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Eine Alpinistenballade

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In diesen Tagen wurden in Zermatt und Breuil-Cervinia, den am Nord-und Südfuß gelegenen Talorten des Matterhorns, mit großem Aufwand jener Tag gefeiert, an dem zum erstenmal vor 100 Jahren ein Bergstelger, es war dies der Engländer Edtoard Whymper, seinen Fuß auf den markantesten Gipfel des gesamten Alpenraumes setzte.

Trotz seiner eindrucksvollen Form stand das Matterhorn durchaus nicht von Anfang an im Blickfeld der Bergsteiger, wie etwa der Montblanc und die Jungfrau in den Westalpen, wie Ortler, Großglockner und Großvenediger in den Ostalpen. Das lag wohl vor allem an den geographischen Gegebenheiten, da man das Matterhorn erst in den letzten Winkeln der ihm zustrebenden Täler erblickt, anderseits erschien es den Menschen zu abschreckend In seiner ungeheuren Wucht, so daß der Gedanke an eine Besteigung vermessen erscheinen mochte. Horace Benedict de Saussure, der bekannte Schweizer Naturforscher, schrieb im 18. Jahrhundert über das Matterhorn: „Es muß einer ungeheuren Kraft bedurft haben, die fehlenden Theile dieser Pyramide zu zerstreuen und wegzukehren. Wir sehen hier nämlich keine Trümmerhaufen, sondern bloß andere Gipfel, die ebenfalls fest im Boden wurzeln und deren ebenso zerrissene Seiten auf eine ungeheure Masse von Geröll schließen lassen, von dem man gleichwohl in der Nähe keine Spuren wahrnimmt. Ohne Zweifel ist dies das Geröll, welches in der Form von Steinen, Blöcken und Sand unsere Thäler und Ebenen füllt.“

Lange schwankte auch die Namensgebung bei diesem Berg. Auf einer 1547 in der „Eidgenössischen Chronik“ erschienenen „Landtafel“ über „Die gantz Eydgnosschafft“ von Johann Stumpf wurde die Gegend des Matterhorns nur als Gletscher-

berg bezeichnet. „Certinus maximus mons“ wurde das Matterhorn in einer Genealogie des Hauses Savoyen von Filiberto di Pingon vom Jahre 1581 genannt. Bei Josias Simler, dem Schweizer Naturforscher, heißt der Berg 1644 „Mons SUvius“, wobei nicht ganz sicher ist, ob der Name auf das Matterhorn oder den nahen Theodulpaß zu beziehen ist. Auch auf der Karte der Penninischen Alpen von Jaillot, Paris 1702, wird das Matterhorn noch als „Monte Silvio“ bezeichnet. Aber schon kurze Zeit später, auf der Karte der Penninischen Alpen von Gabriel Waser von 1768 erscheint der Berg mit seinem heutigen Namen, wobei der alte Name „Mons Silrius“ ebenfalls angeführt ist. „Monte Servino“ steht schließlich auf der Carta Borgomio von 1860 zu lesen. Hieraus entwik-kelte sich auf der italienischen Seite das noch heute gültige Wort „Cervino“, während auf der Schweizer Seite die Bezeichnung Matterhorn blieb.

Man dachte an einen Luftballon

In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts waren im Umkreis des Matterhorns fast alle großen Berge erstiegen worden, darüber hinaus aber auch die Hauptgipfel der übrigen Schweiz und der Ostalpen, wie Ortler, Großglockner, Großvenediger. Mit der Möglichkeit, auch den Riesen von Zermatt zu ersteigen, befaßte man sich offensichtlich erstmals im Jahre 1855. Damals schrieb der elsässische Gelehrte Dollfus-Ausset: „Die Besteigung des Matterhorns ist möglich, ein Luftballon aus ganz außergewöhnlich haltbarem Stoff und von besonderer Form, gehalten von einem langen Seil, das sich langsam aufwickelt, würde dem Aeronauten gestatten, seine Gondel zu lenken und auf der Spitze landen zu lassen.“ Natürlich mußte eine solche Vorstellung Utopie bleiben.

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