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Gebet mit erhobenen Armen

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Allmächtiger, ewiger Gott, durch die segensreiche Enthaltsamkeit heilest Du Leib und Seele; daher flehen wir Deine Majestät in Demut an: laß Dich versöhnen durch die frommen Bitten der Fastenden und gewähre uns jetzt und künftighin Deinen Beistand.

(Kirchetigebet vom Quatetnbersamstag des Herbstes.)

Der grofje Quatembergottesdienst des Herbstbeginns, in dessen liturgischem Rahmen die verschiedenen Stufen des Priesferweihesakraments gespendet wurden, fand in alten christlichen Zeiten während der Nacht zum Sonntag statt. Man begrüßte knapp vor der eigentlichen Meßfeier das aufgehende Tagesgestirn mit dem Lobgesang der drei Jünglinge aus dem Feuerofen. Das Formular der heute am 18. Sonntag nach Pfingsten gefeierten Messe stammt aus einer späteren Zeit, es ist wahrscheinlich das einer alten Kirchweihmesse, die nun, da die Quatemberliturgie auf den Samstag vorverlegt wurde —- und damit aus dem Bewußtsein der Gläubigen mehr und mehr verschwand — für die Sonn- tqgsfeier ausgewählt wurde. Mit dem großen Versöhnungsgebef der Kirche wird auch heute noch der Quafember- gottesdienst eingeleitet. Hinter seiner Liturgie scheinen ja die schattenhaften Vorbilder des Alten Bundes, das Neu- jahresfesf, das Laubhüttenfest der Wüstenwanderung, vor allem aber der Große Versöhnungstag auf, den die Juden heuer auch in diesen Tagen begangen haben.

Für die Katholiken gibt es zu Quatember heute kein spezielles Fasten- und kein Abstinenzgebot mehr. Aber gerade jetzt beginnt das neue Arbeits jahr der Katholischen AKtion unseres Landes, das unter dem Titel „Opfer bereichern das Leben" steht. Kein Gottesdienst ist zur Sammlung und Besinnung vor dem herbstlichen Neubeginn sinnreicher als der am Quatember. Das Fasten hat ja nicht nur den Bußcharakter des Aschermittwochs, nicht nur den Charakter mystischer Leidvereinigung in der Passionszeit. Es trägt zum Herbst die Züge der Bereitung, der erneuten Hinkehr zum Herrn. Es ist weniger mit langen Bußübungen, als vielmehr mit einer Stunde des Nachdenkens, der Zusammenfassung der Gedanken und Wünsche, des Aufblicks verbunden. Vor allem: es ist kein Privatfasten, keine Yoga-Dbung des einzelnen, es ist ein Fasten der Gemeinde, ein Akt, den das „Volk Gottes" vollzieht, das in der gemeinsamen Gebetsfeier vor dem Angesicht des Herrn erscheint. Es ist ein Gefühl der Solidarität, die uns besonders mit denen verbindet, die durch das Bundeszeichen der Taufe zu uns gehören und für deren Tun und Lassen wir brüderlich verantwortlich bleiben, wenn sie auch noch so weit „draußen" sind. Einst betrat der Hohepriester am Versöhnungstag als einziger das Allerheiligste, um mit erhobenen Armen für das draußen in Buße versammelte Volk zu beten. Unsere Priester des Neuen Bundes haben diesen Zutritt — und mehr noch — an jedem Tag. Aber sie sind auch bestellt, an jedem Tag vor dem Anqesicht des Lebendigen für alle zu liehen, die ihnen anbefohlen sind. Und wir sind gerade an diesen Tagen der tastenden Neubesinnung gerufen,, ihre erhobenen Arme zu stützen, damit sie nicht müde herabsinken.

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