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Die östliche Hälfte…

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Der am 10. März 1503 zu Alcalä de Henares geborene einzige Bruder Karls V. ist wie dieser elternlos aufgewachsen. Denn mit drei Jahren verlor er den Vater, Philipp von Burgund, durch den Tod und seine spanische Mutter, Juana, an ein düster-depressives Schattendasein, von dem sie erst 50 Jahre später der Tod erlösen sollte. Während Karl unter der sicheren Leitung seiner Tante, der Kaisertochter Margarete, in den Niederlanden aufwuchs, blieb Ferdinand in Spanien unter dem Schutz seines gleichnamigen Großvaters, der ihm in dem frommen und tüchtigen Franziskaner Cisneros de Ximenes, dem späteren Kardinal-Regenten, den besten Lehrer erwählt hatte. Ferdinand der Katholische hätte diesen Enkel gern an der Spitze Spaniens gesehen, doch entsprach dies nicht dem weitgespannten europäischen Konzept Maximilians und auch nicht den Plänen des schnell heranreifenden Bruders Karl. Deshalb mußte Ferdinand bald nach Karls Kaiserwahl die spanische Heimat verlassen, um sie nie wiederzusehen,, und seine bedeutende humanistische Bildung in den Niederlanden vollenden; dort suchte und fand er sogar nähere Verbindung mit Erasmus und seinen Schülern. Gerade er, der wohl tiefer .als Karl in die westliche Geisteswelt eingedrungen, war nun dazu bestimmt, die Verantwortung für die östliche Hälfte des gewaltigen habsburgischen Weltreiches zuübernehmen.

Denn bald wurde die Teilung des Erbes in sauberen und ernsthaft vorbereiteten Verträgen verbrieft, die Verhandlungen gingen über den berühmten Wormser Reichstag von April 1521 bis zu Anfang 1522, wo man in Brüssel die endgültigen Abkommen traf. Ferdinand, von Haus aus weicher und aufgeschlossener als der Kaiser, war diesem ehrlich zugetan und ließ es nie an echter Gefolgstreue fehlen, um so mehr bedauerte er es, wenn seine politischen Rücksichten in Gegensatz zu den großartigen Intentionen der von ihm zeitlebens verehrten „Sacra Maiestas“ gerieten. Im Zug dieser Konzeptionen geschah auch die nunmehrige Verbindung mit der Jagellonin-Anna, gleichzeitig vermählte sich seine Schwester Maria mit Annas Bruder, dem jungen König Ludwig II. von Ungarn und Böhmen. Die beiden jungen Paare ahnten wohl nicht, daß schon ein Lustrum später der Heldentod des letzten Jagellonen in der Schlacht bei Mohäcs (29. August 1526) Ferdinand die ganze Verantwortung der Verteidigung des Abendlandes wider die Türken auflasten sollte. In der Schule früher politischer Tätigkeit war Ferdinand zu einem Meister im Verhandeln geworden, um einiges konzilianter, geschmeidiger als der Kaiser, wenn auch im Grundsätzlichen von der gleichen Sicherheit wie dieser Im Donauraum standen meist Erb- und Wahlrecht im seltsamen Widerspiel, das der junge Herr der Erblande nun in seine feinen Hände nahm. So erreichte er Anfang 1527 die Krönung in Prag, der bald c’e

„Erbhuldigung“ in Brünn und Breslau folgte, und am Ende des gleichen Jahres die Stephanskrone, übrigens mit der letzten ungarischen Krönung in Stuhlweißenburg. Freilich durchzogen Ungarn bald zwei „Eiserne Vorhänge“, den einen zog Johann Zapolya, der türkische Satellit in Siebenbürgen, und den anderen der Halbmond selbst, der 1529 zum erstenmal mit Erfolg von den Mauern Wiens abgewiesen wurde.

