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Im Purpur und im Harnisch

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Erzbischof Hieronymus Colloredo allerdings, der Nachwelt aus der Lebensgeschichte Mozarts bekannt, erwog, die Repräsentationstruppen aufzulösen, und zwar aus „budgetären“ Gründen. Für die Erhaltung der Carabiniers und der Trabanten hatten Hofkammer und Landschaft gemeinsam aufzukommen. Hieronymus aber war bestrebt, die Lasten gänzlich auf die Landschaft zu überwälzen, wobei er in josephinischer Nüchternheit brüsk erklärte, andernfalls bedürfe er der Garden nicht mehr. Doch man einigte sich auf einen Kompromiß, und die Leibwache blieb weiterhin bestehen, bis zum Jahr 1806.

Von Wolf Dietrich wird berichtet, er habe mit Vorliebe statt des geistlichen Gewandes ritterliche Kleidung getragen, auch Marcus Sitticus kommt uns auf dem Fresko im Festsaal des Schlosses Hellbrunn als Kavalier in Samt und Seide. Dies erklärt sich aus der den Salzburger Erzbischöfen des 16. und des frühen 17. Jahrhunderts eigenen Auffassung von ihrem Amt: sie waren wohl hohe kirchliche Würdenträger, vor allem aber weltliche Fürsten, die auch unter Mitra und Kardinalshut ihre Herkunft aus dem alpenländischen Adel nicht verleugneten und sich im Lebensstil von anderen hohen Herren im Heiligen Römischen Reich kaum unterschieden.

So ist es zu verstehen, daß die Regenten des Erzstiftes zuweilen auch statt im Purpur kriegerisch gerüstet auftraten. Wolf Dietrich selbst besaß einen in Goldtauschierung reich verzierten Harnisch, der sich mm im Bayerischen Nationalmuseum in München befindet, wäh rend die originalgetreue Kopie im Burgmuseum auf der Festung Hohensalzburg zu sehen ist. Der Reitenauer folgte damit dem Beispiel eines seiner Vorgänger, des Erzbischofs Matthäus Lang von Wellenburg, von 1519 bis 1540 Oberhaupt des Erzstiftes. Sein Name bleibt den meisten fremden Besuchern Salzburgs unbekannt, da der finster blik- kende bärtige Mann sich nicht als Förderer der Künste hervortat, dafür aber um so mehr politische Aktivität entwickelte. Den Harnisch des streitbaren Matthäus, wahrscheinlich aus der Werkstatt des bedeutenden Innsbrucker Plattners Konrad Sausenhofer, „ain ganze weisse rüstung, plau angeloffen, geezten und vergul- ten Strichen“, wie sie Jakob Schrenk von Notzing in seinem Ambraser „Armamentarium Heroicum“ beschreibt, hatte sich Erzherzog Ferdinand für seine museale Rüstkammer gesichert, heute gehört der Harnisch zu den Beständen der Waffensammlung des Kunsthistorischen Museums in Wien. Matthäus Langs Familienwappen aber führt die Radstädter Bürgergarde noch immer auf ihrer Fahne.

Wider die Türken

1529 warb dieser Erzbischof an die 2500 Landsknechte, um während des Rückzugs der Türken nach der vergeblichen Belagerung Wiens die steirischen Grenzen zu schützen. 1532 und 1537 entsandte er 170 Reiter und 650 Mann salzburgisches Fußvolk nach Ungarn, wider den heidnischen Erbfeind. Zur allfälligen Verteidigung des eigenen Territoriums bot er die „Landfahne“ auf, eine Art Miliz. Auch in den türkischen Feldzügen von 1543 und 1558 stellte das Erzstift kriegstüchtige Mannschaft.

Desgleichen blieb zu Zeiten Wolf Dietrichs der vom Halbmond beherrschte Südosten das Hauptziel der militärischen Aktionen. Unter dem Befehl Hans Werners von Raitenau, kaiserlichen Obristen und Vaters des Erzbischofs, zogen 500 Mann nach Szombor. Dort starb der von Raitenau 1597 nicht auf dem Feld der Ehre, sondern auf dem Stroh. Der Sohn deckte den Leichnam zu Sankt Peter in Salzburg mit einer Grabplatte aus rotem Mamor, darauf das Abbild des Verblichenen, lang hingestreckt, in ritterlicher Wehr. Wolf Dietrichs Bruder, Jakob Hannibal von Raitenau, stand ebenfalls mit Salzburgern in Ungarn, und der hochfürstliohe Oberstallmeister Kaspar von Stadion erwarb sich bei Erlau und Stuhlweißenburg den

Ruhm eines außerordentlich tapferen Kämpfers und Truppenführers.

Die erste Kaserne

Während des Dreißigjährigen Krieges regierte Paris Lodron das Erzstift. Der kluge Fürst entschied sich für die bewaffnete Neutralität, ließ die Residenzstadt, die „bis dahin gleichsam ein offenes Dorf gewest“, befestigen, wobei jeder Turm und jedes Tor einem bestimmten Heiligen geweiht wurde, und erbaute für die 200 Mann auf Lebensdauer geworbener Soldtruppen eine Kaserne am Gries. Diese gilt als erster militärischer Zweckbau ihrer Art im gesamten deutschen Raum, wurde allerdings im vorigen Jahrhundert leider geschleift. Die heute noch erhaltenen Teile der lodronischen Befestigungsanlagen gehören längst schon zum vertrauten Stadtbild, da und dort findet man am Mauerwerk das Wappen des Erzbischofs, den Löwen mit dem Brezelschweif. Burg Werfen und das damals salzburgische, seit 1816 bayrische Tittmoning waren weitere Schwerpunkte des Fortifika- tionswesens.

Immer wieder traten Salzburger Reichskontingente gegen die Türken an: 1664 bei St. Gotthard, 1683 beim Entsatz von Wien und später auch bei Mohäcs und bei der Erstürmung von Belgrad. Ein geschlossenes Salzburger Infanterieregiment, durch Konskription und freie Werbung formiert, darunter nicht wenige „ad militiam condemnirte“ Wilderer und andere unliebsame Elemente, setzte sich unter dem Befehl des Obristen Wolf Max Graf Überacker während des spanischen Erbfolgekrieges in Marsch und verteidigte 1713 Freiburg im Breisgau gegen die Franzosen.

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