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Glück und Unglück im Hause Oldenburg

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Aus der Chronik unserer Tage: 1945, Frühling: König Haakon VII. von Norwegen kehrt nach einem fünfjährigen, durch den Einmarsch der Deutschen verursachten Exil nach Oslo zurück.

1946 28. September: König Georg II. von Griechenland trifft nach fünfjähriger, durch die Kriegsereignisse veranlaßten Abwesenheit in Athen ein und übernimmt die Regierung aus den Händen des Regenten.

1947, 1 April: König Georg II. von Griechenland erliegt einem Herzschlag. Sein Bruder wird als Paul I. sein Nachfolger.

1947, 20. April: Christian X., König von Dänemark, stirbt, 77 Jahre alt, an den Folgen eines Schlaganfalles. Der Kronprinz besteigt als Frederik IX. den Thron.

1947, 9. Juli: Aus London wird die Verlobung der Kronprinzessin Elizabeth mit Lord Mountbatten, dem früheren Prinzen Philipp von Griechenland, offiziell bekanntgegeben.

Das sind Brudistücke aus der neuesten Geschichte einer Dynastie, die seit 400 Jahren in der Geschichte Europas an den verschiedensten Schauplätzen eine bedeutsame Rolle gespielt hat und in deren Geschicken die Wechselfälle von Glück und Unglück deutlicher in Erscheinung tteten als bei irgendeinem anderen Herrsdierhause.

Oldenburg, im nordwestlichen Deutschland an der Nordsee gelegen, ist die Wiege dieses Geschlechts, das seine Abkunft lange Zeit auf Wittekind, den Sachsenherzog, zurückführte. Einer der spätmittelalterlichen Grafen von Oldenburg, Dietridi, wird von den Chronisten Fortunatus, der Beglückte, bei-genanut, weil es ihm gelang, durch Erbschaft nicht allein die kleine Grafschaft Delmenhorst, sondern auch die blühenden Landschaften Holstein und Sdileswig zu erwerben. Dies war aber nur ein bescheidener Anfang. Nach dem Tode des beglückten Grafen wurde sein ältester Sohn Christian im Jahre 1448 auf den erledigten Thron des dänischen Königreidies berufen. Als Christian I. ist er der Ahnherr der langen Reihe von Christians und Frederiks geworden, die seit seinem Sohn Frederik I. in ständiger Abwedislung dieser beiden Namen bis zum heutigen Tag das kleinste der drei nordischen Reiche beherrschen. Die ersten dieser oldenburgischen Könige von Dänemark regierten zugleich auch über Norwegen und Schweden; dieses letztere Land ging ihnen jedoch unter der tyrannischen Herrschaft des „nordischen Nero“, Christian IL, verloren, und nur Norwegen blieb bis zum Wiener Kongreß mit Dänemark unter einem Herrscher vereint, worauf es unter die Herrschaft des schwedischen Königs gestellt wurde.

Unter den dänischen Regenten aus dem oldenburgischen Hause ist, zumal in früherer Zeit, so mancher für die Geschichte von Bedeutung geworden. So nach der düsteren Erscheinung des erwähnten zweiten Christian, der zuletzt auch Dänemark an seinen Oheim Frederik I. verlor, Christian IV., eine martialische, bald sagenumwitterte Persönlichkeit, trotz seines Mißerfolgs im Dreißigjährigen Kriege sicherlich eine der hervorragendsten Gestalten der nordischen Geschichte. Seine Nachfolger vertauschten nach und nach das Kriegshandwerk mit der stilleren, aber segensreicheren Tätigkeit des Friedensfürsten. Erwähnt sei Frederik V., ein besonderer Freund von Dichtung und Kunst, dem Klopstork seinen „Messias“ gewidmet hat. Höchst eigenartig inmitten dieser meist durchaus klardenkenden, zielbewußten Herrscher berührt Christian VII., durch dessen Gemütsleiden der junge Arzt Struensee zu einer kurzen Allmacht am Kopenhagener Hof gelangte — eine Episode, die mit der Hinrichtung des Günstlings endete, aber dadurch von weiterreichenden Folgen war, daß durch die von Struensee im Ehebruch mit der Königin erzeugte Tochter das Blut des Arztes in die verschiedensten Herrscherhäuser Europas einströmte.

