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DR. FAZIL KÜQ'ÜK / OHNE ANGST VOR DER ZUKUNFT

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Hartnäckigkeit war schon immer ein Charakterzug des heutigen Führers der türkischen Zyprioten. Von kleiner und gedrungener Statur, macht Zyperns Vizepräsident Dr. Kügük seinem Namen sowohl äußerlich Ehre — Kücük heißt „klein“ — als auch bildungsmäßig, denn Fazil bedeutet „der Gebildete“.Er wurde im Jahre 1903 in Nikosia als Sohn eines Hufschmiedes geboren, besuchte dort die Mittelschule und maturierte an einem angesehenen Istanbuler Lyzeum. Hier begann er auch Medizin zu studieren. Ein Stipendium ermöglichte ihm die Fortsetzung seines Studiums in Paris und später in Lausanne, wo er zum Doktor der Medizin promoviert wurde. Nach einem zweijährigen Praktikum in verschiedenen Schweizer Spitälern kehrte der Sechsundzwanzigjäh-rige 1929 in seine Heimatstadt zurück, wo er eine eigene Praxis eröffnete.

Es war die Zeit der großen Reformen Kemal Atatürks. Wiewohl die zypriotischen Türken unter englischer Oberhoheit nicht unmittelbar davon betroffen waren, machten sie freiwillig den Europäisierungsprözeß ihrer kleinasiatischen Volksgenossen mit, übernahmen das lateinische Alphabet und gaben sich Familiennamen. Unter den gebildeten Türken der Insel war Dr. Kücük einer der eifrigsten Vorkämpfer für die Reformen. Dabei entdeckte er seine Leidenschaft für die Politik. 1942 begann er im Eigenverlag mit der Herausgabe der Zeitung Jlalkin Sesi“ (Stimme des Volkes), die wegen ihrer schonungslosen Offenheit und Propaganda für größere politische Rechte der Inselbevölkerung das Mißfallen der britischen Behörden erregte. Als die Engländer schließlich die Herausgabe des Blattes durch Einstellung der Papierzuteilung erzwingen wollten, schlug ihnen der findige Arzt ein Schnippchen, indem er sich Papier auf dem schwarzen Markt besorgte. Mit einigen Gesinnungsgenossen gründete er 1943 die erste türkische politische Partei der Insel unter dem Namen „Verein der türkischen Minderheiten Zyperns“. Infolge seiner eigenwilligen und etwas cholerischen Haltung überwarf er sich aber bald mit den anderen Parteiführern und rief 1944 die „Nationaltürkische Volkspartei Zyperns“ ins Leben.

Angesichts der politischen Aktivität des griechischen Bevölkerungsteiles, der seit dem Ende des zweiten Weltkrieges auf die ,J2nosis“ hinarbeitete.schlössen sich die beiden rivalisierenden türkischen Parteien auf Drängen Dr. Kügüks 1949 zur „Nationaltürkischen Union Zyperns“ zusammen, in der er 1952 den Vorsitz übernahm. Das darauffolgende Jahrzehnt ist gekennzeichnet durch den Unabhängigkeitskampf der Zyprioten beider Volksgruppen. Dr. Kügük erkannte bald, daß die türkische Minderheit in einem an Griechenland angeschlossenen Zypern in eine schwierige Lage geraten würde, und gab 1956 mit Unterstützung Ankaras die Parole der „Teilung“ aus, die er 1960 zugunsten einer unabhängigen zypriotischen Republik, in der er zum Vizepräsidenten gewählt wurde, mit vorsichtigem Optimismus aufgab. Dr. Kücük ist zwar hartnäckig, aber nicht obstinat. Obwohl er infolge der blutigen Dezemberunruhen seine „Teilungsthese“ wieder in den Vordergrund stellt, wäre er bereit, auch jede andere Lösung in Betracht zu ziehen, die den Türken handfeste Garantien für ihr Leben und ihr Eigentum gibt und ihnen ein Dasein in Freiheit, gewährleistet.

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