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Die Welternahrungskrise und der Ernahrungsplan der FAO

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Die Bemühungen, den Hunger zu bekämpfen, stehen heute im Vordergrunde alles Geschehens. Zwei Hauptaufgaben sollen bewältigt werden: statt der bisherigen länderweise zersplitterten Ernährungs- und Lebensmittelproduktionspolitik soll eine weltumspannende, tunlichst einheitliche Planung der Produktion und Verteilung des Ernährungsbedarfes durchgeführt werden. Die Überschußländer und die Hungergebiete sowie die Bedarfsländer überhaupt werden in den Ernährungsplan derart eingebaut, daß jeweils auf dem schnellsten Wege der Zuschub und die Verteilung der Lebensmittelüberschüsse bewirkt werden kann.

Die zweite Hauptaufgabe ist eine erhebliche Steigerung der Weltproduktion an Lebensmitteln. Zufolge der Sachverständigengutachten müßte allein der Weltgetreidebau um 15 bis 20 Prozent erhöht werden, um die Hungergefahr endgültig zu beseitigen.

Die außerordentliche Tragweite dieser Zielsetzungen ist angesichts der heutigen Ernährungslage klar. Deren Erfüllung wird es in Hinkunft verhindern, daß Dekaden von Millionen Menschen dem Hunger verfallen sind, während gleichzeitig andernorts gewaltige Getreideüberschüsse unanbringlich bleiben. Ich erinnere da an die seinerzeitige Weltgetreidekrise, die jahrelang die großen Getreideüberschußländer der Weh, vor allem die USA und Kanada, bedrohte. Trotz aller Bemühungen der damaligen Organisationen (Federal Farm Board und Grain Stabilisa-tion Corporation) konnten nur Bruchteile der lagernden Getreideüberschüsse verwertet werden. Bis in die dreißiger Jahre dauerte dieser Stand in voller Schärfe an. Der zweite, eben beendete Weltkrieg brachte hier eine grundlegende Wandlung: die Überschüsse verringerten sich rapid und heute müssen auch die Überschußländer haushalten und rationieren“, um der hungernden Welt helfen zu können. Es ist aber nicht der Krieg allein, der diese Knappheit bewirkte, sondern auch die Tatsache, daß im' letzten Jahrzehnt der Lebensmittelbedarf der Welt eine auffallend stark steigende Tendenz aufweist. Es wird daher auch notwendig sein, eine präzisere Erfassung dieses Bedarfes in die Wege zu leiten, um dem Ernährungsplan verläßliche Unterlagen zur Verfügung stellen zu können.

Diese Aufgabe ist, so gewaltig auch deren Wirkungsbereich sein mag, dennoch erheblich rascher und einfacher zu lösen als die zweite Zielsetzung der FAO, nämlich die Lebensmittelproduktionssteigeiung, vor allem die Erhöhung des Weltgetreideanbaues. Es' Werden da zweifellos Maßnahmen notwendig sein, die auf längere Sicht hinaus getroffen werden müssen. Die einfache Erhöhung der Anbauflächen allein genügt auch dann nicht, wenn sie durch modernere Bodenbearbeitungsmethoden und bessere Düngung unterstützt wird. Dies aus dem Grunde, weil die meisten Hungerkatastrophen durch anhaltende Dürreperioden hervorgerufen wurden. Sie wiederholen sich in nicht bemeßbaren Zeiträumen. Soll diese Gefahr, die geradeso tödlich ist wie ein großer Krieg, dauernd abgewehrt werden, so wird man darangehen müssen, der mächtigen Feindin der Menschen, den Einbrüchen der Dürre, durch entsprechende Anlagen zu begegnen. Verglichen mit den Kriegsaufwendungen sind die benötigten Aufwendungen für die Schaffung von großangelegten Bewässerungsanlagen in den ausschlaggebenden Ernährungsgebieten nur gering zu nennen, zumal dies die produktivsten Investitionen sein würden, die denkbar sind.

Das Altertum hat hier klüger und energischer vorgesorgt als unser Zeitalter, obwohl dessen technische Fortschritte die Aufgabe sosehr erleichtert hatten. Mesopotamien, die arabische Wüste und andere heute wüst liegende, weite Gebiete waren reiche Kornkammern der alten Welt. Das Bewässerungssystem bezwang auch die öfter drohenden Überschwemmungen Mesopotamiens und leitete die Wassermassen befruchtend in weit entfernte Gebiete. Das Inka-Reich erfaßte die Gebirgswässer der Anden und leitete sie über fast 6000 Kilometer lange Bewässerungsanlagen — sie sind streckenweise heute noch intakt — sozusagen bis zu jedem einzelnen Bauern. D:* Anlagen waren zugleich die wirksamste Wildbach verbauung, die die Geschichte kennt.

Die Inkas schufen hier eine Lösung des Ernährungsproblems, die bisher kaum ihresgleichen hat. Nach zeitgenössischen Quellen kann die Bevölkerung dieses Indianerreiches auf 30 bis 40 Millionen Einwohner geschätzt werden, die in einem der unproduktivsten Gebirgsländer der Welt ausreichend und gesichert mit Lebensmitteln versorgt wurde. Es gibt aber doch auch in der Gegenwart ein sprechendes Beispiel, was Wasser in der Wüste vermag. Die gewaltige Getreideproduktion des heutigen Ägyptens ist durch die Nil-Stau- und Bewässerungswerke vermittelt, die jährlich eine breite Randzone der Sahara mit ihrer Flut besegnen.

In Europa reichen die jährlichen Niederschlagsmengen zum Glück in der Regel für gute Ernten aus; dennoch gibt es nicht wenige Gebiete, die da knapp an der Grenze des 500-Millimeter-Regenminimums liegen und durch die Dürre sehr schweren Notständen unterworfen wurden. In der Regel würde es in Europa nur einer Ergänzung des alljährlichen erfahrungsgemäßen Niederschlagsquantums bedürfen. Planungen großen Stiles für die Erntesicherung bedeutender Gebiete gegen die Dürre verlangen heute nicht annähernd mehr de Anstrengungen, deren sich die Alten mit ebenso großer Weisheit wie Fülle der Erfolge unterzogen. Der Ausbau der Wasserstraßen und riesiger Elektrizitätswerke hat schon vielerorts Vorstufen geschaffen. Wenn es möglich ist, dem technischen Fortschritt ungeheure Anlagen von Pipe-Lines für Erdöl zu widmen, so müßte es noch vielmehr der Menschheit daran liegen, das viel Wichtigere, die Nahrung, gegen alle Gefährdung sicherzustellen.

Es unterliegt gar keinem Zweifel, daß die UNO und deren Fachstelle für Lebensmittel und Agrikultur die FAO, alle diese Fragen prüfen wird. In der Tat ist sie die berufene und durch ihre weltumfassende Organisation befähigte Autorität für ein Werk, das det gesamten Weltwirtschaft dienen soll. Die Verhütung des Krieges und der Hungersnöte — könnte es eine stolzere und edlere Aufgabe für einen Weltbund der Völker geben?

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