Ein jüngerer Sohn Frederiks I. hatte die von Dietrich dem Beglückten erworbenen Länder Schleswig und Holstein als Herzogtum zu Lehen erhalten und in seiner Nachkommenschaft erblich gemacht. Ein Zweig aus seiner zahlreichen Nachkommenschaft, der den sinnbildhaftcn Namen Glücksburg führte, war vom Schicksal dazu ausersehen, nach dem Aussterben des königlidi dänischen Mannesstammes dessen Erbe anzutreten. Christian IX., der erste König von Dänemark aus dem Glücksburger Zweig,““wurde in seinen letzten Jahren als der „Großvater Europas“ bezeichnet. Seine Töchter Alexandra und Dagmar wurden Gattinen der Beherrscher von Großbritannien und Rußland, und von seinen Söhnen folgte ihm Frederik VIII. als König von Dänemark, während Wilhelm unter dem Namen Georgios I. 1863 zum König der Hellenen gewählt wurde und damit Griechenland in den Bereich oldcn-burgisdier Herrschaftsgebiete einbezog. Von den Söhnen Frederiks VIII. herrschte Christian X. vom Tode seines Vaters bis zu seinem eigenen, vor wenigen Monaten erfolgten Ableben über Dänemark — ein beispielhafter Vertreter echten demokratisdien Volksfürstentums, darum auch natürlicher Gegner der hitlerischen Gewaltherrschaft, die er nur dank seines klugen, besonnenen Verhaltens wenigstens nach außen hin ungestört zu überdauern vermochte. Minder glücklich war sein Bruder Carl, der im Jahre 1905 unter dem historisdien Namen HaakonVII. zum König des sich von Schweden losreißenden Bruderstaates Norwegen erhoben wurde. Durch starke äußere und innere Bindungen an England von vornherein „verdächtig“, mußte er sein Land 1940 verlassen und in London den Zeitpunkt seiner Wiederherstellung erwarten.

Ist das Los dieser dänisch-norwegischen Oldenburger im allgemeinen als glücklich zu bezeichnen, so verkehrte sich bei dem nach Griechenland verpflanzten Zweig dieses Schicksal in das Gegenteil. Georgios I. fiel nach einer fast fünfzigjährigen dornenreichen Regierung in dem eben erst den Türken entrissenen Saloniki durch Mörderhand. Sein Sohn und Nachfolger Konstantin, schon als Kronprinz einmal auf Betreiben Venizelos' verbannt, mußte nach dem ersten Weltkrieg, als Anhänger der Mittelmächte, samt seinem ältesten Sohn ins Exil gehen und die Krone dem jüngeren- Sohn Alexandros überlassen. Auch dieser konnte jedoch des zweifelhaften Glückes seines Königtums nicht lange genießen: Er starb auf merkwürdige Weise an den Folgen eines Affenbisses, und sein Vater Konstantin bestieg zum zweitenmal den Thron, den er infolge seiner Mißerfolge im Krieg gegen die Türken sehr bald neuerlich einbüßte. Nun folgte sein ältester Sohn als Georgios II. Dieser mußte nach vierzehn Monaten, 1924, der republikanischen Bewegung weichen und ging nach London, von wo er 1935 durch eine Volksabstimmung auf den Thron zurückberufen wurde. Er herrschte nun, bis die Wellen des zweiten Weltkrieges auch über dem Königreich der Hellenen zusammenschlugen; da ging er abermals nach England, um im vorigen Jahr zum drittenmal in die Heimat zurückzukehren. Ein überraschend schneller Tod hat den 57jährigen von seinem unruhigen Dasein erlöst und vor weiteren Wechselfällen bewahrt.

