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Feldmarschall Erzherzog Eugen

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Am Tage, da bei Aspern im Jahre 1809 der Enkel Maria Theresias, Erzherzog Carl, jene Schlacht annahm, in welcher dann Napoleon I. seine erste Niederlage hinnehmen mußte, kam 1863 in Groß-See-lowitz, dem mährischen Landschloß* des Generalissimus, Erzherzog Eugen zur Welt. Die Feldherrnbegabung des Siegers von Aspern dokumentierte sich nicht bloß in seinem Sohne A 1 b r e c h t, der sie 1866 bei Custoza bewies, sondern auch in seinem Enkel Eugen (Sohn des Erzherzogs Carl Ferdinand), der bestimmt war, im ersten Weltkrieg außerordentlich schwierige Aufgaben zu lösen. Der Erzherzog erhielt sein hohes militärisches Amt nicht nur kraft seiner Zugehörigkeit zur Dynastie, er zählte zu den sorgfältigst erzogenen kaiserlichen Prinzen, denn er mußte nach dem Unterricht in den Gymnasialfächern alle Disziplinen der Theresianischen Militärakademie studieren, er mußte die Kriegsschule in vollem Umfange absolvieren und bei den Hauptwaffengattungen Dienst versehen. Er gehörte mit fünf späteren Generalobersten seines Jahrganges dem Generalstabskorps an, kommandierte alle Heereskörper bis zum Armeekorps und erreichte schließlich die Würde eines Armeeinspektors, zugleich berufen zum Landesverteidigungs-Oberkommandanten in Tirol und Vorarlberg. Als Erzherzog Eugen im Range eines Generals der Kavallerie im Jahre 1912 krankheitshalber beurlaubt wurde, hatte es fast den Anschein, als wäre damit seine Soldatenlaufbahn beendet gewesen, und auch der Beginn des Krieges 1914 bis 1918 stellte ihn zunächst nur auf den Posten eines Generalinspektors der freiwilligen Kriegsfürsorge, bis dann im Dezember 1914 seine Stunde schlug. •

Die Balkanstreitkräfte hatten in Serbien eben ihre Stellungen räumen müssen, wobei die Truppen manche Einbußen erlitten und eine Vertrauenskrise drohte in Tagen, da man gegen Mißerfolge noch nicht so abgehärtet war wie in den folgenden Kriegsjahren, die Schlagkraft noch weiter zu beeinträchtigen. Da trat Erzherzog Eugen am 23. Dezember 1914 in Peterwardein an die Spitze der Balkanstreitkräfte, und schon die Tatsache allein, daß ein so prominentes Mitglied der Familie des Monarchen eine kritische Kampffront übernahm, wirkte allgemein beruhigend und ermunternd. Junge Leutnants wurden alsbald in das Hauptquartier befohlen, um aus den Händen des neuen Oberkomman-danten Dekorationen und mit diesen die wohltuende Gewißheit zu empfangen, daß die tapfere Haltung des Soldaten in unglücklichen Kämpfen vielleicht sogar noch mehr anerkannt werde, als wenn es siegreich vorwärts geht. Die Truppen gewannen unter der zielbewußten Tätigkeit der neuen Führung in kurzer Zeit ihre alte Schlagfertigkeit, und die Wacht im Südosten stand bald wieder ' ebenso fest wie Monate zuvor beim Ausbruch der Feindseligkeiten. Dieser ersten entscheidenden Leistung folgte bald eine nicht minder bedeutende, als am nördlichen Kriegsschauplatz dringender und erhöhter Truppenbedarf eintrat und der Erzherzog vom Aimeeoberkommando, das seinem Bruder Friedrich anvertraut war, um die Zustimmung gebeten wurde, daß Kräfte vom Südosten nach dem Norden abgegeben werden. Ohne Zögern stimmte Erzherzog Eugen in sofortiger Erfasung der Wichtigkeit einer solchen Maßnahme zu und noch im Jänner bis Februar 1915 sandte er sieben retablierte Divisionen nach der Karpatenfront, die dadurch von einer bedrohlichen Gefahr bewahrt werden konnte. Es war zweifellos eine harte Nervenprobe, sich am Balkan auf ein Mindestmaß an Verteidigungskräften beschränkt zu sehen, wo zwar die feindlichen Truppen infolge ihrer völligen Erschöpfung durch die vorangegangenen österreichisch-ungarischen Angriffe nicht unmittelbar zu fürchten waren, wo aber doch die ganze Lage höchst ungeklärt blieb.

