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Die Gründung des Bistums Linz

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In der Vita Severini (Kap. 30), die wir - Eugippius verdanken, ist schon von einem Bischof zu Lorch die Rede, Constantius war sein Name. Doch zwischen dem alten Bistum Lauria- cum und der neuen Diözese Linz liegt ein tiefer Graben von mehr als 13 Jahrhunderten.

Schon im ausgehenden Hochmittelalter hatten unter den Babenbergern Bemühungen um ein von Passau unabhängiges österreichisches Kirchenwesen eingesetzt. Sie waren immer wieder mit mehr oder weniger Geschick aufgegriffen worden. Erst unter Kaiser Joseph II. war diesen Bestrebungen ein Erfolg beschieden — allerdings ganz aus dem Geiste des Staatskirchentums heraus. Die Bischöfe von Passau hatten zwar ihr Bistum in ein Offizialat unter der Enns (Amtssitz Maria-Stiegen in Wien) und ob der Enns (Amtssitz Passau) geteilt. Jedoch auch dadurch waren auf die Dauer die unnatürlich exzentrischen Verhältnisse nicht wesentlich geändert. Joseph II. fühlte sich, seiner Eigenart gemäß, nun dazu berufen, auch in diesem Punkte Wandel zu schaffen, und hat damit der Kirche sicher einen guten Dienst erwiesen.

Doch es mußte auch der Wiener Hof, der gewiß nicht von allzu vielen Hemmungen gestört war, manche Rücksicht nehmen. 1763 war in Passau auf Empfehlung der Kaiserin durch das Domkapitel Leopold Ernst Graf von Firmian, der zuvor schon Bischof von Seckau gewesen war, zum Fürstbischof erwählt worden. In seiner Gesinnung war er durchaus auch den aufklärerischen Ideen jener Tage zugetan. Als der Kaiser 1780 allein die Regierung antrat, konnte er also doch nicht einfach über den Kopf Firmians hinweg dessen Bistum aufteilen. Der Bischof aber war bereits alt und kränklich; darauf hoffte man nun.

So wurden unter möglichster Geheimhaltung schon im Sommer 1782, also im gleichen Jahr, in dem der Fürstbischof zur Würde eines Kardinals erhoben wurde, aufs' genaueste alle Vorbereitungen für den Fall seines Todes getroffen. Tatsächlich wartete man nicht umsonst. Denn bereits am 5. März 1783 stellte sich beim Kir- cherifürsten eine Unpäßlichkeit ein und sein Gesundheitszustand wurde von Tag zu Tag, ja Schließlich von Stunde zu Stunde schlechter. Während der Kardinal noch mit dem Tode rang, erteilte der Oberste Hofkanzler, Franz Anton Graf Kolowrat, an die Landeshauptmannschaft ob der Enns entsprechende Weisungen. Unverzüglich nach dem Ableben des Fürst-bischofs sei die Abtrennung der österreichischen Länder einschließlich des erst kurz zuvor gewonnenen Innviertels von der alten Diözese Passau durchzuführen. Gleichzeitig seien sämtliche in Oesterreich liegenden Güter Passaus zu beschlagnahmen.

Kaum hatte um die dritte Morgenstunde des 13. März Kardinal Firmian seine Augen für immer geschlossen, stieß auch schon der Bote mit seinem Kahn vom Ufer ab und brachte die ei sehnte Trauerbotschaft nach Linz. Jetzt war also der Fall X eingetreten. Schlagartig setzten die Ereignisse ein. Landeshauptmann Christoph Graf von Thürheim teilte unverzüglich dem Passauer Offizial für das Land ob der Enns folgendes mit: Auf Befehl des Kaisers ist Oesterreich ob und unter der Enns von der Diözese Passau für immer getrennt und wird eigene Bischöfe erhalten; die passauerische Gerichtsbarkeit ist mit sofortiger Wirkung im österreichischen Territorium eingestellt und außerdem sind die Güter des Hochstiftes und des Domkapitels Passau eingezogen. Landrat Valentin Eybl übernahm sogleich als Kommissär die Verwaltung der Passauer Besitzungen im Lande ob der Enns. Mit einer für die Bürokratie überraschenden Schnelligkeit wurde bereits am 15. März der Passauer Offizial für das Land unter der Enns, Weihbischof Ernst Johann Graf von Herberstein, zum Bischof von Linz ernannt. Die Stadtpfarrkirche wurde zum Dom bestimmt und der Kremsmünsterer Hof kurzerhand als bischöfliches Palais angewiesen. Doch die Sache ging nicht so einfach, wie man es sich vielleicht mancherorts vorgestellt hatte. Man schuf ein Fait accompli, und es dauerte einige Zeit, bis die entstandene Wellenbewegung wieder geglättet werden konnte.

