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Ein Standardwerk über Petrus Canisius

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In den letzten fünf Jahrzehnten hat die ganze wissenschaftliche katholische Welt mit besonderem Eifer auf das Erscheinen einer Biogiaphie des Petrus Canisius gewartet, besonders seit 1925, seit seiner Heiligsprechung und seiner gleichzeitigen Erhebung zum Doctor ecclesiae. Aber die gesamte Welt wußte, daß eine solche Lebensbeschreibung nur möglich sein werde, wenn die große Quellenausgabe der Briefe und Akten des Heiligen fertig sein werde, an der P. Otto Braunsberger S. J. arbeitete, die in 8 Bänden bei Herder von 1896 bis 1923 erschienen ist. P. Braunsberger arbeitete mehr als dreißig Jahre an diesem Werke und benutzte mehr als 260 Bibliotheken in England, Österreich, Belgien, Dänemark, Frankreich, Deutschland, in der Schweiz, Holland, Italien, Portugal und Spanien. Wenn natürlich eine Quellenausgabe in acht Bänden so viel biographisches Material bringt, ist nach dem Erscheinen eines solchen Werkes eine Biographie zwar eine ungeheure, aber doch dankenswerte Aufgabe.

Ein zweites notwendiges Quellenwerk, das dem englischen Verfasser zu Gebote stand, sind die Monumenta Historica Societatis Jesu, die mit ihren 62 Oktavbänden seit 1894 noch immer im Erscheinen begriffen sind und die Briefe aller Jesuiten der Frühzeit (Canisius ausgeschlossen) bringen. Auf dieses großartige Quellenmaterial gestützt, konnte der englische Verfasser uns die Lebensbeschreibung des Heiligen m zwei starken Bänden

schenken und wir sind dem Übersetzer für seine fleißige Arbeit, die dieses Werk dem deutschsprachigen Publikum bekannt macht, sehr zu Dank verpflichtet. Daß jetzt ein ganz neues Lebensbild des Heiligen entstanden ist, wollen wir in den folgenden Zeilen zeigen. Während andere Lebensbeschreibungen von Heiligen den Aufstieg des Geschilderten zur Vollkommenheit durch das ganze Leben zu zeigen 6ich bemühen, ist dies bei Petrus Canisius ganz anders. Er rechnete von allem Anfang mit der Erfüllung der Prophezeiung, die eine verwitwete Frau in Arnheim ausgesprochen hatte, daß ein neuer Priesterorden ins Dasein treten werde, durch den Gott bald verläßliche Arbeiter in seinen Weinberg senden werde und daß auch Petrus Canisius unter ihnen sein werde [I. S. 151. Mit fünfzehn Jahren, also 1536, kam Canisius bereits auf die Universität in Köln. Durch einen jungen spanischen Priester. Alvaro Alfonso, lernte er den Namen Ignatius Loyola kennen, der eben damals, 1528, von Barcelona nach Paris kam, mit Peter Faber und Franz Xaver Freundschaft schloß und sie durch seine „Geistlichen Übungen“ gewann. Durch diese Verbindungen hatte Cani6ius seinen „neuen Priesterorden“ gefunden, und am 8. Mai 1543, seinem Geburtstag, legte er das Gelübde, in die Gesellschaft einzutreten, ab. In dieser Zeit veröffentlichte er auch die Reden des mittelalterlichen Mystikers Tauler — das erste von einem Jesuiten veröffentlichte Buch (S. 55). Canisius wurde im Jänner 1546 zum Priester geweiht (S. 109) und konnte der ersten Periode des Trienter Konzils beiwohnen — hier zitiert der englische Verfasser sogar die Biographie Maximilians II. von Viktor Bibl! — (S. 123), und in Rom legte er vor dem Marienbild des hl. Ignatius, der Madonna della Strada, seine Gelübde in die Hände des Gründers des .neuen Priesterordens* (S. 149 und 178) ab.

Uns Österreicher interessiert natürlich das Kapitel .Der österreichische Schauplatz' am meisten. Canlsiut kam auf der Donau, die nach dem Urteil des Verfassers ungefähr so blau Ist wie der Mond (S. 240) nach Wien und begann hier seine Tätigkeit, die ihn in die Hörsäle der Universität, in die Klöster und Gefangenhäuser und in die Pfarren um die Stadt führte, und lernte langsam .das reizende, aber etwas leichtfertige Wienerische“ (S. 252). Mitten drein In diese verschiedenartige Tätigkeit mußte Canisius dem ziemlich wenig fruchtbringenden Religionsgespräch im Herbst 1557 in Worms beiwohnen, wo er dem .Lehrer Deutschlands“ Melanchthon gegenüberstand (I. Bd., S. 541 bis 566), während er bereits zwei Jahre später dem Reichstag von Augsburg beiwohnen sollte, in jener Stadt, der er mit Recht so viele Aufmerksamkeit schenkte, da er sie als den wichtigsten Punkt für die religiöse Entwicklung Süddeutschlands erkannte (II. Bd., S. 1). Aber bald darauf mußte er abermals nach Trient, um dort die letzte Sitzungsperiode mitzumachen. Als auch diese Last mit allen ihren Widrigkeiten und Kämpfen erledigt war (II. Bd., S. 73 bis 112), kam wieder die Pflicht der Reisen, die ihn im Verlaufe seines Lebens durch zahlreiche Städte wie Köln, Ingolstadt, Prag, Wien, Straßburg, Dillingen, Trier, Freiburg im Breisgau und in die Schweiz, Innsbruck, München, Trient usw. führte.

Schließlich schildert der Verfasser den Ausgang dieses heiligen Lebens: als er 1550 nach Deutschland kam, hatte er zwei Gefährten: Lejey und Salmeron: als er es verließ, arbeiteten daselbst IUI Mitbrüder. Sein Ende fand er in Freiburg in der Schweiz, wo der Heilige erbaulich starb, nachdem er noch ein Handbuch für den zwanzigjährigen Ferdinand, den nachmaligen Kaiser Ferdinand II., geschrieben hatte.

Das große Werk über Canisius ist eine Leistung staunenswertes Fleißes und genauer Quellenverwertung, das seinen Wert für Jahrhunderte behalten wird. Die Literatur der Gesellschaft Jesu ist um eine Musterleistung der Objektivität reicher.

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