Als einige Monate später mitten im siegreichen Vormarsch nach der Schlacht bei Gorlice im Mai 1915 Italien an Oesterreich-Ungarn den Krieg erklärte, war es wieder Erzherzog Eugen, von dem man Rettung aus neuen Nöten erwartete. Mit 22. Mai zum Generalobersten und Kommandanten der Südwestfront ernannt, führte er unverzüglich die beiden noch an der serbischen Front stehenden Korps an den Isonzo, so daß an der serbisch-montenegrinischen Front der Grenzschutz nur noch Landsturmtruppen überlassen werden mußte. Galt es hier nochmals eiserne Zuversicht bewahren, so erforderte der vor sich gehende Aufmarsch gegen Italiens Offensivarmeen in noch viel höherem Maße kaltes Blut. Wenn man bedenkt, daß sich das frische Heer einer Großmacht am 23. Mai mit fünffacher Ueberlegenheit gegen Oesterreichs Grenzen vorschob und daß an diesen Grenzen vom Stilfser Joch bis zur Adria streckenweise überhaupt keine Verteidiger zur Verfügung standen, kann man ermessen, welche ungeheure Verantwortung auf dem Kommando der Südwestfront lastete, das einen feindlichen Vorstoß in das Innere der Monarchie unter keinen Umständen zulassen durfte. Mit unerschütterlicher Ruhe wurde die Abwehr aufgebaut, unterstützt durch einen kühnen Vorstoß der ihren Gegnern zur See ebenfalls zahlenmäßig weit unterlegenen Kriegsflotte gegen die italienische Ostküste, und als sich am 23. Juni der Gegner zum ersten Großangriff am Karst erhob, da hielten die k. u. k.

Truppen überall stand — noch immer gegen eine vierfache Uebermacht. , Mit diesen Kämpfen begannen die legendären elf Isonzo-schlachten, die alle unter dem Befehl des Erzherzogs Eugen geschlagen wurden und die angesichts der beiderseitigen Kräfteverhältnisse — sowohl nach Zahl als auch nach Material — für immer eine der staunenswertesten Leistungen der Kriegsgeschichte bleiben. Erfolge einer Minderzahl gegen Uebermacht sind an sich nicht zu häufig in der Geschichte, Erfolge aber, errungen von einer vielnationalen Minderheit gegen ein mächtiges national einheitliches Volk, bilden die seltene Ausnahme: die Südwestfront hat solche Leistung vollbracht.

Die elf Isonzoschlachten reihten Sieg an Sieg, mag auch in der sechsten Schlacht Görz verlorengegangen sein, als seine Besatzung zugunsten der Offensive in Südtirol geschwächt worden war. Doch galt der Erfolg des Angreifers selbst nach Cadornas eigenem Urteil als „quasi nullo“. Die Kulmination der Kämpfe am Karst brachten 1917 die zehnte und die elfte Schlacht, von denen letztere als das erbittertste Ringen des ersten Weltkrieges in die Historie eingegangen ist. Der Feind griff an drei Septembertagen den Monte San Gabriele mit 1400 Geschützen, die zur „Feuerbelagerung“ auf nur sieben Kilometer breitem Raum konzentriert waren und 45.000 Schuß abgaben, an, es war dies die dichteste Massierung in jenem großen Völkerringen.

Unterbrochen wurden die Ereignisse am Karst durch die Offensive in Südtirol im Mai 1916, die unter dem Kommando des Erzherzogs 30 Kilometer tief in die gegnerischen Aufstellungen eindrang und zur Eroberung von 318 Geschützen und zur Gefangennahme von 47.000 Mann führte. Da aber schon am 9. Juni 1916 die ersten Divisionen nach der Ostfront abgehen mußten, wo bei Luzk ein schwerer Rückschlag eingetreten war, schien es geraten, die verheißungsvolle Offensive abzubrechen. Die Krönung der Feldherrntätigkeit an der Südwestfront brachte dann die zwölfte Isonzoschlacht, die am 24. Oktober 1917 einsetzte und die gegnerischen Kräfte bis an die Piave zurückdrängte. Nach dem mit 30 k. u. k. und sieben deutschen Divisionen erzielten Durchbruch bei Flitsch-Karfreit-Tolmein blieben 300.000 Gefangene, 3152 Geschütze und 4732 Maschinengewehre und Minenwerfer in den Händen des Siegers. Der Befehlshaber der „Heeresfront Erzherzog Eugen“ hat sich in dieser Schlacht auch als Vorgesetzter verbündeter Kontingente erprobt.

Alle diese rückblickenden Betrachtungen von heute haben nichts mehr mit den politischen Gegebenheiten vor mehr als drei Jahrzehnten, nichts mehr mit damaligen Stimmungen, Gegnerschaften und Feindseligkeiten zu tun. Die Staatenwelt von 1914 bis 1918 ist versunken, wir Lebenden stehen vor gänzlich anderen Situationen. Wenn aber ein einzelner in schwierigster Lage und unter drückendstem Auftrag seinen ihm zu jener Zeit gestellten Aufgaben in beispielgebender Pflichterfüllung nachgekommen ist, dann bleibt die rein persönliche Tat für sich und für immer bestehen und es darf ihr nie die gebührende Anerkennung versagt werden.

Mit Beginn des Jahres 1918 wurde der Kommandoapparat der Südwestfront aufgelöst, es gab nur noch eine einzige Hauptfront und für diese genügte das Armeeoberkommando. Der Erzherzog-Feldmarschall schied daher aus dem aktiven Dienste aus — mit ihm, dem Unbesiegten, ging der Sieg. Gewiß standen ihm 1914 bis 1917 ganz hervorragende Generalstabschefs zur Seite, ebenso waren die untergeordneten Armeekommandanten auserlesene Gehilfen, allein verantwortlich für alle Entschlüsse und Befehle war aber doch nur der Befehlshaber der Südwestfront, ohne dessen Billigung in seinem Bereiche nichts geschehen und nichts unterbleiben konnte. So wie ihm bei einer Niederlage die Verantwortung ausschließlich angelastet worden wäre, so muß ihm der Ruhm der Erfolge ungeteilt überlassen werden. Krone, Staat und Volk kargten auch nicht mit höchsten Auszeichnungen und Ehrungen vom Großkreuz des Maria-There si e n-Ordens und den Brillanten zum Verdienstkreuz bis zum Ehrenmitglied und Kurator der Akademie der Wissenschaften und fünffachen Ehrendoktor.

Im Jahre 1886 hatte Erzherzog Eugen den Ritterschlag als Profeßritter des Deutschen Ritterordens bei gleichzeitiger Bestellung zum Koadjutor und Nachfolger des Hoch-und Deutschmeisters Erzherzog Wilhelm empfangen. Nach dessen Tod 1894 bekleidete er die im Hause Habsburg seit 1805 erblich gewesene Würde des Hoch- und Deutschmeisters, die auch mit der Inhaberschaft des Wiener Hausregimentes verbunden war, bis zum Jahre 1923, in welchem der letzte Hoch-und Deutschmeister resignierte. Seither lebt der Feldmarschall als schlichter Bürger vollkommen zurückgezogen meist in den Tiroler Bergen, die ihm von jeher den beliebtesten Aufenthalt bedeuteten. Wenn sich an seinem 90. Geburtstage nicht bloß die alten ergrauten Mitkämpfer vom Isonzo und aus der Tiroler Gletscherwelt des hochverdienten Heerführers erinnern, sondern auch die nachfolgende Generation, hat dies seine Ursache nicht zuletzt darin, daß er im ersten Weltkriege als der unter den Mitgliedern des Kaiserhauses weitaus populärste und beliebteste Erzherzog durch seine militärische Führung die Unversehrtheit der österreichischen Kernlande erhalten hat.

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