Hartnäckig und zäh, jedoch auch schwankend und unsicher, war, der Widerstand Passaus. Man war sich dort eigentlich sehr rasch des Ernstes der Lage bewußt geworden und schickte nun nach allen Seiten hin Hilferufe aus. An den Salzburger Fürsterzbischof, Hieronymus Franz Graf Colloredo, schrieb das Domkapitel, an die geistlichen Kurfürsten von Mainz, Köln und Trier wandte man sich sowie an die Bischöfe von Hildesheim, Speyer, Wurzburg und Eich- Stätt., Die Antworten waren zwar .sehr freunde, lieh, kamen aber döch im ' Wesentlichen dätaür hinaus, daß sie trösteten, der neuzuerwählende Bischof werde sicherlich mit dem Kaiser die Angelegenheit ordnen können. An diesen hatten sich aber die Passauer ja auch selber schon gewandt, ihn an seine Gerechtigkeitsliebe erinnert, auf die Reichsverfassung, den Westfälischen Frieden, die Wahlkapitulation und die Abmachungen anläßlich der Gebietsabtrennung und Palliumverleihung von 1728 verwiesen. Zugleich aber versicherten sie ihre grenzenlose Ergebenheit gegenüber dem durchlauchtigsten Erzhaus. Alles umsonst. Joseph II. war vonseinen diesbezüglichen Souveränitätsrechten überzeugt und erklärte den Bittstellern, daß es seine heilige Verpflichtung sei, für die Untergebenen in jeder Hinsicht zu sorgen.

So setzte man denn noch die letzte Hoffnung auf den neuen Bischof, dessen Wahl am 18. Mai in Passau stattfand. Aus dem ersten Wahlgang ging bereits Joseph Franz Anton, Graf von Auersperg, bisher Bischof .von Gurk, als gewählt hervor. Er führte nun langwierige und umständliche Verhandlungen mit dem Wiener Hof. Aber auch sein persönlicher Besuch beim Kaiser hatte nicht den gewünschten Erfolg. Das eigene Domkapitel, das zum Teil noch immer nicht einsah, daß jeglicher Widerstand erfolglos bleiben mußte, machte ihm die Aufgabe nichtleicht. Alle Kompromißvorschläge wurden abgelehnt; gerettet werden konnten nur die Pfarreien in der Herrschaft Neuburg bei Passau, die links vom Inn gelegen sind.

Doch auch von anderen Seiten türmten sich Schwierigkeiten auf. Der vom Kaiser ernannte neue Linzer Bischof war zt ar auch von den Ideen des Staatskirchentums und der Aufklärung erfüllt, aber doch so weit auf dem Standpunkt des kirchlichen Rechtes, daß er nicht bereit war, den Dienst in der ihm angewiesenen Diözese anzutreten, bevor diese nicht auch kanonisch durch Rom errichtet war. Das bedeutete für den Hof eine Enttäuschung. Denn man hatte ja nicht unabsichtlich nach einem bereits konsekrierten Bischof bei der Besetzung des neuen Bistums gegriffen, weil man hoffte, auf diese Weise Unannehmlichkeiten aus dem Weg zu gehen. In dem Punkt allerdings hatte man sich mit Herberstein verrechnet.

