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Geschichtliches Morgengrauen an der Donau

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Zu Beginn des 5. Jahrhunderts nach Christus hatten sich in Ufer-Noricum Völkerschaften zusammengefunden, welche, wahrscheinlich dem Drucke der Hunnen nachgebend, nach Westen zu wandern beschlossen, um dort neues Siedlungsland zu suchen. Es waren hastingische Vandalen aus der heutigen Slowakei und Alanen aus Pannonien, denen sich auch siiingische Vandalen aus Schlesien zugesellten. Ihnen schloß sich ein Teil der seit vier Jahrhunderten im nördlichen Nicderöster- reich und südlichen Mähren seßhaft gewesenen Q u a d e n an; man schätzt ihren Anteil auf ungefähr 30.000 Menschen.

Im Jahre 406 begannen sich diese Völker in Bewegung zu setzen und schon zu Jahresende wurde der Rhein überschritten. Nach zweijährigem Verweilen in Gallien brachen die Völker über die Pyrenäen in das römische Hispanien ein, nirgends ernstlichen Widerstand findend. Hispanien wurde schließlich von den nunmehrigen Herren der Halbinsel derart aufgeteilt, daß auf die Quaden der westliche Teil der Provinz Gallaecia entfiel, wo das „Regnum Sue- vorum" mit der Hauptstadt Braga gegründet wurde. Es stand unter der Herrschaft von Königen, deren bedeutendste Hermerich, Reckiar, Remismund, Theude- mund, Theudemir und Mir waren. Nach einem Bestand von 176 Jahren ging es schließlicn in das Reich der Westgoten auf.

Obwohl es nur ein kleiner Teil der Quaden war, der nach Hispanien zog, konnten viele interessante Spuren und Überreste aus jener Zeit in Nordportugal und Galizien festgestellt werden, und zwar archäologische Funde, Goldmünzen und dergleichen. Doch das Erstaunlichste war die Annahme des quado-swebischen, ostgermanisch beeinflußten Namenswesens seitens der iberoromanischen Bevölkerung. Sie mußte ehemals, nach Dokumenten des Mittelalters zu schließen, Hunderte von Eigennamen umfaßt haben, von welchen ein Teil noch heute weiterlebt. Ich selbst habe über ein halbes hundert davon angetroffen, darunter Namen wie Arminda, Alarico, Atilano, Argimiro, Dalmiro, Ermelinda, Hermene- gildo, Edelmiro, Gudila, Gumersinde, Fre- desvinda, Hildelisa, Oldemiro, Rudesindo, Sinibaldo, Teodemiro, Teoderico, Wite- sendo usw. Ferner konnten dort gegen 3000 germanische Ortsnamen erforscht werden.

Wir greifen nun etwas zurück in der Geschichte der östlichen Swebenreiche, also jene der Markomannen und Quaden. Sie waren den Römern nur in den sogenannten „Markomannenkriegen" (166 bis 180) gefährliche Nachbarn, als deren Folge eine große Menge von Markomannen in Pannonien angesiedelt wurde. Sonst aber gab es lange Friedenszeiten, manchmal in der Dauer von mehreren Jahrzehnten. Der Handel zwischen den Römern und den Donausweben blühte und viele Quaden mögen in friedlicher Absicht die Donau übersetzt haben, um in Zivil- oder Militärdienste der Römer zu treten und sich dort anzusiedeln.

Das fünfte Jahrhundert brachte einen vollkommenen politischen Umschwung. Die Quaden Noricums gerieten unter die Herrschaft der Rugier, deren Reich wieder durch Odowakar 487/88 zerstört wurde. Teile der Rugier blieben wohl im Lande oder zogen zu den Ostgoten nach Pannonien, Kriegsvolk auch nach Italien. Bald nachher zogen vorübergehend die Langobarden in das „Rugiland“ ein, doch hatten inzwischen die Heruler mächtig um sich gegriffen, vorübergehend die „Suaven“ (Ostquaden) unterjocht, wie auch die Langobarden tributpflichtig gemacht. Von diesen wurden sie schließlich zerschlagen.

Die überaus dürftigen Quellen geben uns jetzt nur mehr von den Ostquaden Kunde, die nunmehr (Jordane , P. Dia- conus) Suaven genannt werden. Daß der Volksname „Schwaben“ bei den Donausweben gebräuchlich war, bestätigt sowohl das Namenswesen der hispanischen Sweben (zum Beispiel der Namen Svabila) wie audi die 38 Ortsnamen mit Grundsilbe „Suav“ und „Suab" im Bereiche ihres Siedlungsgebietes.

L. Schmidt (Westgerm. S. 186) glaubt, daß die Westquaden im fünften Jahrhundert irgendwie den Untergang gefunden haben, da sich nach E. Beninger keine archäologischen Überreste mehr feststellen lassen. Aus diesem angeblichen Verschwinden eines Volksstammes, der durch fast fünf Jahrhunderte eine politische Rolle spielte, sowie aus einer Stelle bei Prokop (Bell, got., II, 14) hatte man sich Noricum als fast menschenleeres Gebiet vorgestellt, was aber irrtümlich ist, da dies die politischen Verhältnisse des fünften Jahrhunderts keineswegs beweisen. Die Quaden waren ein durch fünf Jahrhunderte an seiner Scholle fest verhaftetes Bauernvolk und mußten durdi natürliche Vermehrung zusammen mit der bereits germanisierten keltisch-illyrischen Grundbevölkerung eines der zahlreichsten Völker des Ostens gewesen sein. Ihre politische Organisation dürfte, vielleicht infolge des großen Lebensraumes, schwächer gewesen sein als die der Rugier und Langobarden, weshalb sie in deren Abhängigkeit gerieten. Gerade für die Zeit der Völkerwanderung wird oft der Untergang eines Volkes angenommen, bloß weil es politisch keine Rolle mehr spielte oder Überlieferungen fehlen. In dem niederösterreichischen Raum erhielten die Qua- denimsechstenJahrhundertZu- zug durch Ostquaden und Markomannen, wie auch durch ostgermanische Buren, Reste von Vandalen, Herulern und Goten, die teils freiwillig, teils unter dem Drucke der Awaren und Nordslawen südwärts, beziehungsweise ostwärts zogen. Ostgermanische Einflüsse wurden bekanntlich in unserer Mundart festgestellt.

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