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Die Welt der Bibel

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Herodes der Große, König in der Zeitenwende. Von Stewart P e t o w n e. Gustav-Kilpper-Verlag, Stuttgart. 250 Seiten Text, 28 Abbildungen und 4 Karten. Aus dem Englischen übersetzt von Professor Dr. Hartmut Schmökel. Preis 14.80 DM.

2000 Jahre lang ist Herodes der „Große" genannt, aber gleichzeitig als einer der gottlosesten Menschen verabscheut worden. Vorliegendes Buch will zwar keine Ehrenrettung vornehmen, wohl aber diese Gestalt im Zwielicht der Zeitenwende in seiner Größe und Tiefe neu zeichnen.

Zunächst wird klar, daß Herodes nicht bloß ein Ungeheuer war. Wäre er dies allein gewesen, so hätte er unmöglich das große Werk vollbringen können, von dem die Geschichte berichtet. In seinen jungen Jahren besaß er große Anziehungskraft und verstand Männer und Frauen in gleicher Weise zu bezaubern. Natürlich ist dies kein Anzeichen von Größe; wer aber Freund von Antonius, Augustus und vor allem von Agrippa werden konnte, kann kein unbedeutender und unverdienstlicher Mann gewesen sein. Man sagt, daß auch andere diese römischen Größen umschmeichelten, Herodes gewann aber ihre Freundschaft, er allein wurde Agrippas Vertrauter. All dies läßt auf überragende Befähigung schließen. Daß Herodes sie besaß, ist durch sein administratives Können erwiesen. Aus einem Chaos baute er ein wohlgefügtes Reich, das im Gefüge des römischen.

Imperialismus seine Selbständigkeit bewahrte. Er führte Palästina zu einem Wohlstand, den es nie vorher und nachher besessen hat. Er gab seinem Land durch die großen Bauten ein neues Gesicht. Ein unfähiger Herrscher ist zu solchen Taten nicht fähig.

Die Aufzählung von Herodes' Verbrechen, die die Juden nach seinem Tod beim römischen Cäsar einreichten, kommt aus gegnerischem Mund und muß als propagandistische Uebertreibung gewertet werden. Staatsmännische Klugheit, Tatkraft und die Kunst, im richtigen Augenblick den richtigen Mann zu finden, macht die menschliche Größe Herodes’ aus.

Wo viel Licht, da ist auch viel Schatten. Dies trifft auch auf Herodes zu. Man findet den richtigen Maßstab, wenn man ihn in seine Zeit hineinstellt. Er lebte in einer grausamen und gewalttätigen Zeit. Das Leben der Menschen galt kaum mehr als das eines Stücks Vieh. Das Foltern war anerkannte Rechtspraxis und das gegenseitige Sichabschlachten in der Arena galt als Volksbelustigung. Konnte in einer solchen Welt die Beseitigung des einen oder anderen Verwandten nicht als Staatsnotwendigkeit hingehen? Die medizinische Diagnose der Krankheit des Herodes läßt vermuten, daß er nicht erst in den letzten zehn Jahren, sondern auch schon vorher zeitweise nicht Herr seiner Sinne war und tat, was er später bereute Warum sonst die außergewöhnliche Liebe zu den Kindern der von ihm Ermordeten?

Seine tragische Schuld besteht in der „Anaisthesia“, der Empfindungslosigkeit, dem geistigen Geschehen seiner Tage gegenüber. Er wollte nur einen glücklichen Judenstaat bauen und ging an der messianischen Erwartung vorbei.

Ein seltenes Buch, spannend nicht bloß im Stil, sondern noch mehr in dem. was hier so packend geschildert wird: Glanz und Untergang eines Großen dieser Welt, kurz vor dessen Tod der wahrhaft Große, der Messias, in Bethlehem geboren wurde.

Die Welt der Bibel. Fünf Jahrtausende in Palästina- Syrien. Von Anton Jirku. Band VI der Reihe „Große Kulturen der Frühzeit“. Gustav-Kilpper-Verlag, Stuttgart. 150 Seiten Text und 170 Abbildungen auf 112 Tafeln. Preis 24.50 DM.

Mit dem 6. Band „Die Welt der Bibel“ ist die Serie „Große Kulturen der Frühzeit“ abgeschlossen, die ein vollständiges Bild des alten Orients vermittelt und auf rund 700 Tafeln ein Abbildungsmaterial aufweist, wie es in solcher Fülle einmalig ist.

Der Idee des Reihenwerkes entsprechend, werden im Textteil die großen Leitlinien der 5000jährigen Geschichte des Raumes Palästina-Syrien behandelt, ohne allzusehr auf Einzelfragen einzugehen. Das Hauptinteresse liegt auf den Bildbelegen. Und tatsächlich muß man sagen, daß beim Studium der Abbildungen die Welt der Bibel, zu der auch das alte Kanaan und Syrien gehört, in unerhörter Weise lebendig wird. Der Spaten hat eben in den letzten Jahrzehnten Schätze gehoben, die sich frühere Generationen nicht einmal geträumt hätten. Daher ist dieser Band mit doppelter Freude zu begrüßen. Unser „biblisches Zeitalter“ ruft geradezu nach solchen Werken, die einem weiteren Kreis das zugänglich machen, was die Fachwissenschaft in mühsamer Forschung erarbeitet hat.

In fünf Abschnitten bewältigt Jirku, geschickt auswählend, das ungeheure zur Verfügung stehende Material: 1. Das Land und seine Lage. 2. Die ersten drei Jahrtausende. 3. Die Blütezeit der kanaanäischen Kultur. 4. Israel und seine Nachbarn. 5. Einbruch der griechisch-römischen Welt. In der Darstellung der alttestamentlichen Geschichte operiert Jirku besonders bei der Patriarchenzeit u. d bei Moses mit den Epitheta „Sage, Legende", wiewohl er auch diesen Abschnitten einen viel größeren Ceschichtswert zuerkennt, als es in der Blütezeit des biblischen Rationalismus denkbar war. Gerade die Entdeckung des Alten Orients hat gezeigt, daß Berichte, die man großzügig als Legende erklärte, wirkliche alte Geschichte sind. Trotzdem die Geschichte Israels in seine kanaanäische Umwelt hineingestellt wird, he'bt Jirku markant die neue religiöse Welt Israels mit ihrem selbständigen und unverwechselbaren Charakter heraus, deren unerbittlichste Verfechter die Propheten waren.

Auf zwei kleine Versehen sei noch verwiesen, die bei einer Neuauflage korrigiert werden könnten. Salomon soll eine besondere Vorliebe für „Reiterei“ gehabt haben. Sicher hat Salomon seine großen Pferdestallungen gebaut: aber das Pferd diente damals zum Vorspann für Kriegswagen, als Reittier wurde das Pferd erst zwei Jahrhunderte später durch die Skythen in den Orient eingeführt S. 82. — Nach den im Britischen Museum neulich gefundenen Keilschrifttafeln, nach dem Herausgeber „Wiseman- Chronik“ genannt, wurde Jerusalem nicht im Jahre 587 v. Chr., sondern erst am 19. Juli 586 zerstört S. 97. — In summa kann man Autor und Verlag zu dem großartigen Werk gratulieren, das als Wegweiser in die Bibel des Alten Testamentes unschätzbare Dienste leisten kann.

Hat die Bibel recht? Von Dr. Johann Nico- 1 u s s i. Sonderdruck aus „Gott im Alten Testament“, Teil II des fünfbändigen Werkes „Meine Gedanken sind nicht eure Gedanken“. Verlag Felizian Rauch. Innsbruck. 40 Seiten.

