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GEORGES C. MARSHALL / SOLDAT DES FRIEDENS

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Die Welf ist heutzutage zu freigebig mit dem Prädikat „großer Mensch“. Sie verleiht es oft auch dem Mittelmäßigen, wenn es nur die Fähigkeit der Selbstinszenierung besitzt. Darum geziemt es besonders uns Europäern, gerade jetzt eines Mannes zu gedenken, der sterbenskrank in einem amerikanischen Heereslazarett darniederliegt: Georges

C. Marshall. Er hat nach dem zweiten Weltkrieg, als Außenminister der USA, besonderen Weitblick erwiesen. Und gerade das hob ihn, den Berufsoffizier, von seinesgleichen heraus, denn es ist die Regel, daß die Mängel der Militärs in einer merkwürdigen partiellen Blindheit für bestimmte Bereiche des Menschlichen, die Politik sehr eingeschlossen, gründen.

Marshall war lange Zeit nur ein Begriff unter den amerikanischen Militärs gewesen. Die Oeffentlichkeit kennt ihn erst, seit ihn Roosevelt 1939 unter Uebergehung von 34 rangälteren Generalen zum Generalstabschef ernannte. Er war, geboren am 31. Dezember 1880 in Pennsylvanien als Sohn wohlhabender Eltern, nach dem Eintritt Amerikas in den ersten Krieg mit dem legendären Kommißgenie, dem General Pershing, nach Frankreich gekommen. Schon in den ersten Kämpfen an der Westfront hatte er sich die Aufmerksamkeit „Black Joe’s“, wie Pershing genannt wurde, zugezogen. Als sein Adjutant war er in den Machkriegsjahren in Washington und China tätig, bis er 1927 Dozent an der amerikanischen Kriegs akademie wurde. Aber noch einmal, nach dem Ende des zweiten Weltkrieges, wurde er nach China geschickt. Diesmal, 1946, als Sonderbeauftragter Trumans. Er versuchte zwischen Tschiangkaischek und den Kommu nisten zu vermitteln. Diese Mission ist gescheitert.

Nun folgte er Byrnes als Außenminister, und hier glückte ihm eine Mission, die er das erstemal am 5. Juni 1947 in der Harvard-Universität als Grundlage des „Wiederaufbaues Europas und der Sicherung der freien demokratischen Welt gegen imperialistische Ansprüche von außen“ ins Blickfeld der Welt gestellt und vorgeschlagen hatte.

Als Realpolitiker nämlich kannte dieser General das alte Rezept: primum vivere deinde philosophari. Es galt nun für ihn. nach dem gewonnenen Sieg und dem zum zweiten Male verlorenen Frieden, dem hungernden Europa wirtschaftlich unter die Arme zu greifen. Diese Idee einer großzügigen Hilfsaktion verdichtete sich immer mehr zu jenem Projekt, das unter dem Namen „Marshall-Plan“ in aller Welt bekannt geworden ist, zugleich ein Denkmal, dauerhafter als Erz. Es war Marshalls historische Tat, einen Versuch gewagt zu haben, der vielleicht ohne Beispiel in der Geschichte dasteht. Mitten hinein in dieses große Werk fiel dann die unerwartete Wiederwahl Tru- mans zum Präsidenten. Marshall trat zurück und wurde Präsident des Roten Kreuzes der Vereinigten Staaten, darauf, 1950, US-Ver- teidigungsminister. Nach dem Abschluß des Friedensvertrages mit Japan, 1951, zog sich der selbstlose Staatsdiener endgültig ins Privatleben und auf sein Landgut Leesburg zurück. Die New-Yorker „Times“ durfte damals mit Recht schreiben „Unter den Lebenden gebe es keinen Mann, der den USA treuer und uneigennütziger gedient habe als Marshall“.

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