Dabei bemühte sich Ferdinand durch Jahre um einen würdigen Frieden mit der Pforte, seine Angebote wurden aber meist hohnvoll abgewiesen, weshalb an der berühmten „Militärgrenze“ dauernder Kleinkrieg herrschte. Aber dieser hielt den König nicht aus dem „multilateralen“ Verteidigungssystem der kaiserlichen Politik heraus, vor allem dem fast 40jährigen Ringen mit Frankreich, das alle seine Kräfte und Verbindungen — von den protestantischen Fürsten bis zu den türkischen Barbaresken — nutzte, um die „Maison d’Autriche“ zu treffen. Da war der zähe Kampf um Mailand als die Pforte nach Italien, dies alte Reichslehen, das Ferdinand gelegentlich gern gegen seine prekäre Position an der Ostflanke des Reiches eingetauscht hätte. Da galt es, den Kaiser auf vielen Reichstagen zu vertreten und die erste Wucht politischer und religiöser Gravamina aufzufangen und so manche

Frage so „dilatorisch“ zu behandeln, daß die eigene Geduld von den streitenden Parteien mißachtet, oft mißdeutet wurde. Dann mußte die Schwester Maria, die Königinwitwe von Ungarn, die durch 30 Jahre die Niederlande tüchtig und sorglich zu regieren verstand, zwischen den Brüdern gelegentlich vermitteln, zwischen der „Sacra Maiestas“, die immer mehr in Kontinenten dachte, und „Monseigneur“, dem römischen König, dem es nicht minder ernst um seine' Sendung war.

Um den Ausgleich bemüht

Noch einmal konnte Ferdinand dem Kaiser seine tätige Treue in den Kämpfen des Schmalkaldischen Krieges beweisen, dann mußte ihm der vom Verrat der deutschen Fürsten aufs tiefste getroffene Kaiser den Abschluß des Passauer Vertrages und des Augsburger Religionsfriedens überlassen. Und doch blieb ein letzter Rest von Entfremdung, denn über alle „Pacta mutuae successionis" hinaus hätte Karl V. eben doch gern seinen Sohn Philipp als Erben des Gesamtreiches gesehen. Jetzt aber scharten sich die deutschen Fürsten in sel tener Einmütigkeit um den in 25 harten Jahren bewährten „Regenten“ und wählten ihn am 1. Mai 1558 zum Kaiser. Und zwar auch gegen den heftigen Protest des zornmütigen Papstes Paul IV., der in Ferdinand — sehr zu Un recht — einen „Förderer der neuen Häresien“ wähnte. Erst der größer angelegte Pius IV. erkannte ihn offiziell an, und mit ihm gelang nun dem Kaiser Ende 1563 die Wiederaufnahme und endliche, erfolgreiche Beendigung des Trienter Konzils. Seine Bereitschaft zum Entgegenkommen in Randfragen entließ ihn keinen Augenblick aus der Sorge um die Erhaltung des alten Glaubens; in ihrem Dienst gründete er die Universitäten in Innsbruck und Besanęon sowie das berühmte Ferdinandeum in Prag Und zugleich beauftragte er den Niederländer Petrus Canisius mit der Abfassung des katholischen Katechismus und der Förderung eines nach den tri- dentinischen Dekreten theologisch geschulten Priesternachwuchses.

Als sorgender Vater seiner vielen

Länder und schließlich auch des Reiches wurde er bis in seine letzten Tage verehrt; als sorgender Vater seiner eigenen großen Familie traf er die berühmte Erbteilung zwischen seinen Söhnen. Aber die drei Räume der nieder-, inner- und vorderösterreichischen Linien fanden ein Jahrhundert später wieder unter Kaiser Leopold I. zusammen. Sie bildeten miteinander inmitten der schweren gesamteuropäischen

Spannungen doch schon die Grundlage jener österreichischen Staatlichkeit — schon Maximilian hatte ja seinem Enkel ein österreichisches Königtum vom Rhein bis zur Donau schaffen wollen —, die dann nach dem Dreißigjährigen Krieg ihren wunderbaren Ausdruck in der Barockzeit fand. So verdient Ferdinand I. anläßlich seines 400. Todestages schon unser kurzes Gedenken: Er steht vor uns als der treue Helfer seines kaiserlichen Bruders, unermüdlich um den Ausgleich der politischen und religiösen Gegensätze bemüht. Aber auch — und dies vom Hintergrund des Zweiten Vatikanums aus in besonderer Weise — als der Mitvollender des Trienter Konzils, das die religiöse Gestalt der nächsten drei Jahrhunderte bestimmen sollte.

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