Dieser Sonderdruck bringt eine polemische Auseinandersetzung mit dem biblischen Bestseller der letzten Jahre „Und die Bibel hat doch recht“ von W. Keller. Man kann ruhig sagen, daß kaum eine andere Neuerscheinung auf biblischem Gebiet mit derart großer Bereitschaft über die Schranken der Konfessionen hinweg aufgenommen wurde wie das Werk Kellers. Hat es doch den Versuch unternommen, den altorientalischen Hintergrund der Bibel aufzuzeigen, wodurch die Gestalten der Bibel um so glaubwürdiger erscheinen. — Gerade dies ist der Punkt, wo Nicolussis Polemik einsetzt. Er meint, durch eine solche Vermenschlichung der Bibel sei die Bibel unterminiert, ausgehöhlt, ihres Offen- barungs- und Wundercharakters entkleidet. In Entgegnung an Kellers Darstellung der ägyptischen Plagen, in der die geographischen und sozialen Bedingungen des alten Aegyptens eingearbeitet sind, legt Nicolussi den Ueberton auf die alleinige Wunderwirksamkeit Gottes. — Dieses Anliegen ist echt. Bei einer allzu großen Vermenschlichung der biblischen Berichte entsteht im Leser leicht das Empfinden, daß die Bibel ein menschliches, zwar altes historisches Buch ist, das trotz mancher Verfemungen als echter Zeuge der Geschichte erfunden wurde. Dieser Rationalisierung gegenüber will Nicolussi den Offenbarungscharakter der Schrift, die direkte Urheberschaft Gottes, verteidigen. — Das Anliegen ist sicher echt, aber die angewandte Methode leidet an einseitiger Ueberbetonung des Wundercharakters. Eine kurze Untersuchung des alttestamentlichen Begriffes des „Wunders“ zeigt schon, daß das Wort nicht im strikten dogmatischen Sinn zu nehmen ist. Der Durchzug durchs Schilfmeer wird sicher als Wunder erlebt und berichtet; aber daneben steht die schlichte Notiz vom Ostwind, der die Wasser zurücktrieb Ex. 14, 21; oder beim Durchzug durch den Jordan der Hinweis, daß die Ufermassen bei Adama einstürzten und den Fluß absperrten Jos. 3, 16. Auf diese natürlichen Voraussetzungen hinweisen, heißt noch lange nicht, die Bibel aushöhlen; im Gegenteil, erst dadurch wird die göttlich-menschliche Art der Schrift sichtbar. Die Darstellung der Inspiration S. 31 ff. ist recht einseitig von der Praxis einer Advokaturskanzlei aus konzipiert. Näher kommt man doch dem Mysterium der Schrift, wenn man darin die Menschwerdung des Wortes mit allen Konsequenzen glaubt und erlebt. Dann wird man sich an der liberalen, menschlichen Art von „Die Bibel hat doch recht“ nicht stoßen.

Alles, was Odem hat. Nachdichtungen der Psalmen. Von Franz Johannes W e i n r i c h. Martin-Verlag, BuxheimIller. 248 Seiten.

Zweifellos ist unsere Zeit bibelbewegt. Vor allem aber sind durch die neue, von Papst Pius XII. angeregte Psalinenübersetzung die Psalmen mehr denn je in den Blickkreis der katholischen Christen getreten. Wir haben im deutschen Sprachraum nach dem Krieg bereits ein gutes Dutzend neuer Psalmenübersetzungen, die wohl alle das gleiche Zie verfolgen: Erschließung dieser vom Heiligen Geist inspirierten Lieder und Gebete für das Volk der Christen.

Dabei gibt es verschiedene Schwierigkeiten zu überwinden. Der Psalter stammt aus dem alten Orient, also einer ganz anderen Zeit und Kultur als der unsrigeni Er stammt aus dem „unerlösten“ Alten Testament: kann er daher von Christen noch so gebetet werden wie geschrieben steht? Müßten die Psalmen nicht vollständig umgesetzt und um-gedeutet werden, wenn sie den Zugang zum Herzen des Volkes finden wollen?

Diese Erwägungen haben Weinrich angeregt, eine Nachdichtung der 150 Psalmen zu versuchen. Er verwendet dabei die uns vertraute Metrik und den Reim, „verchristlicht“ sogenannte alttestamentliche, unerlöste Texte und will damit dem Christen ein Gebetbuch reichen, das er ohne Vorbehalte jederzeit in allen Lebenslagen nachbeten kann. Ob die Nachdichtung gelungen? — Es ist sehr riskant, Heilige Schrift „nachzudichten". Was da herauskommt, bleibt immer nur Menschenwerk, weitab von der Wucht des Originals. Trotzdem ist der Versuch zu begrüßen, nachdichtend den Quellen näherzukommen. An manchen nachgedichteten Psalmen kann man seine helle Freude haben: sie singen sich in Herz und Gemüt. Andere sind eben gewollt gemacht nach HanS Sachs. ''

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