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Erzherzog Karl

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Über der Wiege Erzherzog Karls wölbt sich wie ein reichverzierter Baldachin die erhabene Vision von Florenz, deren mächtige Zeugen bis in die Gegenwart lebendig geblieben sind. Früh wurde der Sinn dieses neben Erzherzog Rudolf, dem späteren Kar-dinalerzbischof von Olmütz und Schüler Beethovens, begabtesten unter den zehn Söhnen Leopolds II. empfänglich für die große Welt der medieeischen Traditionen. Es war wirklich die Nachblüte eines Musenhofes im Stile der einstigen Renaissance^ den sich Großherzog Leopold von Toskana seit 1765 hier in Florenz geschaffen und es war ein ausgesprochen italienisches Milieu, in das der am 5. September 1771 geborene Erzherzog Karl hineinwuchs. Denn auch die zarte und dabei so kinderfrohe Mutter Maria Ludovica war Italienerin, eine Prinzessin beider Sizilien, wohin einmal Maria Theresias stolzeste Tochter Maria Karoline als Königin kommen sollte. — Während Maria Theresia selbst ihr Lebfen nur noch zwischen den Pf Hellten als Herrin und Mutter ihrer großen eigenen Familie und der ihrer Länder und der Trauer um den geliebten Gemahl aufteilte, während Kaiser Joseph sich in so gutgemeinten, aber immer etwas forcierten Reformen langsam verzehrte, breitet sich über die große Familie Leopolds der heitere Himmel Toskanas und löst die Pflichten des Lebens auch für den jungen Erzherzog Karl zu froher Entfaltung auf.

Der frühzeitige Tod Kaiser Josephs wirft die ersten Schatten auf die weitere Entwicklung des lebhaften und vielseitig veranlagten Jünglings: mit dem 20. Februar 1790 übernimmt der Vater die Bürde des Reiches und der gesamten österreichischen Erbländer, während der älteste Bruder, Franz, der dem Vater nur allzu rasch folgen soll, bereits seit 1784 unter den Augen des großen Oheims seine Entwicklung in Wien vollendet hat. Bei der Kaiserkrönung zu Frankfurt im Herbst 1790 begegnet Erzherzog Karl unter anderem auch der einstigen Lieblingstochter Maria Theresias, Erzherzogin Maria Christine, und ihrem Gemahl, Herzog Albert vor, Sachsen-Teschen.Schon vor Jahren hatte das Brüsseler Statthalterpaar, dem zum vollen Glück gegenseitiger Neigung und gemeinsamer geistigkünstlerischer Interessen nur die Kinder versagt geblieben, den jungen Erzherzog Karl ins Herz geschlossen. Wiederum erbaten sie sidi den Neffen vom nunmehr kaiserlichen Bruder Leopold, der ihn im Laufe des Jahres

1791 tatsächlich zur weiteren Ausbildung nadi Brüssel entsandte. Eine entscheidende Wende im Leben des jungen Prinzen: was im großen Rahmen der toskanischen Heimat begonnen, das fand nun am Hofe der Niederlande in einer gleidifalls bewußten Erneuerung machtvoller Traditionen seine Fortführung und Vollendung. Die vielfachen Anregungen Herzog AJberts und die verhaltene Mütterlichkeit Maria Christinens- belebten die letzten Jugendjahre des so rasch verwaisten Prinzen, denn bereits am 1. März

1792 war Kaiser Leopold II. nooh nicht 45jährig abberufen worden, schon am 15. Mai des gleichen Jahres folgte ihm seine Gemahlin, von der sich Erzherzog Karl gerade nodi verabschieden konnte. Mit dem Tode der Eltern wird Erzherzog Karl aber auch in die ernste Richtung seines Wirkens gewiesen,

, nicht umsonn hat er die letzten- eineinhalb Jahre hart an der Grenze Frankreichs verlebt, von dessen Revolutionswellen nun auch seine Wahlheimat aufs schwerste ersdiüttert werden soll.

