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EIN LEBEN FÜR ÖSTERREICH

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Es zeugte von der Fülle lebendiger Kräfte, die das alte Österreich noch in sich trug, daß dieser Staat in der Zeit der letzten Entscheidung über Männer voll höchster Fähigkeiten verfügte. Der Marineoffizier Georg von Trapp stand in der ersten Reihe der jungen Generation eben jener Männer, der Generation also, die, noch ehe sie den Gipfel ihrer Jahre erreicht hatte, die Tragik des Zusammenbruches erleben mußte. Es war eine zweifache Tragik, — historisch gesehen, da das Gemeinwesen zugrunde ging, dem die Männer mit ihren Leistungen gedient hatten, und persönlich gesehen, da ihnen ihr Werk aus den Händen gerissen wurde und sie einen ganz neuen Inhalt für ihr Leben suchen mußten.

Georg Ritter von Trapp, 1880 geboren, einem seit dem 17. Jahrhundert in Österreich, zuerst in der Steiermark ansässigen, alten hessischen Geschlechte entstammend, war der Sohn des als Kommandant der Brigg „Saida“ in die Geschichte der österreichisch-ungarischen Marine eingegangenen Linienschiffsleutnants August von Trapp. Georg bewährte sich bereits außerordentlich im Chinafeldzug von 1900, er erwarb unter Montecuccoli bei der Erstürmung der Forts von Peitang die Silberne Tapferkeitsmedaille II. Klasse. Im Weltkrieg 1914 bis 1918 wurde er der erfolgreichste österreichische U-Bootskommandant. Seine größte Waffentat, die Versenkung des französischen Flaggschiffes, des Panzerkreuzers „Leon Gambetta“ am 25. April 1915, war ein Erfolg von hoher taktischer Bedeutung für den Krieg im Süden. Trapp wurde mit dem Mariatheresienorden, der höchsten österreichischen Tapferkeitsauszeichnung geehrt, allerdings so spät, daß die auf eine Erwerbung dieser Dekoration folgende Verleihung des Freiherrnstandes nicht mehr vollzogen werden konnte. Als Korvettenkapitän, das heißt im Range eines Majors, beendete er seine verhältnismäßig kurze Laufbahn zur See.

Aber er gab es damit noch nicht auf, seine ungeheure Vitalität und Tatkraft der Heimat zur Verfügung zu stellen. Er war Mitbegründer der Vega-Reederei, die unter österreichischer Flagge Seeschiffahrt betrieb. Auf Drängen seines Freundes „Bim“ — dies der allen einstigen österreichischen Marineoffizieren geläufige Spitznahme für den inzwischen verstorbenen Hüter der alten Tradition, Linienschiffskapitän Bruno Dittrich — entschloß er sich fast wider Willen, seine Erinnerungen in Buchform zu veröffentlichen. Das in Graz 193S erschienene Werk führt den Titel „Bis zum letzten Flaggenschuß“. Wie Cäsar und Napoleon, aber nicht aus denselben Motiven, sondern aus der für Trapp bezeichnenden Bescheidenheit, spricht er in diesem Buche von sich immer in der dritten Person, „der Kommandant“.

Inzwischen hatte sich bei Ihm als echt österreichisches Erbe der Zug zum Künstlerischen Bahn gebrochen. Eines Tages erschien auf dem Konzertpodium die singende Familie Trapp. Aus seiner ersten Ehe mit Agathe, die der Familie des bekannten Torpedokonstrukteurs Whitehead entstammte, besaß er sieben Kinder. In seiner Witwerzelt hatte er auf Empfehlung seines Freundes P. Bruno Spitzl OSB. die junge Baronin Maria Auguste Kutschera als Erzieherin seiner Kinder in sein Haus aufgenommen; sie wurde seine zweite Gattin, die ihm noch drei Kinder schenkte.

