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Gelegenheit macht Sparer

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Der erste Sparraum der Welt war die Höhle, als „Schatzhöhle“ heute noch dem Volksmund geläufig. Krüge, in ihrer bauchigen Form ein Inbegriff des Speicherns und Bewahrens, folgten. Und dann kommt gleich die Sparbüchse, in Ton modelliert und gebrannt. Das älteste bekannte Exemplar der Welt datiert um 250 v. Chr. und hat die Form eines griechischen Schatzhauses. Etwa 15 cm hoch, war auf der schön profilierten Vorderseite der Einwurf schlitz, während eine größere Oeffnung auf der Rückseite der Entnahme des Geldes diente. Sogar ein Verschluß mit Schnur und Siegel war vorgesehen. Ein Fund aus der Gegend von Milet in Kleinasien, der im staatlichen Museum in Berlin stand. Antike römische Sparbüchsen wurden in Pompeji und anderorts häufig gefunden und man kann auf ihre weite Verbreitung schließen. Noch im späten Mittelalter wurden ihre Formen nachgebildet. Das Kunstgewerbe der Renaissancezeit und des Barock bringt neue und reiche Gestaltung, schmückt den Ton mit bunter Glasur und verwendet auch Metall, Porzellan, geschnitztes und bemaltes Holz u. a. In der Biedermeierzeit waren schöne Sparbüchsen aus Silber ungemein beliebt und einzelne haben sich bis heute in mancher Familie erhalten.

Die erhabene Herkunft verpflichtet. Noch heute haftet dem soliden Geldinstitut etwas von der Würde und Vornehmheit jener frühen Tempel an, seine Beamten bewegen sich gelassen, ihre Sprache ist ruhig, geradezu aristokratisch im

Vergleich zum Lärm und zur Hast der Straße. Mit Respekt nimmt man dieses Phänomen wahr, wenn man die Räume der Ersten österreichischen Spar-Casse am Graben in Wien betritt.

Was alles ist dem Gold, dem Geld an blutrünstigen, an todbringenden Eigenschaften nachgesagt worden! Hier spürt man nichts davon. Hier ist das Geld, das in Bündeln, in Form von Schecks, als Münze zwischen diesen alten Mauern ruht, nichts Böses. Es ist gut, ist irgendwie warm, ist geadelt durch den besonderen Sinn, den es in diesem Hause durch den Willen seiner Gründer und Verwalter bis auf den heutigen Tag empfängt.

Hier wird nicht auf steigende und fallende Kurse spekuliert, hier hat die Baisse oder Hausse einiger Wertpapiere im internationalen Börsenbetrieb keine blassen Gesichter zur Folge, hier greift keiner zur Pistole, wenn in Fernost eine Kautschukprovinz in einen Krieg verwickelt wird. Hier wird ruhig, sachlich, klug und verantwortungsvoll mit den Sparguthaben Hunderttausender kleiner und großer Leute operiert.

Daß man gerade hier den Gedanken faßt, ein Sparkassen-, Münz- und Urkundenmuseum zu gründen, daß gerade hier die Geschäftsleitung diesen Plan nach Kräften förderte, ist nach all dem kein Zufall. Es ergibt sich aus der Atmosphäre des Hauses, die von allen gemeinsam auf dem Boden einer 135jährigen Tradition geschaffen wird. Nicht ohne Stolz erzählen die Beamten von ihren Ahnherren, dem damaligen Minister des Inneren, Grafen von S a u r a u, obersten Kanzler Kaiser Franz’ des Ersten, und dem Pfarrer Weber von der Kirche zu Sankt Leopold in der Leopoldstadt, der sich tatkräftig an die Spitze der Bürger der Leopoldstadt stellte und mit einem Konsortium als wahren Avantgardisten des Spargedankens eben diese Erste österreichische Spar-Casse gründete. Zu einer Zeit, als noch lange die Postkutschen fuhren, die Stadttore abends geschlossen wurden und sich noch niemand etwas von einer Eisenbahn träumen ließ.

So etwas kommt uns heute sonderbar vor, fast können wir uns nicht mehr vorstellen, es sei jemals eine Zeit gewesen, in der es keine Sparkassen gegeber hat. Und doch: diese Gründung war die erste auf dem Boden der alten Monarchie und eine der ersten im ganzen deutschen Sprachgebiet. Daraufhin entstand eine mächtige

Bewegung, die zu zahllosen Gründungen nach diesem ersten Muster führte. Schon 1820 entsteht die erste Sparkasse in Laibach. 1822 entstehen gleich neun: Venedig, Bregenz, Innsbruck,

Spalato, Padua, Rovigo, Monselice, Udine und Castelfranco-Veneto. 1823 in Mailand, 1824 in Brescia und Ober-Hollabrunn, 1825 in Graz und Frag. Und so weiter wie die Pilze nach dem Regen. Und wir Enkel jener legendären Zeit können uns der Rührung kaum erwehren, wenn so traute Orte wie Ober-Hollabrunn und Brescia, wie Prag und Graz in einem Atem genannt werden. Wir träumen einen Augenblick lang eine Episode jener nahrhaft-bunten Zeit, als ein Atem durch das ganze kostbare Vielvölkergebilde ging

Doch halt. Die Gegenwart lebt und das Vergangene ist nicht tot. Es steht vor uns in den zauberhaften Gebilden von Sparbüchsen aus verschiedenen Jahrhunderten, in Silber, in Messing, in Kupfer getrieben, aus Eisen geschmiedet, aus Holz geschnitzt. Renaissance und Rokoko geben sich hier ebenso ein Stelldichein wie die Zeit der Zünfte und wie unsere Tage, die mit handlichen Büchsen vertreten sind, die heute in vielen Exemplaren in den Familien unterwegs sind und ein- oder zweimal im Jahr vom Institut mit eigenen Schlüsseln geöffnet werden. „Gelegenheit macht Sparer“ heißt dieses Prinzip und qs hat manche Familie „auf einen grünen Zweig“ gebracht. Manches Studium, manche Aussteuer, wurden aus zahllosen kleinen Beiträgen, zusammengelegt im Laufe von Jahren, bezahlt.

Die Einlagen der Sparer werden verzinst, und um diese Zinsen zahlen zu können, läßt die Spar-Casse das Geld arbeiten. Sie gewährt Darlehen und Kredite in verschiedener Form, aber nur an Personen, Unternehmungen und Institutionen, die vollkommene Sicherheit zu bieten in der Lage sind. Sie beteiligt sich ferner an der Zeichnung von Anleihen, wie etwa an der Energieanleihe oder der Wohnhaus-Wiederaufbauanleihe, und trägt so indirekt zur Arbeitsbeschaffung bei. Denn das Geld der Sparer darf keinen Augenblick lang aufs Spiel gesetzt werden, es ist der Geschäftsleitung gewissermaßen „heilig“.

Vielleicht kommt daher die besondere Luft in diesem Hause, diese absolute Ruhe, die trotz des Lärms der Bauarbeiten, durch die das Haus eines der schönsten und modernsten Institute Wiens wird, spürbar ist: vom Gründerkollegium bis heute ist jene Liebe für den Menschen aus diesen Mauern nicht verflogen, die sie nie zu einem Bankgeschäft im Busineß-Stil werden ließ.

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