Die Krönung Franz' IL, die letzte Kaiserkrönung zu Frankfurt am Main, ist bereits vom nicht allzu fernen Geschützdonner der Rheinkampagne begleitet, die österreichischen Niederlande fallen vorübergehend in die Hand der Grande nation. Aber sdion im nächsten Jahre (1793) beteiligt sich der junge Brigadier Erzherzog Karl maßgebend an der Rückgewinnung des Landes. Bald nadi dem Siege von Neerwinden kann er an der Seite seines Oheims in Brüssel einziehen, dem er im Amt des Generalstatthajters folgt, ein Amt, das einst audi Prinz Eugen innegehabt und dazu eine Stellung, die es immer wieder zu erwerben gilt, um sie zu besitzen. Aus der Hand des alten Reichsfeldmarsdialls Prinzen Josias von Sachsen-Coburg-Saalfeld erhält der junge, aber verantwortungsernste Statthalter das Großkreuz des Maria-Theresien-Ordens. Im kommenden Koalitionskrieg rückt Erzherzog Karl bald an die Stelle des alten Koburgers, ihm gegenüber stehen nidit unbedeutende Führer, wie Jourdan und Moreau, und er, der am Arno geboren, verteidigt nun das sterbende Reich am Rhein und am Main, in der Vils und an -der Lahn getreu .der Sendung seines Hauses. Schon damals finden seine Siege einen starken Widerhall in der deutsdien öffentlidikeit, weil man im Lager

'des persönlich so besdieidenen Reidisfeld-marsdialis di? letzten Werte einer würdigen Haltung gesichert sieht, während die anfangs

• so begeistert erriditeten „Freiheitsbäume“ schon wieder verdorren und dafür wiederum Österreich die ganze Bürde der Reidisver-teidigung zugewiesen erhält. Anfang 1797 tritt der letzte Reichsfeldmarsdiall dl'nn jenem neuen französischen Oberbefehlshaber entgegen, der ihm der kongenialste Partner werden soll und dem er (Erzherzog Karl) einmal den Nimbus der Unbesiegbarkeit nehmen wird: Napoleon Buonaparte.

1799 drängt Erzherzog Karl Jourdan über den Bodensee und sdilägt Massena bei Zürich, also auf dem Boden des einstigen Stammlandes seines Hauses. Dazu steht er — wie auch Prinz Eugen in gleich schwerer Zeit — in einem steten Zweifrontenkrieg mit den äußeren Feinden ebenso wie mit der amtlichen Fronde des Hofkriegsrates in Wien; die innere Sdiwunglosigkeit der Etappe, die sich meist nur in hohler Kritik erschöpft, veranlaßt den Reichsfeldmarschall vorübergehend den Oberbefehl niederzulegen. Bis sich sein leicht beeinflußbarer und dann wieder ziemlich starrköpfiger kaiserlicher Bruder Franz II. dazu entschließt, Karl selbst an die Spitze des Hofkriegsrates zu stellen; nun kann dieser die Kräfte entsprechend konzentrieren, die freilich für den weit ausgespannten Kriegsschauplatz niemals ausreichen können. Trotz seines ruhmvollen Sieges bei Caldiero (1805) über Massena, kann er die Katastrophe von Austerlitz, diesen glückhaften Erfolg Napoleons, nicht verhindern, um so mehr nützt er die wenigen Friedensjahre zu einer grürtdlidien Heeresreform, wobei die Gründung des „Kriegsarchivs“ nur eine unter den vielen nachhaltigen Neuerungen ist. — Wie einst Prinz Eugen — die Parallelen drängen sich unwillkürlich auf — war auch Erzherzog Karl für einen fremden Königsthron ausersehen, aber wie der große Savoyer die Piastenkrone ausgeschlagen, so ließ sich auch der Erzherzog in kein spanisches Abenteuer verlocken. Eine spanische Patriotengruppe wollte diesen vielleidit bedeutendsten Enkel Maria Theresias an Stelle des verhaßten Bruders Napoleons, aber auch der wenig populären Bourbonen für den Thron Karls V. gewinnen — der Erzherzog lehnte ab —, seine Pflicht hielt ihn für den Kampf um die Wahrung Österreichs, für den Tag von Aspern, dessen gewaltige moralische Bedeutung auch frühere und spätere -Mißerfolge gegen den Kprsen nicht schmälern konnten.

