Irrlehrer für abgesetzt erklärt und schließlich einen Gegenpapst ernannt, Von dem er sich zur Vorsicht nocheinmal krönen und den rechtmäßigen Papst bannen ließ. Waren bei diesem machtpolitischen Kampfe die Mehrzahl der deutschen Fürsten auf der Seite Ludwigs gestanden, so ging jetzt bei dem Bekanntwerden der kaiserlichen ' Ehepläne ein Sturm der Entrüstung durch ganz Europa. Denn jetzt handelte es sich nicht mehr um eine machtpolitische Frage, sondern um einen unerhörten Angriff auf die unbestrittene geistliche , Autorität des Papstes in einer rein innerkirchlichen Angelegenheit.

Trotz der Drohung mit Bann und Interdikt zog Ludwig mit glänzendem Gefolge geistlicher und weltlicher Größen zur Hochzeitsfeier nach Tirol. Der gebannte Bischof von Freising, der bereit war, die frühere Ehe Margaretens zu lösen und die neW Ehe einzusegnen, starb unterwegs durch Sturz mit dem Pferde, was allgemein als ein Gottesurteil angesehen wurde; keiner der anderen Bischöfe fand sich jetzt bereit. Da wagte es der Kaiser, die Ehe aus eigener Machtvollkommenheit zu lösen, ein für die damalige Zeit ungeheures Vorgehen. Am 10. Februar 1342 fand die Hochzeit statt. Die Verhängung des Bannes über das Herzogspaar und des Interdiktes über Tirol war die Folge. Durch zwei Jahrzehnte lastete das Interdikt auf dem unglücklichen Lande, keine Glocken läuteten, kein öffentlicher Gottesdienst, kein kirchliches Begräbnis fand statt. Als dann gewaltige Dbers-hwemmungen das Land zerstörten, wilde Feuersbrünste in Meran, Innsbruck und Neumarkt aufloderten, riesige Heuschreckenschwärme das blühende Tirol restlos kahl fraßen, da sah alle Welt hierin eine Gottesstrafe für den Ehefrevel des Herzogspaares. Und schließlich kam die Pest, die die Städte und Täler entvölkerte, so daß im Wipptal nur ein Drittel der Bewohner am Leben blieb, in manchen Tälern bis zu fünf Sechstel hinweggerafft wurden.

Durch das -unerhörte Vorgehen hatte sich der Kaiser die Sympathien seiner Anhänger weithin verscherzt. Neben den Luxemburgern waren jetzt auch die Habsburger seine Gegner geworden, nachdem er entgegen seinem Versprechen Ludwig auch mit Kärnten belehnt hatte. Schließlich wandten sich die deutschen Fürsten, die endlich den Frieden mit dem Papst verlangten, von ihm völlig ab, traten 1344 in Verhandlungen über eine neue Königswahl und einigten sich auf den Markgrafen Karl von Luxen,bürg, der 1346 als Karl IV. zum deutschen König gewählt wurde.

1350 kam es dann zur Aussöhnun zwischen Ludwig von Brandenburg und König Karl, der für sich und seinen Bruder Johann zugunsten Ludwigs auf Tirol verzichtete und ihm seine Vermittlung zusicherte, um bei Klemens VII., seinen früheren Erzieher, die Anerkennung der Ehe und die Lösung vom Bann zu erreichen.

Als dann der Sohn Ludwigs und Margaretes, Meinhard III., mit der Tochter Albrechts II. von Österreich verlobt wurde, führte dieser die Aussöhnung mit dem “Papste herbei (1359). Ludwig bekannte vor den päpstlichen Bevollmächtigten seine Vergehen gegen die Kirche und erklärte sich zu jeder Buße bereit. Daraufhin wurde die erste Ehe Margaretens. weil nicht vollzogen, als gelöst erklärt und die zweite Ehe unter Dispens vom Hindernis der

Blutsverwandtschaft wieder eingesegnet ud die vorhandenen Kinder legitimiert. Daraufhin setzte Margarete am gleichen Tage Herzog Rudolf IV. (den Stifter) als Erben Tirols ein für den Fall, daß der kränkliche Meinhard ohne Nachkommen sterben sollte. Dies trat, nachdem Ludwig schon 1361 gestorben war, am 13. Jänner 1363 ein. S'chon am 18. Jänner erschien Rudolf, um den Wittelsbachern zuvorzukommen, am 26. Jänner erklärte Margarete ihn als Herrn des Landes und trat ihm nach der Huldigung durch die Tiroler Stände am 2. September 1363. die Regierung ab. Sie ließ sich in Wien in dem später nach ihr benannten Bezirk Margareten nieder, wo sie am 3. Oktober 1369 im Alter von 50 Jahren starb.

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