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Die Symbiose

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Als noch der Philosoph auf dem Präsidentenstuhle der Tschechoslowakischen Republik, Thomas Garrigue Masaryk, lebte, ist aus Lana das Wort von der „Symbiose”, von der Lebens- und Kulturgemeinschaft der Tschechen und Deutschen gefallen. Dieser Mann, dem die Supernationalen es noch nach seinem Tode übelnahmen, daß er die Königinhofer Handschrift nochmals als Fälschung klassifizierte und den nationalen Romantizismus verwarf, wußte, was das Zusammenleben mit den Deutschen seiner eigenen Nation gebracht hatte. Heute gibt sich die „Lidova demokracie” Nr. 102 höchst aufgeregt, weil sie Spuren einer „Symbiose der Deutschen und Tschechen” entdecken muß. Der Aufschub der „Umsiedlung” habe bei angestelil- ten Untersuchungen ergeben, daß energische Interventionen — gegen die Vertreibung von Deutschen aus ihrem Eigentum — „meist in irgendeinem Verhältnis zwischen Deutschen und Tschechen begründet ist”. Solchen Vorkommnissen in der Tschechoslowakei wird die schreckliche Tatsache an die Seite gestellt, daß Gemeinschaften der Menschen beiderlei Sprache in den bayrischen Flüchtlingslagern gebildet werden. Das Erbe einer gemeinsamen Heimat, in der man Jahrhunderte hindurch gearbeitet hat, kann man eben nicht — evakuieren. Zu enge sind die kulturellen Wechselwirkungen gewesen, und eine der tiefsten blühte aus Glaube und Kirche. Denken die Männer, die tun, als ob sie und ihre Väter und Vorväter auf einem Extraglobus gelebt hätten — um nur von einer der tausend ähnlichen Tatsachen zu reden —, nicht zum Beispiel an jenen Zeitraum vom 14. bis 16. Jahrhundert, in dem die vier Versionen des alttschechischen Spieles der drei Marien handschriftlich aufscheinen, wo ein Šimon Lomnicky z Budče eine Erneuerung des deutschen Marienspieles unternahm und sich in enger Verbundenheit mit den einzelnen deutschen Osterspielen, mit dem Egerer Fronleichnamsspiel bewegte? Dies bezeugt nicht etwa ein Deutscher, sondern der Tscheche J. M a c h a 1 in seiner Publikation „Staro- českž skladby dramatickd”, 1908! Und ist unter vielen anderen auch Karl Egon Ebert schon vergessen, der fern aller völkischen Engblicke das tschechische Thema vom Mägdekrieg in seinem Epos „Wlasta” bearbeitete und „Bretislav und Jutta” schrieb?

Wie wäre es — will man schon vergessen, was man der vielhundertjährigen Gemeinschaft verdankt —, wollte man einmal dorthin sehen, wo nach dem bekannten Hohnworte aus der Zeit nach dem ersten Weltkriege bald Gras wachsen sollte — nämlich

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