6649307-1958_44_01.jpg
Digital In Arbeit

„Ich verkünde euch eine große Freude...“

Werbung
Werbung
Werbung

Fast mit den gleichen Worten, mit denen der Engel in der Weihnachtsnacht den Hirten von Bethlehem, die hei ihren Herden weilten, d'e Geburt des Herrn der Welt verkündete, verkündet jeweils nach beendigtem Konklave der rang-älteste Kardinaldiakon der gesamten Welt die Geburtsstunde eines neuen Pontifikates, die Stunde, da der Welt; ein neuer Nachfolger des heiligen Petrus geschenkt worden ist. Und der Jubel, der durch die Worte des Engels in der Weihnachtsnacht zitterte, zittert auch durch die Worte des Kardinaldiakons. „Annuntio vobis magnum gaudium“, „Ich verkünde euch eine große Freude“, ruft der Kardinaldiakon der Welt zu, „wir haben einen neuen Papst!“

Die Kirche weiß um die Kraft der Symbole, sie wußte, warum sie für die Verkündigung der Geburtsstunde eines neuen Pontifikates fast genau die gleichen Worte wählte, wie sie der Engel in der Geburtsstunde des Herrn gebrauchte. Ist doch .der Welt in dem neuen Papst ein neuer Stellvertreter Christi geschenkt, ein „vicario Jesu Christi“, und mit Recht will die Kirche, daß ein Abglanz des Jubels der Weihnachtsnacht auch auf jene Stunde fällt, die der Kirche ein neues, sichtbares Oberhaupt schenkt.

„Ich verkünde euch eine große Freude“, verkündete der Kardinaldiakon am Nachmittag des 28. Oktober 1958 Rom und der Welt, „wir haben einen neuen Papst“. Und er setzte hinzu, daß der Kardinal Angelo Giuseppe Roncalli als Johann XXIII. den Stuhl des heiligen Petrus bestiegen habe.

Dieser Verkündigung mußte im Konklave eine Wahl vorausgegangen sein, die dem neuen Papst eine Zweidrittelmehrheit plus eine Stimme gebracht hatte; es mußte ihr ferner die Frage des Kardinaldiakons gefolgt sein, ob er die kanonische Wahl annehmen werde, und es mußte zum Schluß die Antwort des Gewählten gefolgt sein, daß er die Wahl annehme. In diesem Augenblick vollzog sich in dem Kardinal Roncalli, Patriarchen von Venedig, jener geheimnisvolle Vorgang, der ihn wie durch einen Sturmwind aus der Mitte der Kardirialskollegen zum Oberhaupt dei Kirche heraushob, zum Papst, dem unter bestimmten Voraussetzungen die Unfehlbarkeit zusteht. Er machte aus ihm den „servus servorum Dei“, den Diener aller Diener Gottes.

Dies ist alles, was wir bisher über die Vorgänge im Konklave wissen, das am Samstag, den 25. Oktober, begonnen hatte, nach drei Tagen beendet war und der Kirche den 262. Papst schenkte.' Jene Stimmen haben recht behalten, die prophezeit haben, daß dieses Konklave nicht lange dauern werde, höchstens drei bis vier Tage. Und jene Stimmen hatten ferner recht behalten, daß nach einem Brauch des letzten Jahrhunderts ein Kardinal, der aus dem diplomatischen Dienst kommt, große Chancen hat. Manche hatten schon vor dem Konklave dem

Patriarchen von Venedig gewisse Chancen gegeben, und so bewährte sich das alte römische Sprichwort, daß, wer als Papst ins Konklave gehe, dieses als Kardinal verlasse, auch diesmal nicht. Aus Venedig kam in diesem Jahrhundert schon ein Papst, es ist der heilige Papst Pius X., der von 1903 bis 1914 regierte.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung