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Die Frankfurter Buchmesse 1951

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Der Rahmen: die einheitlich ausgestatteten, hellen Zweckbauten des Messegeländes und die überwältigende Fülle der ausgestellten Bücher machen auch auf den Pessimisten Eindruck, der meint, die Blütezeit des Buches, vor allem des Lesens, sei vorbei. Rund 30.000 Titel von etwa 600 Verlagen wurden gezeigt. 1931 sah man in Leipzig 21.000 neue Bücherj 1915 wurden in Frankfurt 17.000 gezeigt (wobei die Bezeichnung „neu“ im allerweitesten Sinn zu nehmen ist und beispielsweise auch die Neuauflagen einschließt). An zweiter Stelle, nach Deutschland mit 407 vertretenen Verlagen, rangiert Österreich mit 60 Verlagen, dann kommt die Schweiz mit 54, England mit vier und Amerika mit fünf Editionen. Frankreich zeigt eine interessante Sonderschau mit 2000 Bänden, die von 70 Verlagen stammen.

Das äuß ere Bild: Etwa vier Fünftel aller gezeigten Bücher sind in Ganzleinen gebunden. Das entspricht der Nachfrage und der unausrottbaren Vorliebe des deutschen Lesers für das dauerhaft gebundene Buch. Etwa der gleiche Anteil der Bücher ist auf „holzfreiem“ Papier gedruckt, und „blütenweiß“ heißt das Ideal, das freilich von den deutschen Verlagen nur zum Teil verwirklicht werden kann. Hier haben Österreich und die Schweiz einen Vorsprung. In der Ausstattung (Einband, Graphik und Typographie) gibt es natürlich die verschiedenartigsten Stile und Lösungen, doch auf den Schutzumschlägen dominiert die großflächige Buchstabenschrift neben meist hellen Bildern auf dunklem Grund. Der Plakatstil ist im Vormarsch. Daneben gibt es natürlich auch feinste und diskreteste Dünndruckausgaben in einfarbigem, flexiblem Ganzleinen mit ebenso dezentem Schutzumschlag. Und daneben wieder, in der Ausstattung von Drei-Groschen-Romanen und Bahnhofsschmökern: Rohwohlts Taschenbücher (die Nachfolger von RoRoRo: Rowohlts Rotations-Romanen) mit einer zu etwa achtzig Prozent ausverkauften Gesamtauflage von zwei Millionen Stück: erstklassige deutsche, französische und angelsächsische Autoren zu DM 1.80 der Band (zirka elf österreichische Schilling). Doch kann sich das broschierte Buch im allgemeinen nicht durchsetzen. Auch ein anderer Verlag hat einen Versuch gemacht, vorläufig nur mit einigen Bänden, Peter Suhrkamp mit den schönen und billigen Pappbänden der Suhrkamp-Bibliothek. Die Umstellung auf das geschmackvoll broschierte Buch und den Pappband scheint fast unvermeidlich angesichts der Papier- und Herstellungspreise, die seit der Vorkriegszeit um 350 beziehungsweise 150 Prozent gestiegen sind, während der Ladenpreis der Bücher nur um etwa 75 Prozent anstieg.

Aus der fast unübersehbaren Zahl der Titel nur einige Proben: die mehr- und einbändigen Lexika des Herder-Verlages mit einer besonders preiswerten einbändigen Jubiläumsausgabe, Kröners Taschenausgaben philosophischer, historischer und lexikographischer Werke, nobel ausgestattete Übertragungen von Claudel, Bernanos, Jammes und Kierkegaard im Jakob - Hegner - Verlag, die Musikbücher des Züricher Atlantis-Verlages, die dekorative Reihe der Berglandbuchklassiker, die sehr erfolgreiche Autobiographie von Ferdinand Sauerbruch („Das war mein Leben“), mehrere neue Dwinger-Romane, Kurt von Tippeiskirchs „Geschichte des zweiten Weltkriegs“ und „Hitlers Tischgespräche“ im Athenäumverlag, eine schmucke Reihe neuer Gottfried-Benn-Bände des Limes-Verlages, ein nachgelassener Roman Ernst Wiecherts („Der Exote“), Stefan Andres „Sintflut'-Trilogie, die beiden Schlußbände der „Thibaults“ (Sommer 1914 und Epilog) des Nobelpreisträgers Martin du Gard im Zsolnay-Verlag und ein neuer Sven Hedin bei Brockhaus („Menschen, denen ich begegnete“).

Nicht nur durch die relativ starke Beteiligung der ausländischen Verlage, sondern vor allem durch ihre „ranggleiche“ Einordnung unter die Stände der deutschen Kollegen gewinnt die Frankfurter Buchmesse einen internationalen — das heißt hier: kulturvermittelnden, völkerverbindenden Aspekt. Als Zeichen dieser Gesinnung, zu der in Ansprachen und Vorträgen im Rahmen der Messe immer wieder aufgerufen wurde, ist auch die Verleihung des vom Börsenverein deutscher Verleger gestifteten „Friedenspreises des deutschen Buchhandels* an Albert Schweitzer anzusehen, der die Summe von 10.000 DM — darin erkennen wir den großen Menschenfreund wieder! — sofort an notleidende deutsche Schriftsteller und Flüchtlinge weitergab.

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