7112931-1996_04_18.jpg
Digital In Arbeit

Habsburger am Rhein

Werbung
Werbung
Werbung

Am Stefanitag des Jahres 1805, vor 190 Jahren also, wurde in Preßburg, dem heutigen Bratislava, ein Friedensvertrag zwischen dem in jener Zeit noch unbesiegten Napoleon und Kaiser Franz II. unterzeichnet. Eine der Folgen dieses Vertrages war der Verlust der letzten Habsburg-Besitzungen im Westen Europas, der letzten Reste Vorderösterreichs im Breisgau. Zehn Jahre später, am Wiener Kongreß, gab es noch einen vergeblichen Versuch, den Breisgau unter österreichische Herrschaft zu bringen - Wien wäre bereit gewesen, dafür das Erzbistum Salzburg an Bayern abzutreten.

In der Nähe des Schweizer Ortes Brugg kann man auch heute noch die stolze Silhouette der Habichtsburg, des im Jahre 1020 errichteten Stammsitzes der Habsburg-Dynastie, bewundern. Allerdings ist ihre Glanzzeit längst vorüber: schon im 14. Jahrhundert, als sich die ersten Schweizer Kantone gegen die Herrschaft der deutschen Kaiser erhoben, verloren die Habsburger entscheidende Schlachten (Mor-garten 1315, Sempach 1386 und Näfels 1388) und damit auch einige ihrer Schweizer Besitzungen.

Aargau und Thurgau waren der Kern des habsburgi-schen Vorderösterreich -auch oft „Vorlande" genannt. Der nach Norden fließende Bhein wies den natürlichen Weg zu weiteren Erwerbungen, teils im Breisgau, teils im Elsaß.

Auf dem Weg von Basel nach Colmar begegnet man zuerst dem Dörfchen Ottmarsheim, einst der älteste Besitz der Habsburger am Rhein. Das Wahrzeichen der Ortschaft ist heute ein Wasserkraftwerk, damals war es die charakteristische Kirche, ein Juwel karolingischer Baukunst im Elsaß. Das achteckige Gotteshaus, um 1050 erbaut, ist eine verkleinerte Ausgabe des Aachener Doms.

Weiter nördlich erreicht man den Ort Ensisheim. Trotz des deutsch klingenden Namens und der Fachwerkhäuser ist es ein typisch französisches Provinzstädtchen. Der Baustil der „Mairie" kommt einem vertraut vor, das Renaissance-Gebäude mit apartem achteckigem Türmchen war der letzte Sitz der österreichischen Verwaltung für das Gebiet Oberelsaß-Sundgau. Nach Unterzeichnung des Westfälischen Friedensvertrages (1648), noch unter Sonnenkönig Ludwig XIV., wechselte es endgültig nach Frankreich. Seitdem bildet der Rhein - bis auf kurze Unterbrechungen - die natürliche Grenze zwischen Frankreich und Deutschland. Dort, wo einst ein Binnenhof gewesen sein mag, steht, etwas fremd und verloren in dieser Umgebung, ein Brunnen mit einer Abbildung von Rudolf, dem Stifter.

Auf der Fahrt durch die ehemalige Landvogtei Oberelsaß erreicht man bald Colmar, die größte Stadt dieser Region nach Straßburg. Mit der Statue eines gewissen Roesslmann am Stadtbrunnen wurde dessen Widerstand gegen den Besitzhuriger des Bischofs von Straßburg im 13. Jahrhundert ein Denkmal gesetzt. Damals riefen die Bürger Colmars die Truppen Rudolf von Habsburgs zu Hilfe, und die Männer des Bischofs mußten sich zurückziehen.

Nochmals versuchten sie, die Stadt zu erobern, indem sie sich als Habsburg-Soldaten verkleideten. Aber ihre List wurde durchschaut, und nach einem letzten Scharmützel - bei dem Roessl-mann tödlich verwundet worden war - gehörte Colmar endgültig zu Habsburg. Die Grundsteinlegung der Colmarer Dominikanerkirche wurde 1283 von Kaiser Rudolf persönlich vorgenommen.

Dies alles geschah zur Zeit des „Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation". Dieses jahrhundertelang von den Habsbur-gern beherrschte Reich war, bei allem Respekt vor der Geschichte, eine bizarre Konstruktion, das Ergebnis der von Kaiser Maximilian I. eingeführten Heiratsund Vertragspolitik („Tu felix Austria nube"), die sich von den Niederlanden bis nach Wien erstreckte und unter Karl V. sogar Gebiete im eben entdeckten Zentralamerika umfaßte.

Auch nach dem Verlust des Elsaß verblieben noch rund 150 Jahre lang ausgedehnte Gebiete von Breisgau, Burgau, Nel-lenburg, Tettnang und der Oberen Landvogtei Schwaben im Habsburger Besitz. Politisches und geistiges Zentrum von Vorderösterreich blieb aber Freiburg im Breisgau. Die Stadt, eine Gründung der Zähringer - des gleichen Geschlechts, dessen Graf Bertold 1061 zum Herzog von Kärnten gemacht wurde — feierte im Vorjahr das 875-Jahr-Jubiläum ihrer Gründung. Die Stadt wechselte zunächst ihre Besitzer, bevor sie 1368 schließlich an die Habsburger kam.

Wie alle Grenzstädte litt auch Freiburg unter den zahlreichen Kriegen zwischen Frankreich und dem Hause Habsburg. Nach 1648 schien der Friede eingekehrt, und einige Jahre später hielt sich die zukünftige Gemahlin Ludwig XVI., Marie-Antoinette, zwei Tage in Freiburg auf, als sie mit einer pompösen Equipage (man spricht von 250 Personen und 57 Wagen) zu ihrem königlichen Bräutigam reiste. «

Auf Befehl von Kaiserin Maria-Theresia wurden zu diesem Anlaß alle Häuser von Freiburg weiß getüncht!

Gleich neben dem prächtigen Freiburger Münster aus dem 13. Jahrhundert steht die ehemalige Wache der österreichischen Garnison. Und etwas weiter befindet sich die Dom-musikschule - sie ist im früheren österreichischen Regierungsgebäude untergebracht.

Im Herzen des Schwarzwaldes versteckt liegt St. Blasien, das heute hauptsächlich als Luftkurort bekannt ist. Schon im neunten Jahrhundert stand an dieser Stelle eine bescheide ne Kirche, die später zu einer selb ständigen Dominikanerabtei ausge baut wurde. 1768 fiel der Gebäude komplex einem Brand zum Opfer, un ter der Leitung des französischen Architekten Pierre Michel d'Ixnard begann sofort der Wiederaufbau. Seitdem ist das Ortsbild von der imposanten Stiftskirche - einer Kuppelkirche nach Art des römischen Pantheons geprägt.

Die Erbauer hatten die Kirche wohl deshalb so großartig konzipiert, weil zu der Zeit eine neue Grabstätte für die frühen Habsburger geschaffen wurde, deren Gebeine man aus der Schweiz hierher transportiert hatte. Als die Abtei 1809 durch die'Begie-rung des Großherzogtums Baden aufgehoben wurde, übersiedelten an die 40 Patres von St. Blasien nach St. Paul im Lavanttal in Kärnten. Sie brachten nicht nur das berühmte „Adelheid Reliquien-Kreuz" mit, sondern auch die Überreste der ersten Habsburger, die nunmehr ihre letzte Ruhestätte in Kärnten fanden.

Dieser Vorgang entbehrt nicht einer gewissen Symbolik, denn damitl war auch das Kapitel „Vorderösterreich" nach sechs Jahrhunderten abgeschlossen.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung