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Gemeinsame Grenzen

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Aus dem Jahr 1616 stammt ein Schutzbrief für den „ Woiwoden Franciscus mit seiner Sippe”, der sich, vermutlich aus der Steiermark oder aus ungarischen Komitaten kommend, im südlichen Burgenland niederließ. Borna waren aus Kroatien oder Südungarn vor den Türken in nördlichere Gebiete geflüchtet.

Die Ausstellung „Gemeinsame Grenzen” geht dem Schicksal der in dieser Begion angesiedelten Völker nach. Seit dem frühen 16. Jahrhundert haben Roma, Deutschsprachige, Magyaren, Kroaten, Juden, Katholiken, Protestanten und Wiedertäufer miteinander gelebt. Auch Christoff von Batthyäny, Herr der Burg Güssing, hatte den Borna für sein Gebiet einen Schutzbrief ausgestellt, da sie sich auf das Schmiedehandwerk verstanden. Die Geschichte der Borna im heutigen Südburgenland kennzeichneten aber auch „Verbotstafeln gegen Zigeuner”, etwa an der Landesgrenze zur Steiermark. Die Reformen Maria Theresias setzten zwar der Boma-Verfolgung ein Ende, aber ein einheitliches Bechtssy-stem unterwarf sie einer stärkeren staatlichen Kontrolle mit dem Ziel, sie seßhaft zu machen. Zeichen besonderer Diskriminierung war die Einsetzung von christlichen Pflegeeltern für alle Kinder über fünf Jahre. Weitere Schritte zur „Umerziehung” setzte man mit der Einrichtung von „Zigeunerschulen” (1931 in Stegersbach) und „ Zigeuner-Fürsorgeanstalten ”. 1928 hatte man im Burgenland eine „Zigeunerkartothek” angelegt mit den Fotos und Fingerabdrücken aller Borna über 14, was deren Zwangsde-portaion in die NS-Vernichtungslager erleichterte. Die Absiedlung der Kroaten begann um 1600. Bedroht durch das Vordringen der Osmanen ins westliche Mittelmeer verließen sie ihre Heimat und wurden in der Gegend um Güssing und in weiten Teilen des damaligen AVestungarn aufgenommen. Kroatische Sprache und Bräuche erhielten sich weit bis in unser Jahrhundert, wozu auch die (katholische) Beli-gionszugehörigkeit der Kroaten ihren Teil beitrug. Schon früh ist für das südliche Burgenland eine jüdische Besiedlung nachzuweisen: Schlaining, Bechnitz und Güssing waren die Zentren. Auch deren Niederlassung wurde zum Teil durch Schutzbriefe gefördert, erwartete man doch von ihren überregionalen wirtschaftlichen Beziehungen Vorteile. Durch die Aufhebung des Ansiedlungsverbotes 1840 machte die Judengemeinde von Güssing um 1850 fast die Hälfte der Stadtbewohner aus. Eine neue Synagoge wurde errichtet. Nach dem „Anschluß” wurde die Güssinger Synagoge in eine Turnhalle umfunktioniert.

Die Ausstellung macht deutlich, daß das Zusammenleben der Völker in dieser Region stets gegeben war und daß es umso besser funktionierte, je mehr Unterschiede gegenseitig respektiert und als selbstverständlich angesehen wurden.

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