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GroBgrundbesitzer Goulart

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Der abgesetzte brasilianische Präsident, Jango Goulart, wohnt mit seiner reizvollen Frau und seinen beiden quicklebendigen Kindern in Montevideo jetzt in dem dritten Stock eines luxuriösen Appartementhauses, aus dessen großen Fenstern er über einen Palmenpark auf den Rio de la Plata sehen kann. (In Rio de Janeiro war der Blick aus seiner Eigentumswohnung an der herrlichen Küstenstraße von Copacabana noch schöner.) Goulart hat die wichtigsten Mitglieder seines Regierungsteams in der uruguayischen Hauptstadt versammelt. Ihr Hauptkampf gilt dem, was sie „Rufmord“ nennen. Die nordamerikanische Zeitschrift „Time“ hat nur wiedergegeben, was man längst in fast allen brasilianischen Zeitungen lesen konnte. Goulart soll während seiner Präsidentschaft, bei der er wild um die Agrarreform kämpfte, Ländereien am laufenden Band erworben und schließlich ein Prozent des ganzen nutzbaren Bodens besessen haben. Nun ist Goulart unbestritten Eigentümer zweier Riesengüter mit Zehntausenden von Rindern und Schafen. Wenn er diesen Besitz während der Präsidentschaft — legal oder illegal — vergrößert hat, so gewiß nicht auf seinen Namen. Deshalb ist sein notarielles Angebot aus Montevideo, der „Time“ diese Güter für einen Dollar zu übereignen, mindestens so demagogisch wie der Vorwurf.

Der argentinische Expräsident Juan Perön benutzte einen Freund, den früheren Krankenpfleger Jorge Antonio, als Strohmann. Soweit seine Frau, Evita Perön, sechs Millionen Dollar auf Nummernkonti bei Schweizer Banken deponierte, scheint sie ihrem Mann keine Vollmacht erteilt zu haben. Jedenfalls konnte er jahrelang nicht über das Riesenvermögen verfügen.

„Er stahl, aber er verschaffte Arbeit“, sagt man nicht nur in Argentinien über Perön, sondern auch in Venezuela über Marcos Perez Jimenez. In den sechs Jahren seiner Diktatur bis 1958 hat er — wie Perön — die finanziellen Kräfte seines Landes überfordert, aber Caracas zu einer supermodernen Hauptstadt gemacht, ein Netz großartiger Autostraßen gebaut und der Masse Vollbeschäftigung bei guten Löhnen gesichert. Daher hat er viele Sympathien behalten. Er emigrierte in die USA und lebte luxuriös in Miami, bis er verhaftet und wegen Veruntreuung von 13 Millionen Dollar an die venezolanische Regierung des gerade abgelösten Präsidenten Betancourt ausgeliefert wurde. Er sitzt in einer Zelle mit Fernsehempfänger fern von Caracas in der Festung „San Juan de los Morros“ und wartet auf den Abschluß des Strafverfahrens, das nach der Behauptung seiner Verteidiger schon mehrere Millionen Dollar gekostet haben soll.

„Stiehl, aber handle“, war auch der Wahlslogan für Dr. Adhemar de Barros, der — immer wieder — zum Gouverneur des Staates Sao Paulo gewählt wird, obwohl er durch unbestrittene, aber sehr einfallsreiche Korruption zu einem der reichsten Männer des Landes geworden ist.

Nach dem lateinamerikanischen Sittenkodex wird ein Politiker nicht durch Korruption untragbar. Obwohl es zum guten Ton gehört, sie zu bestreiten, erscheint sie der Masse so selbstverständlich, daß sie einen Präsidenten, der arm starb, wie einen seltsamen Heiligen verehrt

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