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Gefährlicher Amerikaner

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Ist Angst der gemeinsame Nenner, der die USA noch zusammenhält? Newton Leroy Ging-rich, seit einer Woche republikanischer Sprecher des Repräsentantenhauses, spielt jedenfalls gekonnt auf dieser Klaviatur. Dabei vermanscht er propagandistisch geschickt historische Reminiszenzen, ist er doch Geschichtsprofessor, mit konkreten Sorgen des Normalamerikaners.

Zu einem amerikanischen Auschwitz, sagt er, dürfe es nicht kommen. Aus Auschwitz kann man in den USA nach wie vor tagespolitisches Kapital schlagen. Gingrich zeichnet ein Auschwitz-Bild von der Vernichtung der USA via Vergewaltigung von Frau und Tochter und Zerstörung des eigenen Wohnviertels durch überbordende Kriminalität. Eine Realität, die jedem Amerikaner geläufig ist.

Bill Clintons Versuche, eine Wende in den USA nach der Reagan-Ära und den Bush-Jahren herbeizuführen, die Friedensdividende nach dem Ende des Kalten Krieges dem Normalbürger mittels eines erneuerten Bildungs-und eines neuen Gesundheitssystems zukommen zu lassen, sind mitten in seiner Amtszeit bereits gescheitert - nicht zuletzt eines starken Kongresses wegen, der sich, obwohl bis zur Novemberwahl in beiden Häusern demokratisch dominiert, mit den präsiden-tialen Vorstellungen nur zögernd anfreunden konnte.

Jetzt will Gingrich den Kongreß dorthin führen, wo ihn seiner Meinung nach die Gründerväter haben wollten: mitten in die Regierungsmacht. Das würde eine noch deutlichere Abwertung des Präsidenten als lahme Ente bedeuten als dies jetzt schon der Fall ist.

Soziales und solidarisches Denken liegen Gingrich fern. Jeder ist seines Glückes Schmied, beschwört er angeblich uralte amerikanische Werte. Verbrechern gesteht der neue Herrscher auf dem Kapitol keine Besserungswilligkeit zu. Die Todesstrafe, auch Bill Clinton wagte nicht, dem Trend zum lockeren Totspritzen oder Totrösten entgegenzutreten, soll Amerika von seinen inneren Feinden befreien. Gegen die äußeren hat Gingrich auch ein Programm parat: In einem demnächst erscheinenden, gemeinsam mit einem Science-fiction-Autor verfaßten Buch träumt er den Traum Ronald Reagans von Star wars zum bitteren Ende. Ein- und Unterordnung ist nicht Sache dieses „neuen Amerikaners”: US-amerikanische Weltsicherheitspolitik soll nicht mehr unter UN-Auspizien ablaufen. Die USA sollten selbst mit Macht und Stärke ihre Glaubwürdigkeit weltweit vertreten.

Ein Mitarbeiter Gingrichs subsumierte alle Aussagen und Anstrengungen des neuen Speakers des Repräsentantenhauses unter die Formel: „Wir brauchen eine neue amerikanische Aufgabe.” Schlimm genug, wenn Gingrich zu Hause diesen Auftrag erfüllt. Außenpolitisch wäre die Durchsetzung seiner Ideen äußerst gefährlich und verhängnisvoll.

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