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Die Uslcok en von Acngg

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Während der kühlen Jahreszeit Ist Zengg der unzugänglichste Adriahafen. Diesem unbeschreiblichen Wehen vermag kein Dampfer zu trotzen. Sand-, Schlamm-, Schaumfontänen entsteigen den Meeresschlünden, erheben sich mit ungeheurer Schnelligkeit zu Turmeshöhe, um wasserfallgleich auf unglückliche Schiffsopfer niederzuprasseln, die es wagen, der heimtückischen Bucht zu nahen. Nein, das einst berüchtigte Seeräubernest muß von jeder Verbindung mit der Welt ausgeschlossen bleiben, bis der schlohweiß verwehte Velebit seinen Schneemantel abwirft.

Uber diesem von tollem Wasserspiel umbrausten Ort klingt ein Stück wildester Geschichte. Im Altertum Segnia genannt, soll die Stadt eine Gründung senonischer Gallier sein. Im 13. Jahrhundert durch barbarische Horden zerstört und dann neu erbaut, ward sie von König Matthias Corvinus zur königlichen Freistadt erhoben, ein Adriastädtchen, aus weißen Häuserstufen und einer schönen Kathedrale zusammengesetzt, bemerkenswert durch das hoch über dem Gassengeäst aufragende Uskokenschloß, eine unheimliche, von zahllosen Schauergeschichten erfüllte fünftürmige Gespensterburg. Als noch die mächtigen Fürsten Frangipani (Frankopan) das Land beherrschten, hatten sie oberhalb der Stadt ein uraltes Gemäuer zu einem festen Kastell ausgebaut, das in der Folge die ganze Bucht vor Uberfällen der Türken schirmte. Diese „Santa Saba“ genannte Festung war es, die Francesco Frangipani den aus Burg Clissa abgezogenen sechshundert bewaffneten Uskoken 1538 als erstes Obdach anbot. Er, den das traurige Schicksal der umherirrenden Heimatlosen ergriffen, hatte ihnen das kriegsverheerte Zengg als ihr Eigentum überlassen — er wünschte wohl auch, die durch Türkenkriege entvölkerte Stadt neu zu besiedeln und wehrhafter zu machen.

Seit 1523 herrschte auf Clissa oberhalb Spalato der gefürchtete „eherne“ Burghauptmann Peter von Kruzic, dem sein Herr, König Ferdinand II. von Ungarn, zum Lohn für dreizehnjährige treue Dienste zum Knez (Fürsten) erhoben hatte. Dieser Hauptmann hatte einen seltsamen Volksstamm auf seinem Burgberg angesiedelt. „Uskok“! (der Aufspringer, der Aufständische) hatte Kruzic beim Anblick der Fremden ausgerufen — dieser Name war den aus dem unbekannten Bosnien hergezogenen rauhen Rittern für immer geblieben. Ursprünglich Christen, hatte man sie in der Heimat gewaltsam zu der Bogumilenlehre gezwungen. Als Bosnien dann dem Halbmond verfiel, hatten die Bogumilen um ihres Vorteils willen den Islam angenommen. Aber ein Trupp bosnischer Ritter hatte mit seinen herbschönen Frauen und Kindern das Land verlassen und war über die Berge nach Dalma-tien gezogen, wo Knez Kruzic die wohlbewaffneten Männer in seine Dienste aufgenommen hatte. Ihre Frauen durften außerhalb der Festungswerke — im heutigen Dorfe Clissa — hausen. Aus diesen Uskoken bildete der Knez seine Kerntruppen.

Unleidlich für die Türken war der Ubermut der Uskoken Clissas, blitzartig ausgeführte Raubüberfälle, Plünderungen friedsamer Karawanenzüge waren an der Tagesordnung. So erhielt der Befehlshaber Murat Beg den Auftrag,Clissa um jeden Preis zu nehmen. In den Kämpfen um die Bergfeste fiel Kruzic; einige hundert Uskoken flüchteten auf einer Galeere nach Zengg.