Ein jüngerer Bruder Konstantins, Prinz Andreas, machte von sich reden, als er 1922, anläßlich der Niederlage im türkisdien Krieg, vor ein Kriegsgericht gestellt wurde, da er als Korpskommandant den Befehlen des Oberkommandos nicht Folge geleistet und so die Niederlage verschuldet habe. Er wurde zu lebenslänglicher Verbannung verurteilt. Aus seiner Ehe mit der schönen Prinzessin Alice von Battenberg stammt neben mehreren Töchtern — darunter Cäcilie, Erbgroßherzogin von Hessen, die mit ihrer ganzen Familie durch ein Flugzeugunglück bei Ostende ums Leben kam — der einzige Sohn P h i 1 i p p o s. Er ist es, der nach Ablegung seines Prinzentitels und Annahme des Mädchennamens seiner Mutter Mountbatten. Battenberg, mit der Hand der Erbin des britischen Weltreiches die Aussicht gewonnen hat, als neuer „Prince-Consort“ Stammvater eines englischen Zweiges der Oldenburger zu werden.

Mit den in Dänemark, Griechenland, Norwegen und künftig auch in Großbritannien herrschenden Linien des oldenburgischen Hauses sind die von den Sprossen dieser weitverzweigten. Familie besetzten Throne noch nicht erschöpft, audi wenn wir von den ehemaligen deutschen Kleinstaaten Schleswig-Holstein (bis 1866) und Oldenburg (bis 1918) absehen. Einer jüngeren Linie des Hauses, Holstein-Gottorp genannt, entstammte jener Karl Peter Ulrich, der als Enkel Peters des Großen im Jahre 1762 unter dem Namen Peter III. Zar von Rußland wurde, aber, geistig minderwertig, noch im gleichen Jahre unter Mitwissenschaft seiner ihm nachfolgenden Gemahlin Katharina II. ermordet wurde. An ihm und seinen Nachkommen — denn daß Zar Paul Peters Sohn war und nicht, wie Katharina es in ihren Memoiren darstellt, der ihres Geliebten Saltikow, wird unwiderlegbar durch die physiognomischen Tatsachen erwiesen — hat sich die Tragik der Oldenburger vollends erfüllt. Paul war ein Despot, dessen bizarre Einfälle an Geisteskrankheit streiften. Weder er noch seine Nachfolger wurden ihrer gewaltigen Machtstellung froh. Sein Enkel Alexander II. erlag auf entsetzliche Weise einem anarchistischen Attentat, und dessen Enkel war der unglückliche letzte Zar Nikolaj II. — sein und seiner Familie düsteres Schicksal ist noch in allgemeiner Erinnerung.

Nicht viel glüdtlicher waren die Könige von Schweden aus diesem Hause. Adolf Friedrich, ein Vatersvetter Peters III., gelangte 1751 durch Wahl zur Regierung in diesem Lande. Ihm folgte sein Sohn Gustaf III., ein hochbegabter Fürst, der als Opfer der Adelsverschwörung Anckarströms bei einem Maskenball ermordet wurde; und ihm wieder ein Sohn Gustaf IV. — ein legitime Abstammung ist allerdings zweifelhaft —, der in der Zeit der napoleonischen Kriege durch eine Militärrevolution abgesetzt und verbannt wurde. Sein Oheim und Nachfolger, Carl XIII., war kinderlos und adoptierte den französischen Marschall Bernadotte, dessen Dynastie das schwedische Königreich besseren Verhältnissen entgegenführte.

Wie ein erfreuliches Widerspiel der unheilgesättigten Geschicke der Oldenburger in Griechenland, Rußland und Schweden erscheint das kleine Stammherzogtum Oldenburg selbst. Von hier war Dietrich der Beglückte ausgegangen, und hier herrschte eine Reihe seiner Nachkommen als Grafen, später als Herzoge und Großherzoge über ein kleines, aber wahrhaft glückliches Land. Sie verwalteten ihr Ländchen zur vollen Zufriedenheit ihrer Untertanen. Zeugnis hiefür ist unter anderem folgendes Erlebnis des letzten, 1918 entthronten Großherzogs Friedrich August. Als man in Rastede, wohin der Exgroßherzog sich zurückgezogen hatte, keinen geeigneten Gemeindevorsteher finden konnte, begab sich der Gemeinderat zu Friedrich August, und ein sozialdemokratisches Mitglied des Rates fragte seinen ehemaligen Landesherrn, indem er ihn freundlich auf die Sdmlter klopfte: „Ja, wie wär's denn, Herr Großherzog, wenn Sie in Rastede so bei lüttjen wieder anfingen?“

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