Die hohe musikalische Begabung der sieben Töchter fand die verständnisvollste Förderung durch das Elternpaar, zu dem sich als freundschaftlich dem Hause verbundener Seelsorger der künstlerisch begabte Salzburger Diözesanprie-ster Dr. Franz Warner gesellte. Er wurde der Dirigent und künstlerische Leiter des Famillenchors. Aus der Pflege der Hausmusik, aus dem schönen Dilettantismus des Gemeinschaftsgesanges entwickelte sich ein Künstlertum, das in der Öffentlichkeit rasch wachsende Beachtung fand. Die Trapp wirkten nicht nur als A-capella-Chor, sondern begleiteten sich selbst auch auf alten Instrumenten. Trapp und Dr. Wasner bewährten sich dabei als Pioniere und Forscher auf dem Gebiete der alten Volkslieder. Diese und vor allem Kirchenchöre bildeten ursprünglich den Kern des Programms. Dem Auftreten in Wien und im übrigen Österreich folgten Auslandsreisen, insbesondere noch Nordeuropa, die sich immer deutlicher zu Triumphzügen dieser Österreichischen Künitlerfamilie entwickelten.

Trapp besaß in Algen bei Salzburg einen schönen Besitz Sein Barvermögen aber hatte er bei dem Zusammenbruch eines Bankhauses eingebüßt. Mit furchtbarer Klarheit sah er den Krieg und die vielfachen Schrecken der Zukunft voraus. Um seine Kinder davor zu bewahren, entschloß er »ich 1939 endgültig die Heimat zu verlassen. Seinen Besitz in Algen wollte er einem geistlichen Institut übergeben, die Entwicklung nahm aber andere Wege.

Einen lächerlich geringen Geldbetrag in der Tasche, wanderte der Neunundfünf zigjährige mit den Seinen nach Amerika aus, um sich dort eine Existenz aus dem Nichts neu aufzubauen. Von einem schlechten Manager geführt, unternahmen die Trapp ihre Konzertreisen durch die Vereinigten Staaten. Das kleinste der Kinder bewohnte damals in ihrem Reiseautobus eine hängende Wiege. Als der Manager versagte, versuchte Trapp, sich mit kunstgewerblichen Arbeiten über Wasser zu halten. Er und seine Kinder zimmerten und bemalten Bauernmöbel, sie schufen in Keramik Weihbrunnkessel, Muttergottesstatuen und Vasen, sie erzeugten schöne Metallarbeiten und Holzschnitzereien. „Wir hatten so wenig Geld“, berichtete Maria Trapp über diese Zeit, „daß wir uns kaum zu essen trauten. Wir haben viel gehungert...“

Aber Gottvertrauen und Mut, Arbeitsfreude und Zähigkeit führten Trapp rasch aufwärts. Ein musikbegeisterter Anwalt in Philadelphia stellte ihm ein kleines Haus unter günstigen Bedingungen zur Verfügung. Die größte Managerflrma der Welt, die Columbia, New York, übernahm die Betreuung der „Trapp Family Singers“. Damit war der Tiefpunkt endgültig überwunden.

Nach den ersten großen Erfolgen nahm der Wunsch, auf eigenem Grund und Boden seßhaft zu werden, von Trapp und den Seinen immer mehr Besitz. Er erwarb schließlich um wenig Geld und vorerst gegen eine Anzahlung eine Farm in Stowe, im Staate Vermont, USA, nahe der kanadischen Grenze. Den Ausschlag bei dem Entschluß zu diesem Kaufe gab das glückhafte Gefühl, sich in einer Landschaft anzusiedeln, die der alten daheim in Salzburg ähnelte. Aber es stellte sich bald heraus, weshalb die Farm so billig war, Trapp hatte in Wirklichkeit nur die prachtvolle Aussicht gekauft! Die Gebäude waren alt und schlecht, das Land war verwahrlost.

Und wieder unverdrossene Arbeit und nochmals Arbeit! Es entstand ein Salzburger Landhaus mit einer Kapelle und landwirtschaftlichen Nebengebäuden, ein „Salzburg in Amerika“. Die großen Wohnräume erhielten die Namen der gellebten Tondichter Bach. Haydn, Mozart, Beethoven und Schubert.

„The Trapp Family Singers“ unter Ihrem Dirigenten Dr. Wasner wurden berühmt. „Eines der besten Ensembles der Welt“, schrieb die amerikanische Presse. „Das erfreulichste musikalische Erlebnis des Jahres. — Ein Ereignis von großer musikalischer Bedeutung. — Das genußreichste Konzert seit Jahren.“ Mit unendlich viel Mühe und Arbeit hatte sich Trapp durchgesetzt. Er machte dabei nie auch nur die geringste Konzession, während viele andere Berühmtheiten durch irgendein Entgegenkommen an den Publikumsgeschmack um die Gunst der Masse warben. Die Trapp pflegen in Amerika alte Chormusik, Palestrlna, Orlando di Lasso, Vittorio, und Instrumentalmusik. Sie haben die alten Instrumente, Blockflöte, Gambe und Spinett buchstäblich erst in Amerika eingeführt. Außerdem singen sie in Jedem Konzert Chorwerke von Haydn. Mozart und Schubert, einige Madrigale und Volkslieder in alten und modernen Sätzen. Das Pensum umfaßte zuletzt mehr als hundert Konzerte In jedem Jahr. Von einem : katholischen Priester bei den großen öffentlichen Konzerten dirigiert, als geschlossene, betont katholische Familie auftretend, leisten die Trapp zugleich mit ihrem künstlerischen Wirken eine Missionstätigkeit in einem religiös eher indifferenten Lande.

Während des Sommers veranstaltete Trapp Singwochen, zu denen viele Hundert aus allen Teilen Amerikas in Stowe zusammenströmten. Das „Trapp Family Music Camp“ bietet ihnen ein einzigartiges Erlebnis in der Verbindung des Religiösen, des Künstlerischen und des schlichten ländlichen Frohsinns. Auch hier kannte Trapp keinen Kompromiß. Obwohl drei Viertel der Teilnehmer Nichtkatholiken sind, wird jeder Tag der „Sing Week“ mit einer Missa recitata begonnen und mit einem feierlichen Segen abgeschlossen.

Trapp und die Seinen kamen in Salzburger Tracht nach Amerika. Während der ersten Jahre fehlte es ihnen an Geld, sich „Zivilkleider“ zu kaufen. In ihren Konzerten wie im Alltagsleben tragen Mutter und Töchter das Salzburger Dirndl, Trapp legte nie die heimische Landtracht ab. Das hat nur den einen Nachteil, daß sie Jn den riesigen USA nirgends mehr unerkannt bleiben können.

Als die Nachrichten über das Elend der alten Heimat Trapp erreichten, setzte sogleich seine Hilfstätigkeit für Österreich ein. Um die Weihnachtszeit unterbrachen die Trapp jedes ihrer Konzerte mit einigen Worten, in denen sie die Anwesenden aufforderten, für Österreich und um einen wahren Frieden zu beten. Und es war rührend zu sehen, wie sich die Hände falteten, und zu spüren, wie aus vielen gutwilligen Herzen innige Gebete aufstiegen, — in weltlichen Konzertsälen, die durchschnittlich über tausend, aber auch zwei- und viertausend Besucher faßten.

Anfangs 1947 entschloß sich Trapp, seine Hilfe für die alte Heimat in neue, organisierte Bahnen zu lenken. Er gründete die „Trapp Family Austria Relief, Inc.,“ eine Hilfsgesellschaft zugunsten bedürftiger Österreicher. Die Mittel dafür mußte er sich durch seine Konzertreisen beschaffen.

Überanstrengt und mit einer schweren Erkrankung der Luftwege — an der er bereits 1946 gelitten hatte — wurde Trapp in ein New Yorker Krankenhaus gebracht. Als sich sein Zustand scheinbar gebessert hatte, führte ihn seine Gattin heim nach Stowe. Dort starb er am 30. Mal 1947.

Dreimal hatte sein Leben neu begonnen. Er war der junge Seeheld Österreichs, der Miterbauer der so verkleinerten Heimat und wurde in späten Jahren geistiger und künstlerischer Bote seiner Alten Welt drüben In der Neuen Welt. Aber über dem Wandel seines Schicksals stand die Harmonie einer klaren Persönlichkeit.

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