6758930-1968_06_11.jpg
Digital In Arbeit

Die Ökumene der Casa de Austria

19451960198020002020

KARL V. Von Otto Habsbur g. Verlag Herold, Wien-München. 439 Selten. S 198.-

19451960198020002020

KARL V. Von Otto Habsbur g. Verlag Herold, Wien-München. 439 Selten. S 198.-

Werbung
Werbung
Werbung

Karl V. ist die beherrschende Gestalt der Weltgeschichte seiner Zeit, zu welcher sein Name in den vier Erdteilen Geltung besaß und im Umlauf war, wie in unserem Jahrhundert der Dollar, dessen Abkürzungszeichen auf das die Säulen des Herkules umschlingende Spruchband mit der Devise plus ultra zurückgeführt wird. Die Hoffnung der Vereinigten Staaten, mit der Hegemonie den dauernden Weltfrieden zu ei reichen, erfüllte sich ebensowenig wie Karls V. Wunsch, die Christenheit zu einigen.

Der erste Grund für das Scheitern seines Lebenszieles lag in der Schwäche der Finanzen. Otto Habsburg, der tiefen Einblick in die Nöte unserer Zeit besitzt, bemerkt: „Der moderne Staat steckt noch im allerersten Anfangsstadium, sollte aber Lasten und Verantwortung tragen, das heißt finanzielle Verpflichtungen übernehmen, die bei weitem alles übersteigen, was mit einer primitiven Organisation und unzureichender Verwaltung von den Untertanen gefordert werden konnte. Alle Übergangszeiten zeichnen sich durch dieses Phänomen aus. Denn die an den Staat gestellten Forderungen wachsen stets viel rascher an als die Mittel, die notwendig waren, sie zu befriedigen. Es ist bezeichnend“, heißt es weiter, „daß ein bedeutender Teil der päpstlichen Einkünfte aus Spanien kam, der König dieses Landes aber nur über die römische Kurie an den Großteil der steuerpflichtigen Beträge herankommen konnte.“

Die vorliegende Biographie, welche das Leben und die Taten des Kaisers verfolgt, untersucht vor allem die Vielfalt der Probleme seiner Zeit, darunter besonders eingehend die Reformation, der volles Verständnis entgegengebracht wird. Wohl wird der Widerstand Roms gegen die Einberufung des Konzils von Trient und dessen dem Wunsch Karls zuwider- laufendes Programm betont, aber auch die Haltung der Kurie verstanden: „Die Kirche widersetzte sich zu lange der Einberufung eines Konzils. Objektiv muß man aber anerkennen, daß diese unselige Haltung mitunter die — durch historische Erfahrungen gerechtfertigte Sorge widerspiegelte, daß Kirchenversammlungen in Krisenzeiten Gefahr laufen, noch größere Verwirrung zu stiften.“ Aber vom Zweiten Vatikanischen Konzil erhofft der Verfasser, daß es letzten Endes zu jenem Ziel führen könnte, das Karl sein ganzes Leben verfolgte.

Der Leser erhält ein Bild von der Bedeutung Burgunds für die europäische Geschichte und Kultur, vom Sinn des Goldenen Vlieses, von Kriegsführung und Kriegskunst, vom Weltreich jenseits des Meeres, vom Finanzsystem, von sozialer Fürsorge, vom Erstarken des Nationalismus und den großen historischen Wechselfällen. In klarer und zugleich schwungvoller Sprache wird in großen Zügen, die alles Wesentliche erfassen, das Für und Wider gegenübergestellt und ein selbständiges Urteil gefällt, wo es nötig ist, überlieferte Lehrmeinungen zu berichtigen.

In den Erinnerungen, die Karl in San Yuste niederschrieb, zeichnete er „seine Gedanken, seine Freuden und sein Mühsal picht auf. Die Erinnerungen des Kaisers könnten von einem uninteressierten Zeugen, einem Beobachter verfaßt sein, der alle Einzelheiten weiß, dessen persönliche Gefühle aber keine Rolle spielen. Der nahezu unmenschliche Abstand dem eigenen Schicksal gegenüber kam aus dam bewußten Bemühen, das Amt vor die Person zu stellen.“ Hier finden wir den Schlüssel nicht nur zur Persönlichkeit Karls V., sondern auch Philipps II. und Franz Josephs.

Vielleicht dachte der Exjesuit und spätere Erzbischof von Wien Graf Sigismund Hohenwart an Karl V., als er die historisch-politische Studie schrieb, welche er dem sechzehnjährigen Thronfolger Franz, als er von seinem Onkel Joseph II. aus Florenz nach Wien berufen wurde, auf den Weg gab. Der Monarch wird, wie er darin lesen sollte, in der Nacht von Sorgen wachgehalten, damit d'ie Untertanen ruhig schlafen können: er hat unermüdlich zu arbeiten, damit diese die wohlverdiente Ruhe genießen. Der Fürst gehört dem Staat und nicht sich selbst an, er ist für jeden Fehler der Beamten verantwortlich, denn er setzt sie ein.

Karl V. widmete sein Leben der Einigkeit Europas. Die Ehe Philips II. mit Maria Tudor versprach die Vereinigung Englands mit den Niederlanden, welche mit der spanischen Monarchie und den österreichischen Erblanden ein Triregnum der Casa de Austria bildend den Frieden Europas gesichert hätte. Die Kinderlosigkeit der Königin von England hat den vor seiner Erfüllung stehenden Plan vereitelt. Die Völkergemeinschaft, welche auf engerem Raum als dem Länderbereich Karls V., in der europäischen Mitte verwirklicht wurde, nahm mit dem letzten regierenden Kaiser ihr Ende, Otto Habsbung blieben die Dornenkrone, die auch auf Franz Joseph lastete, und das Märtyrertum seines Vaters erspart. Er ist glücklich zu schätzen, daß er als freier Mann denken, sagen und schreiben darf, was er will, und dazu auch die nötigen Gaben besitzt, welche von der Enteignung nicht erfaßt werden konnten.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung