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Die vergessenen Komture

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An der Heilbrunner Allee steht das Schloß Emsburg, ebenso wie Ems- lieb einer jener Ansitze, die unter der Regentschaft des Erzbischofs Marcus Sitticus entstanden und zusammen mit der später erbauten Frohnburg gleichsam das „architektonische Gefolge Hellbrunns“ ergeben. Emsburg wurde 1618 als Retiro für den Hauptmann Johann Siegmund v. Mabon und seine dem Fürsten nahestehende Gattin Ursula errichtet. Heute freilich fragt man auch die meisten Einheimischen vergebens nach diesem Bauwerk, es ist,

so scheint’s, in Vergessenheit geraten, hat sich hinter Gemäuer und Obelisken zeitfern eingesponnen. Obwohl dort die Erinnerungen an eine interessante Phase der Salzburgischen Geschichte lebendig geblieben sind: an den St.-Ruperti-Ritterorden.

Im Jahr 1702 erwarb Erzbischof Johann Ernst Graf Thun die schöne Villa Suburbana und bestimmte sie zum Sitz des Ordenskomturs. Als erster — und einziger — Reichsfürst Salzburgs hatte er das Souveränitätsrecht der Ordensstiftung wahrgenommen, am 12. Mai 1701 war die Unterzeichnung der Stiftungsurkunde erfolgt, am 23. August desselben Jahres die Bestätigung durch Kaiser Leopold I.

Zwei Ziele bewogen Johann Ernst zu dieser Gründung: erstens, eine wenn auch durch strengen Numerus Clausus äußerst beschränkte Pflanzschule für Stipendiaten aus dem Salzburger Landadel zu schaffen, und zweitens, eine militärische Elite für die Offlziersstellen der hochfürstlichen Truppen, namentlich der Reichskontingente, heranzubilden. Es handelt sich demnach nicht um einen der Verdienstorden, wie sie im 18. Jahrhundert ihre Ausprägung erfuhren, sondern um eine militärische Ordensgemeinschaft.

Der St.-Ruperti-Ritterorden umfaßte jeweils sechs „Großkreuze“ und sechs „Kleinkreuze“ unter einem Komtur, die Ahnenproben sind in einem eigenen „Ritterbuch“ niedergelegt, das nun im Salzburger Landesarchiv aufbewahrt wird, ein gewichtiger Band mit den sorgfältig illuminierten Wappen vieler alter Geschlechter, die Lodron, die Kuen, die Überacker…

Nach den Statuten bestand die Verpflichtung zur Ehelosigkeit und zum Kriegsdienst in der Gesamtdauer von zwölf Jahren, die „Kleinkreuze“ oder Exspektanten sollten im Reiten, Fechten, Tanzen und in Sprachen unterrichtet, also zu Kavalieren ihrer Zeit erzogen werden. Der Komtur hatte im Landtag den Sitz hinter den vier Erbämtern, als Ordenskirche wurde die Dreifaltigkeitskirche bestimmt.

Am 15. November 1701 fand mit allem Pomp des Zeremoniells und der Liturgie die „Feyerliche Einführung“ statt. Der Erzbischof persönlich zelebrierte im Dom die Messe, in deren Verlauf er den sechs Exspektanten die Insignien verlieh. Sodann nahm er in der Dreifaltigkeitskirche unter den Klängen des Tedeums und dem Salut der Geschütze an den sechs Rittern des Großkreuzes und dem Komtur die „Umhängung“ vor. Eine große Tafel in der Residenz bei Pauken- und Trompetenschall, Volksbelustigungen, Verteilung von Almosen an die Armen und am darauffolgenden Tag eine Tierhetze in der Felsenreitschule beschlossen das barocke Fest.

Zum ersten Komtur hatte der Erzbischof seinen Neffen Johann Ernst Kajetan Graf Thun ernannt — freilich eine bloße Geste und obendrein ein ziemlich krasser Fall von Nepotismus, denn der solchermaßen Ausgezeichnete war ganze sieben Jahre alt! Doch bereits ein Jahr später ging die Würde durch Wahl an Warmund Graf Kuen über. Die Bezeichnung für das höchste Ordensamt wechselte: Im älteren Schrifttum lautet sie „Commentur" oder „Com- menther“, in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts ist allerdings nur noch vom „Commandeur“ die Rede.

Jeder Ritter trug um den Hals am violetten Band das dunkelblaue, goldgeränderte „spanische“ Kreuz, das im ovalen Mittelschild das Abbild des Landespatrons zeigte, einen eigenen Ordensornat gab es nicht. Selbstverständlich wurde das In- signium allzeit auch zu den Uniformen des kaiserlichen Heeres angelegt, was Josef II. bei einer Parade zu der Bemerkung veranlaßte, er wünschte, daß noch mehr Ruperti- Ritter unter seinen Fahnen stünden, denn sie täten sich durch besondere Tapferkeit hervor. Die Originalkreuze, die sich im Besitz des Salzburger Museums Carolino Augusteum befanden, sind seit 1944 45 verschollen. Weder die Weltliche Schatzkammer in Wien noch das Münzkabinett des Kunsthistorischen Museums verfügt über derartige Insignien, sondern nur das Bayerische Armeemuseum in München, wo einige Stücke festgestellt werden konnten, darunter ein mit Edelsteinen geschmücktes Comman- deur-Kreuz. Leider enthalten die vorhandenen Unterlagen keine Aufschlüsse über die einstigen Inhaber.

Schloß Emsburg ist seit Jahren Mutterhaus der Halleiner Schulschwestern, doch die Commandeur- Porträts verblieben zum Glück in situ, sie hängen in der Vorhalle, einer jener durch das ganze Geschoß verlaufenden breiten Fluranlagen, die nach Richard Kurt Donin als in den Salzburger Schloßbau übernommenes bodenständiges, vom Bauernhaus herstammendes Erbgut anzusprechen sind. Donin erwähnt in diesem Zusammenhang gerade Emsburg als charakteristisches Beispiel. Alle Bildnisse zeigen die Commandeure lebensgroß, in ganzer Figur, gemeinsam ist ihnen auch der Typus des repräsentativen hochbarocken Harnischporträts fürstlicher Persönlichkeiten und großer Feldherren. Dadurch werden Rang und Stellung der salzburgischen Ordenskomture in stolzem Selbstbewußtsein gebührend betont.

Das älteste Bildnis ist das des dritten Commandeurs (wenn wir den Knaben Thun als den ersten gelten lassen wollen), Franz Anton Freiherr von Rehlingen zu Haltenberg und Knöringen, 1710 gewählt, 1713 als Offizier des erzbischöflichen Reichskontingentes bei der Verteidigung von Freiburg im Breisgau gefallen. Dieses Porträt eines unbekannten Malers, im selben Jahr entstanden, zeigt gewisse Anklänge an Bildnisse Kaiser Josefs I. Rehlingen ist mit hoher Allongeperücke und in einem Harnisch der Spätrenaissance dargestellt. Über dem schimmernden

Metall leuchtet das kostbare Geschmeide des juwelenbesetzten Com- mandeur-Kreuzes auf. Ein Postament, auf dem der Spangenhelm samt den Handschuhen ruht, der um den Harnisch drapierte rote Mantel und ein schwerer gebauschter Vorhang im Hintergrund, runden die Komposition stilgemäß ab.

In der Praxis verhielt es sich so, daß die Künstler bei der Arbeit an solchen Gemälden lediglich den Kopf nach der Natur zeichneten und dann nach Weisung oder eigenem Geschmack in den Zeughäusern entsprechende Rüstungen aussuchten, als ikonologische Idealisierung und Symbol des Kriegerstandes.

In später Nachfolge variierte Franz Xaver König bei drei weiteren Porträts gekonnt und aufwendiger diesen Typus. König, etwa 1711 in Salzburg geboren, 1782 ebenda gestorben, betätigte sich sehr vielseitig als Maler und Vergolder und stand unter Abt Beda Seeauer lange Zeit im Dienst des Stiftes St. Peter, von ihm stammen u. a. Fresken und Bilder in der Peters- und der Michaelskirche. Er war keiner von den Großen, doch als Bewahrer barocker Traditionen vermochte er immerhin noble Wirkungen zu erzielen und besaß ausgeprägtes Talent für die differenzierte Wiedergabe des Stofflichen, besonders bei kostbaren Geweben und Stickereien. Einer, der mit dem Pinsel ziselierte.

1768 porträtierte König, sicherlich nach dem lebenden Modell, Josef Johann Ducker, Freiherr von Haslau, Urstein und Winkl, der als kaiserlicher Offizier an den Feldzügen gegen die Preußen teilgenommen hatte. Auch bei den Grenztruppen in Slawonien hatte er sich bewährt, darum erwählten ihn die Ruperti-Ritter 1767 zu ihrem Commandeur.

Der Harnisch stammt ebenfalls aus dem Armamentarium der deutschen Renaissance. Dücker trägt das einfache Großkreuz, und zwar, nach einer vom 10. November 1767 datierten Verordnung des Erzbischofs Siegmund Christoph Graf Schratten- bach, nunmehr an einem roten, schwarz eingefaßten Band über der Schulter, außerdem den gleichzeitig eingeführten goldgestickten Bruststern. Als weitere Zeichen seiner Würde sind der Kommandostab und die um die Mitte geschlungene goldene Schärpe aufzufassen, für welche wohl die Feldbinde der kaiserlichen Generale als Vorbild diente. Gerade dieser Schärpe und dem Degengriff widmete der Künstler große Sorgfalt.

Auch der ruhmreichste der salzburgischen Ordens-Commandeure wurde von Franz Xaver König konterfeit: Josef Anton Graf Platz, er bekleidete dieses Amt an die vierundfünfzig Jąhrę, von 1714 bis 1767. In kaiserlichen Diensten war er bis zum FeldmarschaÜeutnant auf gestiegen, ein vitaler alter Soldat, er starb als Neunziger. Die Gestalt des ernsten Mannes auf dem Gemälde, in Vollkraft und Reife dem Beschauer zugewandt, strahlt etwas von der Festigkeit und Energie der Feldhauptleute der Frundsberg-Zeit aus. Dem militärischen Rang des Porträtierten entspricht die über den Harnisch angelegte gold-schwarze Generalsfeldbinde.

Mit dem 1769 entstandenen Bildnis'von Johann Warmund Graf Kuen wird die chronologische Lücke in der Reihenfolge der Commandeure geschlossen. Kuen fiel anno 1709 am Rhein. König beschwört in künstlerischer Freiheit und Phantasie das Abbild eines großen Herrn. Auch hier, ähnlich wie bei Dücker, die bewegte, ausgewogene Haltung, der selbstbewußte Blick, die Aura des Höfischen, die adelige Gebärde. Der Maler schwelgt im Prunk der schweren Stoffe, das Ordenskreuz zeigt sich als erlesene Goldschmiedearbeit.

Wesentlich schwerfälliger ging ein anderer Maler zu Werk, er hieß Schianderer, mehr weiß man nicht von ihm. 1798 porträtierte er den Commandeur Leopold Graf Lodron, auch dieser ein Veteran des Siebenjährigen Krieges und zudem salz- burgischer Leibgarde-Hauptmann.

Ein in kaiserlichen und hochfürstlichen Diensten vielfach ausgezeichneter Offizier war das letzte, anno 1802 gewählte Oberhaupt des Ordens, Johann Ferdinand Dücker, Freiherr von Haslau, Urstein und Winkl. An der Spitze des letzten eigenständigen salzburgischen Reichskontingents in Bataillonsstärke war er 1793 ins Feld gezogen und hatte die Festung Namur bis zur ehrenvollen Kapitulation gehalten. Leider begegnet man diesem bravourösen Ruperti-Ritter nicht in Schloß Emsburg, denn sein Bildnis, vom salzburgischen Hofmaler Andrä Nesslthaller, wurde durch einen fixierten Vorhang völlig verdeckt, um einen passenden Hintergrund für eine St.-Franziskus-Statue aus der Devotionalienkonfektion zu schaffen. Die „Enthüllung“ des Porträts wär« ein dankenswerter Akt.

1811 schließlich kam es zur Aufhebung des Ordens, dessen Güter und Kapitalien fielen an Bayern. Johann Ernsts eigenartige Stiftung, die späte Ritterschaft der salzburgischen Paladine, gehörte endgültig der Vergangenheit an und geriet in Vergessenheit. Es blieben nur Relikte und fragmentarische Zeugnisse: die Bildnisse, die Commandeurgrä- ber in der Dreifaltigkeitskirche, einige Inschriftentafeln, die vergilbten Aufzeichnungen in entlegenen Regalen des Salzburger Landesarchivs und ein großes verwitterndes Ordenskreuz auf dem Kellerportal von Schloß Emsburg.

Aber es blieb auch für denjenigen, der solchen von der Zeit halbverwischten Spuren folgt, die Wünschelrutengängerfreude darüber, daß es in diesem schon durch und durch in- und auswendig entdeckten Salzburg doch noch immer etwas zu entdecken gibt…

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