Sie brachten ihren toten Knez nach der Wallfahrtskirche von Tersatto bei Fiume, wo er beigesetzt wurde. Auf einer in der Basilika Tersattos befindlichen Grabplatte kündet eine Inschrift:

„Dieser Stein deckt die Gebeine des edlen Peter Kruzid, den die Türken, o weh, umbrachten. Solange er lebte, hatten weder Zengg noch Clissa den Feind zu fürchten. Die Erde nahm seinen Leib, der Himmel seine Seele, durch die Welt hallt sein Heldentum, unsterblich bleibt sein Ruhml — Diese Worte bezeichnen die Grabstätle des berühmten Ritters Peter Kruzic, 1537.“ Durch den Zuzug der Uskoken erwachte Zengg zu neuem Leben, eine stark befestigte Stadt entstand, das geflüchtete Domkapitel und der Bischof kehrten zurück, die Uskoken stellten eine Art ritterlicher Ordnung her.

Mühselig ist das Leben der Karstbewohner, sintflutgleich stürzen im Frühjahr reißende Bäche aus Felslöchern der Berggrate, die jegliche Saat fortschwemmen. Deshalb wählten die Uskoken die Bucht und das flammend blaue Meer zur Nährmutter. Lieferten die Hochwälder der Kapela Ihnen brauchbares Schiffsholz, so lehrte die klippenreiche, stürmische See sie, flachgehende, leichte Segler mit niedrigem Mast zu bauen. Mit diesen war es leicht, an Strand zu laufen, sie ließen sich in seichtem Gewässer versenken und zu gegebener Stunde wieder heben.

Fischfang? — Sie waren ein Kriegsvolk, die erbitterten Feinde der Osmanen. Zuerst trieb sie Not zur Piraterei. Verwegene Raubfahrten trugen ihnen reiche Beute ein. König Ferdinand II. fand sie verwendbar, er nahm sie in seinen Sold und organisierte mit ihnen eine Wache zur See. 1540 ward Zengg zur ungarischen Freistadt erhoben, nun strömten Abenteurer und Verbannte, flüchtige Verbrecher und Glücksritter in die Stadt, um sich den Uskokenzügen anzuschließen.

Den noch heute in der Morlakei, dem Hinterland Dalmatiens, und in der Humska bestehenden Brauch des Brautraubes übten schon die Uskoken in ihrer Weise; nachts entführten sie aus Inselweilern und entlegenen Gehöften die Mädchen auf romantische Art, ohne je verfolgt zu werden. Die verschleppten Jungfrauen wurden ihren Entführern sodann in Zengg kirchlich angetraut, und so trug man ihnen den Raub nicht nach, um so mehr, als sie ihre Frauen hochehrten.

In ihren „Tschaik“ (aus der türkischen Bezeichnung „Kayük“ gebildet) genannten Booten segelten die Uskoken bis zur albanischen Küste, stets nach Schiffen mit der Halbmondsflagge spähend, öfter von Türken bewohnte Landstriche überfallend. Mit den Jahren machten sie zwischen türkischen und anderen Schiffen keinen Unterschied mehr. Der ganze Handelsverkehr der Venezianer nach der Levante wurde gestört. Die Uskoken wurden die gefürchteten Piraten der Adria. — Nicht nur Lebensmittel und Schlachtvieh erbeuteten die Piraten, auch hohe Beamte und Würdenträger Venedigs entführten sie, um hohes Lösegeld zu erpressen.

Durch den Zuzug der Glücksritter übervölkert, wurden in den nahen Küsten-orten Buccari, Mos2enice, später auch landeinwärts in Otoc'ac, Uskokenkolonien gegründet. Erfolglos blieben alle Versuche der Türken wie der Venezianer, die Räubernester zu säubern. Schließlich war die Seefahrt völlig lahmgelegt.