So wurde nun die österreichische Vertretung beim Apostolischen Stuhl mit entsprechenden Aufträgen versehen. Franz Kardinal Hrzan vorr Harras,1 ebenso wie Leopold' Firmian, am «SGer-i mänikum erzogen, war über das österreichische Auditorial bei der Sacra Rota Romana (als zweiter Nachfolger Colloredos) zum österreichischen Kronkardinal, Kardinalminister und Kardinalprotektor Oesterreichs in Rom emporgestiegen; er genoß in hohem Ausmaß die Gunst der Kaiserin und spielte dann später beim Konklave auf San Giorgio in Venedig eine große Rolle, bis er schließlich unter Kaiser Franz I. als Bischof von Steinamanger auf einen bedeutungslosen Posten abgeschoben wurde. Als williges Werkzeug für die Durchsetzung desStaatskirchentums verstand er es nun, in zäher Ueberwindung aller Querschüsse, die besonders von Passau und Salzburg ausgingen, schließlich doch die päpstliche Bestätigung für die Errichtung der Diözese Linz durch die Bulle „Romanus Pontifex“ vom 28. Jänner 1785 durchzusetzen.

Jetzt erst ließ sich am 1. Mai Herberstein als Bischof von Linz inthronisieren. Dem Bistum Linz wurden schließlich als Dotation die Güter der aufgehobenen Klöster Garsten, Gleink und Mondsee angewiesen. Das Domkapitel erhielt den Besitz von Waldhausen. Freilich nahm bald darnach Napoleon Mondsee für den bayrischen Feldherrn Wrede in Anspruch.

Außerdem erwies sich die Stadtpfarrkirche als für die bischöflichen Funktionen zuwenig geeignet. Daher übersiedelte der Bischof auf Grund eigener Machtvollkommenheit einfach in die benachbarte Jesuitenkirche, für die man nun Ornate aus den aufgehobenen Stiften, das schöne Chorgestühl aus Garsten und die Orgel aus Engelszell herbeiholte. Es blieb dem Gerechtigkeitssinn des Bischofs Franz Joseph Rudigiervorbehalten, wegen des bischöflichen Palais mit dem Stift Kremsmünster ein befriedigendes Abkommen zu treffen.

Die Grenzen des neuen Bistums konsolidierten sich allmählich und stimmen heuzutage beinahe genau mit denen des Bundeslandes Oberösterreich überein. Passau stellte den Löwenanteil des Gebietes. Dazu kommen die Pfarreien des Dekanates Ostermiething sowie Astätt-Lochen und Perwang aus dem Verbände des Erzbistums Salzburg.

Seit der etwas gewaltsamen Gründling des josephinischen Bistums Linz sind mehr als 170 Jahre vergangen. Zwischen den beiden Nachbardiözesen Passau und Linz, zwischen Mutter und Tochter, herrschen längst wieder gute Beziehungen, die unter anderem auch durch Ueberlassung der berühmten Passauer Akten ihren Ausdruck fanden. Das Bistum Linz aber hat unter seinen charakterlich und anlagemäßig so verschiedenen Bischöfen, die seit dem Regierungsantritt Franz Maria Doppelbauers im Jahre 1889 ständig aus dem Lande genommen Kurden, viel Segen gestiftet«,

Lit.: Es wurden vor allem benützt: M. H i p t-, m a i r, Geschichte des Bistums Linz (1865), K. Schrödl, Passavia sacra (1879), K. Eder, Oberösterreichs Kampf um ein Landesbistum, in: Linzer Volksblatt, 1935, Nrn. 71 bis 73, H. F e rill u m e r, Die kirchliche Gliederung des Landes ob der Enns im Zeitalter Kaiser Josefs II. (1952), J. Lenzenwege r, Beilage zur rechtshistorischen Entwicklung der Diözese Linz, in: Oesterreichisches Archiv für Kirchenrecht, 1952, S. 52 bis 64, und R. B1aas, Das kaiserliche Auditoriat bei der Sacra Romana, in: Mitteilungen des österreichischen Staatsarchivs, 1958, S 37 bis 152.

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