Mit Aspern schließt eigentlich des Erzherzogs glänzende Feldherrnlaufbabn ruhmreich ab; verstimmt über die Kritik Franz' I. am Znaimer Waffenstillstand zieht sich der Generalissimus nach Tesdien zurück, dessen sdiöner Besitz 1812 von Herzog Albert an Erzherzog Karl übertragen wird; der Oheim selbst stirbt erst 1822, fast ein Vierteljahrhundert nach der geliebten Gemahlin, der er in der Wiener Augustinerkirche von Canovas Meisterhand ein so schlicht-grandioses Grabmal hatte errichten lassen. — Die Rückkehr Napoleons von Elba ruft Erzherzog Karl als Gouverneur nach Mainz und führt ihn damit einem späten, aber um so sonnigeren Familienglück entgegen. Von Mainz aus verkehrt der in ganz Deutschland so beliebte Feldmarschall auch in der Familie des Herzogs von Nassau- Weilburg, und hier verbindet er sidi mit der erst 18jährigen Prinzessin Henriette; in aller Stille findet am 17. September 1815 die Vermählung des im Alter so ungleichen, im Wesen und in seinen- vielfachen Neigungen sich so harmonisch ergänzenden Paares statt. Eine freilich nur vierzehn glückliche Jahre währende Ehe ist dem Erzherzog beschieden, 1829 wird ihm die Gemahlin mit erst 32 Jahren entrissen, doppelt einsam, aber in steter geistiger Tätigkeit sind dem alternden Feldmarschall noch fast zwei Jahrzehnte bestimmt, erst 1847, als die Zeichen einer neuen Zeit sich immer drohender ankünden, wird er am 30 April vom Tode abberufen. — Wir wissen nicht, ob er dem Ruf der Nationalversammlung gefolgt wäre, die ein Jahr • später seinen Bruder Johann zum Reichsverweser erkor und damals eigens betonte, daß der „Retter Teutschlands“, Erzherzog Karl, nidit mehr unter den Lebenden weile. Man wußte, daß der letzte Reichsfeldmarsdiall Metternichs starrem Rationalismus immer fern geblieben, hatte er doch 1815 zu denen gehört, die das Interesse Österreichs hatten nach Westen lenken wollen; man hatte ja damals von der Rückgewinnung Elsaß-Lothringens geträumt, von der Bildung eines oberrheinischen „Königreichs Alamannien“ unter Erzherzog Karl, einer Konzeption, der er sich wohl nicht verschlossen hätte. — Dem Idyll einer so kurzen Ehe war die „Weilburg“ in dem anmutigen Heldental bei Baden unweit Wiens erwachsen; hier verlebte der Erzherzog seine letzten Jahrzehnte wie ein der edle Ritter in seinem Belvedere. Hier schrieb er seine militärwissenschaftlichen We,rke und das Fragment seiner Selbstbiographie, die in der wohlmeinenden, wissenden Weise des Alters manches vermerkt, was den Ausgang des Reiches vielleicht beschleunigte, worin das Metternichsche System nicht immer glücklich gewesen usw. Hier empfängt er Grillparzer und Radetzky, Ferdinand Ressel und den jungen Tegethoff; hier überwacht er die Erziehung seiner Kinder, besonders seines Altesterl, des späteren Feldmarschalls Erzherzog Albrecht und Siegers von Custozza (1866).

Man hat Erzherzog Karl den einzigen Feldherrn unter den Habsburgern genannt. Er gehört zu den großen Österreichern, weil er sich in oft harter Selbstentäußerung in den Dienst der historischen Sendung seines Volkes und Hauses gestellt. Kein Eroberer, sondern wie all die Großen, die einmal die Fahne des Reiches ergriffen, Verteidiger einer so vielfach erschütterten Ordnung, suchte er das Reich zu schirmen wider die blutigen Ideologien der Revolution und den hemmungslosen Imperialismus Napoleons, Hiefür hat er erst den Degen, später die Feder geführt, für die letzte Wahrung der christlich-abendländischen Kultur, für die sein Hauj und sein Vaterland Jahrhundert um Jahrhundert seine Fahnen entfaltet und sein Bestes zum Opfer gebracht.

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