Endlich — 1602 — beschloß Ferdinand IL, dem Räuberunwesen ein Ende zu bereiten. Er beauftragte seinen Statthalter Josef von Rabatta, einen unbeugsam harten Mann, sich mit einigen hundert deutschen Söldnern nach Zengg aufzumachen, um dort Gericht zu halten. — Nach seinem Einzug in Zengg ließ Rabatta die Stadttore sperren und die Einwohner entwaffnen. Alle Woiwoden wurden nach kurzem Prozeß verurteilt und auf den Mauern des Kastells gehängt. Die Ubergebliebenen begnadigte er zwar, ließ sie aber aus Zengg ausweisen. Nur ein Bruchteil der Bevölkerung durfte in der Stadt verbleiben.

Traurig versammelten sich die Us-kokenfamilien in der Kathedrale, um vor ihrem Auszug noch die heiligen Sakramente zu empfangen und ihre Fahnen segnen zu lassen. Den Rabatta haßten sie glühender als selbst die Türken, und so schworen sie ihm blutige Rache zu.

Durch einen verfrühten Befehl der Grazer Regierung waren die deutschen Söldner Rabattas zurückberufen worden — da stürmten Uskoken und die unter ihre Fahne gescharten Johanniter und dalma-tnischen Nobili die Stadt, metzelten den Statthalter und dessen kleine Garde nieder und stellten die zerfetzten Leichen im Dom zur Schau.

Die Ermordung Rabattas war das Signal zur Rückkehr aller Verbannten. In Haß gegen Türken, Venezianer und nun auch gegen die „Königlichen“ verkrampft, nahmen sie ihre Raubzüge wieder auf,den Verhandlungsvorschlägen Venedigs unzugänglich.

Im Mai 1613 wurde eine unter dem Kommando des venezianischen Nobile Venier segelnde Galeere an der Insel Page von sechs Uskogenseglern überfallen; die Räuber warfen die Passagiere und alle Mannschaft über Bord, überwältigten den Admiral Venier und alle Schiffsoffiziere, die sie enthaupteten, und schleppten das stolze Kriegsschiff im Triumph nach Zengg.

Die Kunde dieser Piratentat erregte in Venedig einen Entrüstungssturm. Eine starke venezianische Abteilung brach unter Führung des Genueser Feldherrn Pompeo Giustiniani auf und verheerte mit barbarischer Strenge alle von Uskoken bewohnten Orte Istriens und Dalmatiens.

Im September 1617 kam endlich in Madrid ein Frieden zwisdien Venedig und Österreich zustande, der das Schlußkapitel der Uskokengeschichte bildete. Wenig später marschierte Graf Karl Harrach mit deutschen Truppen in Zengg ein, um gemäß dem Friedensvertrage das Räubernest zu säubern. Nachdem er das uskokische Kapitanat aufgelöst und alle Waffen konfisziert hatte, ließ er die ganze Piratenflotte verbrennen. Die ärgsten Räuber waren entflohen, die übrigen Uskoken wurden zum Abzug gezwungen und im Landesinnern, in der Gegend von Karlstadt, mit ihren Familien angesiedelt.

Mauerumgürtung, orientalisch gestaltete Türme, wie für die Ewigkeit gebaute monumentale Magazine und burggleiche Wohnhäuser verliehen Zengg noch vor wenigen Jahrzehnten ein stolzes Aussehen. Der letzte Krieg hat das alte Seeräubernest völlig zerstört — grauenhaft, wie die Karstwildnis selber, die umher-, liegenden Trümmer —, man könnte meinen, die Faust eines Riesen habe einen der Felsberge herabgeschleudert.

Fliehendes Abendlicht weist uns den Aufstieg zur Festung Nehaj, die unbeschädigt, unbezwungen auf felsiger Höhe thront. Totenstille ist es hier, wie Schneeberge schimmern die Grate der Kapela. Da beginnt der Himmel granatrot zu erglühen und taucht die uralt S.-Saba-Festung der Frangipani in brennendes Kupferrot. Trümmerstätten und Ruinen wandeln sich zum rätselvollen Zaubergarten der weißen Villa.

Schwarzblaue Wolkengebilde ziehen herauf, ein ferner Blitz züngelt über die Kapela hin, das einstige Zengg ist versunken. Doch Nehaj, die von grausamen Sagen übersprudelnde Gespensterburg, steht noch als Wahrzeichen blutiger Romantik.

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